Im Interview

Aegypten Sameh-Naguib 11.2013 openDemocracy06.01.2014: Der Staatsstreich des ägyptischen Militärs Mitte 2013 mit der Entmachtung des gewählten Präsidenten Mursi hat die politische Szene Ägyptens stärker als jemals zuvor in zwei Lager polarisiert: entweder steht man zur Machtergreifung des Militärs oder auf Seiten der Kräfte um die Moslem Bruderschaft. Das nachstehende Interview mit Sameh Naguib (s. Bild), einem Mitglied der 'Revolutionären Sozialisten', zeigt jedoch, dass es trotz allem Spielraum für linke Politik gibt, die eine Art 'Dritter Weg' in Ägypten werden könnten – weder an der Seite des Militärs, noch an der der Moslem Bruderschaft, jedoch entschieden auf der Seite des Volkes. Die Zukunft wird zeigen, ob dieser Ansatz Erfolg haben wird.

Daneben enthält das bereits im November 2013 veröffentlichte Interview des Internet-Portals openDemocracy wichtige Analysen und Informationen über die Beziehungen der großen politischen Kräfte und die weiteren Entwicklungen in Ägypten unter der Herrschaft des Militärs – der organisierten Hauptmacht der dortigen Bourgeoisie, die lohnend zu lesen sind und nicht an Aktualität verloren haben.

OD: Seit unserem letzten Treffen ist eine Menge passiert, Sameh. Wie ging es dir und wie ist derzeit das Leben eines 'Revolutionären Sozialisten' in Ägypten?

Sameh Naguib: Es ist schwieriger, als alles in unseren Erinnerungen vorhandene. Und einer der schwierigsten Aspekte ist die Tatsache, dass die Mehrheit der linksgerichteten und liberalen Intellektuellen die militärische Führung Ägyptens vollständig unterstützt – zu 100 Prozent.

OD: Dann ist das aber doch eher seltsam, solche Menschen als linke Liberale zu kennzeichnen, oder?

Sameh Naguib: Ja, das ist schon ein sehr seltsames Kennzeichen. Menschen, die behaupten, links zu stehen ... und ich spreche nicht nur von organisierten Gruppen, wie der kommunistischen Partei – ich spreche von Schriftstellern und Literaten wie Sonallah Ibrahim – Intellektuelle, wichtige Poeten, gut bekannte Personen mit einer langen Vergangenheit demokratischen Kampfes und des Eintretens für die Rechte des Volkes usw.. Dieses ganze breite Spektrum singt aus dem gleichen Gesangsbuch für den General (El Sisi, den militärischen obersten Führer).

OD: Ein Umschwung, der sich praktisch über Nacht vollzogen hat?

Sameh Naguib: Ja, über Nacht.

OD: Wir sollten auch über die Rolle der Medienkampagne in diesem Umschwung des politischen Klimas reden. Wir sprechen ja nicht nur über Intellektuelle – diese Kampagne hat große Bereiche des ägyptischen Volkes für sich gewonnen.

Sameh Naguib: Sie haben damit einen großen Teil des Volkes überzeugt, aber es bleibt doch ein komplizierter Sachverhalt. Und es steht nicht jedermann dahinter. Wenn wir heute versuchten, eine Demonstration zu organisieren, würden wir sehr bald von organisierten Schlägern angegriffen werden, die nur fünf oder zehn Minuten bräuchten, um dort zu erscheinen, wo immer wir auch das versuchten.

OD: Stellen sich die gewöhnlichen Menschen auch gegen die Proteste?

Sameh Naguib: Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Reaktionen unter den gewöhnlichen Menschen. Es gibt die Angst: "Wir wollen das nicht mehr, das ist zu gefährlich". Andere sagen: "Es ist genug, hört damit auf. Lasst das Militär es in Ordnung bringen, wir haben von all dem genug". Es gibt eine Zurückhaltung auf der Seite der Sympathisanten. Heute sind es außerhalb der Reihen der Muslim Bruderschaft nur noch kampferprobte Aktivisten, die sich zu Protesten hinaus wagen.

OD: Wie sehen denn eure Beziehungen zu den Unterstützern der Muslim Bruderschaft aus?

Sameh Naguib: Das ist ebenfalls wieder schwierig. Wir gehen nicht zu ihren Demonstrationen – wir können das einfach nicht. Nicht wegen der extremen Unterdrückung, sondern wegen des sektiererischen Wesens vieler Losungen der Bruderschaft und in der Tat auch, weil sie die Rückkehr von Mursi fordern, wogegen wir sind.

OD: Wie es aussieht, zerschlägt das Regime die erste und zweite Führungsreihe der Moslem Bruderschaft und steckt sie alle ins Gefängnis?

Sameh Naguib: Die Moslem Bruderschaft kann das überleben, sie ist groß genug und hat genügend Tiefe, um diesen Angriffen stand zu halten. Wir sind das nicht. Wenn das, was von der organisierten Linken überlebt hat, in dieser Weise geprügelt würde, würden wir für die nächsten Jahre dahin sein.

