01.07.2013: Das Thema ist nicht neu, aber die Art und der Umfang der Anwendung von Werkverträgen lässt eine neue Qualität erahnen. Werkverträge sind nicht per se verwerflich: die Inspektion des Autos, die Reparatur der Waschmaschine, das Streichen des Wohnzimmers, alles Werkverträge im privaten Umfeld. Kritisch wird es in den Betrieben, wenn durch Werkverträge eine neue Art und Dimension prekärer Beschäftigung entsteht und die erkämpften Besitzstände bedroht. In die Schlagzeilen geriet das Thema Werkvertrag durch die Undercover-Reportage eines Fernsehjournalisten. Er hatte bei Daimler über eine externe Firma für 8,19 EUR gearbeitet, der festangestellte Kollege neben ihm erhält das Doppelte.
In der Realität bereitet die Abgrenzung zwischen echten Werk- oder Dienstleistungsverträgen und illegaler Arbeitnehmerüberlassung zunehmend Schwierigkeiten. Dabei dreht es sich keineswegs um einen akademischen Disput, sondern um die Frage von Entlohnung und Absicherung der Betroffenen sowie Mitbestimmung der Betriebsräte. Nicht nur Juristen, auch Betriebsräte und natürlich die Betroffenen sehen eine enorme Grauzone. Das BGB kennt zwar die Begriffe, aber in der Praxis hilft der Gesetzestext nicht viel weiter.
In einer Handlungshilfe der IG Metall für Betriebsräte heißt es: „Es liegt immer dann ein „Scheinwerkvertrag“ vor, wenn der Beschäftigte des Subunternehmens oder der Soloselbstständige in den Betrieb, in dem er beschäftigt wird, eingegliedert wurde.“ Allerdings ist das „Bundesarbeitsgericht ist mit seiner Rechtsprechung so restriktiv, dass es zunehmend schwerer fällt, den Unterschied zwischen „Überlassen von Arbeitsleistung“ (das Kennzeichen der Arbeitnehmerüberlassung) und echten Werkverträgen herauszuarbeiten.“
Wann ist ein externer Kollege in den Betrieb eingegliedert? Das LAG Berlin-Brandenburg hat kürzlich etwas Klarheit ins Dunkel gebracht und festgestellt: „Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf des Auftraggebers, so spricht dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrages und für eine Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers.“ (Az 15 Sa 1217/12)
Bei ihrer Betriebsrätebefragung 2012 stellte die IG Metall eine Verdoppelung des Einsatzes von Werkvertragsbeschäftigten gegenüber früheren Jahren fest. Exakte Zahlen können die Betriebsräte nicht nennen, außer für einzelne Gewerke im Betrieb – woher sollten sie die Zahlen auch haben? Interessant ist, dass die Arbeitgeber lauthals gegen die „bloßen Behauptungen“ der IG Metall protestieren – aber keine Zahlen liefern können oder wollen.
Für die IG Metall ist das Thema Werkvertrag von strategischer Bedeutung: wenn der Flächentarifvertrag durch andere, legale Beschäftigungsformen unterlaufen wird, droht er an Bedeutung zu verlieren, wird die Verteidigung oder gar Erweiterung tariflicher Rechte zunehmend schwieriger. In den vergangenen Jahren hat die IG Metall, auch in Verbindung mit dem DGB, mit den Unternehmerverbänden der Leiharbeitsbranche einige Tarifverträge abgeschlossen. Über die Haken und Ösen dieser Tarifverträge ist auch in dieser Zeitung schon viel geschrieben worden, das muss hier nicht wiederholt werden. In manchen Betrieben gibt es robuste Regelungen, die den Einsatz von Leiharbeit und Werkvertragseinsatz begrenzen und Mindeststandards sichern.
Die IG Metall in NRW sieht sich derzeit noch in der Analysephase. Erklärtes Ziel ist der Abschluss von Tarifverträgen „mit den externen Dienstleistern“, „Mitte des Jahres beginnen die konkreten Planungen, Anfang 2014 dürften die ersten Aktionen anlaufen,“ so der neue Bezirksleiter Knut Giesler. Da scheint noch viel Analyse zu leisten, und das kann dauern.
Betriebsräte in betroffenen Betrieben sehen vielfältige Gründe für den wachsenden Einsatz von Werkvertragsarbeit:
- Unterlaufen der Tarifverträge der Leiharbeitsbranche, so unbefriedigend diese auch sind
- Unterlaufen von Mindestlöhnen, die in einzelnen Branchen bestehen
- Lohndumping durch Scheinselbständigkeit
- Faktische Leiharbeit ohne Genehmigung als Verleiher
- Einsatz von ausländischen Arbeitskräften ohne Einhalten der Entsenderichtlinie
- Unterlaufen der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte
- Outsourcen ohne die Probleme räumlicher Verlagerung
Sicher ist, dass sich das gesellschaftliche Problem prekärer Arbeit durch Vereinbarungen und Tarifverträge zu Leiharbeit und Werkvertragsarbeit nicht lösen lässt, bestenfalls einschränken. Die bevorstehenden Wahlen könnten eine gute Gelegenheit sein, das Thema der Werkvertragsarbeit breiter zur Debatte zu bringen. Es wird nach der Bundestagswahl sicher nicht leichter, Lösungen im Interesse der Betroffenen zu erzielen.
Text: Gebhard Hofner (Erstveröffentlichung in UZ vom 28.06.13)
Zur Webseite der IG Metall:
igmetall.de/befragung2013
Die Befragung: Ergebnisse, Zahlen, Fakten PDF (1112 KB)