14.03.2013: Am 14. März jährt sich der Tag der Ankündigung der Agenda 2010 durch SPD-Kanzler Schröder 2003. Sie setzte die Agenda von Lissabon um, mit der die EU zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten … Wirtschaftsraum der Welt“ werden sollte. Kommunisten, Linke, Gewerkschafter und sozial Bewegte sprachen davon, dass Schröder und Fischer „amerikanische Verhältnisse“ schaffen wollten, um die USA ökonomisch zu überholen. Die ideologische Vorarbeit leistete 1999 das Schröder-Blair-Papier, mit dem SPD und Labour sich endgültig vom sozialdemokratischen Reformismus zugunsten einer offen neoliberalen Herrschaftsvariante verabschiedeten. Stichwortgeber für den Basta-Kanzler war die Bertelsmann-Stiftung mit ihrem „Wirtschaftspolitische Forderungskatalog für die ersten hundert Tage der Regierung“. Aus dem „Hoffnungsträger“ von 1998 war endgültig „der Genosse der Bosse“ geworden.
Die Hartz-Gesetze dienen der Bekämpfung der Erwerbslosen, sie sind auch der Knüppel, mit dem Belegschaften zu Zugeständnissen gezwungen werden wie längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich oder Verzicht auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Wenn es angeblich keine andere Alternative zur Arbeitsplatzvernichtung gibt, dann schreckt der 365 Tage kurze Weg ins staatliche Verarmungsprogramm oft vom Widerstand ab. So konnte und kann die deutsche Wirtschaft mit einer durch Lohn- und Sozialdumping geschmierten Exportwalze nicht nur die südlichen EU-Länder überrollen und neben ihren Produkten die Arbeitslosigkeit exportieren. Es gab große Proteste gegen die Hartzerei, Hunderttausende beteiligten sich wochenlang an Montagsdemos. Was fehlte, war der entschlossene Widerstand der Gewerkschaften. Vielen fehlte trotz eindeutiger Warnungen die Einsicht, dass es auch um deren Schwächung ging. In Regierungskommissionen arbeiten Gewerkschafter mit, möglicherweise in dem alten Irrglauben, „Schlimmeres“ verhindern zu können. Als gäbe es nicht genügend Erfahrungen damit, dass das Aufspringen auf einen in falscher Richtung rasenden Zug nichts bewirkt. Ob der mit 150 k m/h oder 160 km/h aus der Kurve fliegt ist nicht mehr entscheidend. Von außen Bremsklötze, Hemmschuhe, wie die Eisenbahner sagen, auf die Gleise zu legen hätte auch hier mehr gebracht. Statt dessen wurden die Gewerkschaften vielfach als Beteiligte abgestempelt, nach dem Motto „mitgegangen mitgehangen“.
Nun fordert der Gazprom-Lobbyist eine Agenda 2020, assistiert von hochbezahlten professoralen Claqueuren. Die Rente erst mit 70 wird gefordert. Deutlich sichtbar die Spur der Steine, beide weiter überzeugte Hartzer, ob als SPD-Fraktionsvorsitzender oder als Kanzlerkandidat. Der von der SPD-Führung jetzt an den Tag gelegte Eifer, Schönheitsreparaturen an den Folgen ihrer Politik der Umverteilung von unten nach oben vorzunehmen, riecht nach Wahlkampfgetöse. Dass mittlerweile die Hälfte von Wähler- und Mitgliedschaft ging, kratzt diese Herren dabei scheinbar wenig, die Herren in Konzernen und Banken eh nicht. Nicht die trügerische Hoffnung, durch die Wahl der SPD etwas verändern zu können sollte Gewerkschafter bewegen. Sich auf die eigene Kraft besinnen, in betrieblichen und tariflichen Auseinandersetzungen und auf der Straße, tut jetzt Not.
Am 13. April wird wieder UmFAIRteilen gefordert werden, am 1. Mai der gesetzliche Mindestlohn und Schluss mit der Prekarisierung. Und massenhafte Proteste gegen eine Agenda 2020, die weitere Millionen in die Armut abdrängte, die Milliardäre noch (zahl) reicher machte und die Gewerkschaften schwächte, wenn denn dieser Zug nicht schon vor der Abfahrt auf Abstellgleis geschoben werden wird.
Text: Volker Metzroth (aus der UZ vom 15.03.2013)