Die von uns eingenommenen Positionen ähneln denen der Jugend der Moslem Bruderschaft. Wir sehen das an ihren Kommentaren in Facebook. Und daher können Sie sich wohl gut vorstellen, dass sie uns immer wieder fragen: "Warum seid ihr nicht mit uns auf den Straßen?" Und andererseits beschuldigen uns zur gleichen Zeit diejenigen, welche das Militär unterstützen, ein "Teil der Verschwörung der Moslem Bruderschaft" zu sein.

Wir erleben uns also sehr isoliert und allein gelassen. Wir werden von allen Seiten angegriffen. Die Jugend der Moslem Bruderschaft möchte uns auf den Straßen sehen während andere uns beschuldigen, Unterstützer der Moslem Bruderschaft zu sein. Und es ist extrem schwierig, eine unabhängige politische Linie zu bewahren und Menschen aktiv in den Kampf einzubinden.

OD: Gilt das auch für die unabhängige Gewerkschaftsbewegung? Ist diese in ähnlicher Weise zwischen den beiden wahlpolitischen Polen gespalten?

Sameh Naguib: Natürlich. Ihr wichtigster Führer [Abou Eita] ist jetzt Minister und einer der entschiedensten Unterstützer des Militärregimes. Eine wahrlich heftiger Schlag für jegliche unabhängige Gewerkschaftsorganisation.

OD: Also auch wieder eine befremdende Entstellung einer 'unabhängigen Gewerkschaftsorganisation'.

Sameh Naguib: Ja, das ist eine wirklich traurige Sache. Sie war eine ernst zu nehmende, unabhängige und aus den Streikkomitees in Massenstreiks geborene Gewerkschaftsbewegung, in der Abou Eita einer der vordersten Führer der Kämpfe war. Und das zeigt wirklich das enorme Ausmaß des Betrugs auf, der in Ägypten stattgefunden hat.

OD: Gibt es denn nun irgendwelche Wählerschichten, mit denen man eine Art von Koalition neu aufbauen könnte?

Sameh Naguib: Wenn man es von außen betrachtet, sieht es auf den ersten Blick hin so aus, als gäbe es ein Meer von El-Sisi-Unterstützern. Aber bei einem näheren Hinschauen zeigen sich unter den Sisi unterstützenden Menschen solche, die ein sehr widersprüchliches Bewusstsein und Beweggründe haben und mit ihren Erwartungen allein gelassen sind. Und als erstes muss man sagen, dass eben diese Erwartungen nicht erfüllt wurden.

Es sind jetzt vier Monate seit dem Coup [des Militärs] vergangen und es gibt immer noch keine Wiederbelebung des Tourismus in Ägypten. Das Eisenbahnnetz musste zum ersten Mal in seiner 150jährigen Geschichte nach dem Aufbau durch die Briten den Betrieb einstellen, sodass es in diesem Jahr an den [moslemischen] Festtagsferien – ähnlich euren Weihnachtsferien – keine Züge für die Beförderung der Menschen nach Hause gab.

Dies hat den einfachen Menschen eine gewaltige Menge Leidens und des Chaos beschert. Es gibt über 3 Mio. Menschen, die jeden Tag mit dem Zug aus Banha oder Tanta und all den kleinen Städtchen des Nildeltas in ihre Arbeit nach Kairo fahren – so wie es in jeder Großstadt der Fall ist. Diese Menschen müssen nun das Dreifache, vielleicht sogar das Vierfache der Beträge für normale Zugfahrten zahlen. Und es dauert mindestens doppelt so lange, bis sie mit Kleinbussen oder privaten Transportmitteln zu ihrer Arbeit gelangen. Man kann sich also vorstellen, dass dies allmählich die große Unterstützung der Menschen aushöhlt, die sie einst ihren neuen 'Rettern' gewährten.

OD: Was aber vielleicht daran interessant sein könnte ist, dass all das einen überwältigenden Aufschrei gegenüber der Moslem Bruderschaft ausgelöst hätte, wenn es unter der Präsidentschaft von Mursi erfolgt wäre. Unter [der Herrschaft von] El Sisi jedoch antworten die Menschen darauf derzeit nicht auf ähnliche Weise?

Sameh Naguib: Nein, sie gewähren dem Militär: 'Im Zweifel für den Angeklagten'. Deswegen müssen wir uns hier wieder dem Militär und seinen Medienorganen zuwenden, die eine umfangreiche Kampagne führte, El Sisi mit Nasser verglichen und unaufhörlich über die nationalistische Rolle der Armee redeten – die Rolle bei der Modernisierung und die zentrale Bedeutung der Armee für das Land.

OD: Trifft das auf alle Medienorgane, die öffentlichen und die private, zu?

Sameh Naguib: Auf alle. Denn sie [die Militärs] schlossen alle islamischen Medienorgane und es gibt keine unabhängige Presse mehr.

OD: Das ist doch auch wieder ein außerordentliches Merkmal – ich meine die politischen Manöver des Militärs, die jedermann dazu brachten, "vom selben Notenblatt zu singen".

Sameh Naguib: Ein sicher außerordentliches Merkmal, aber ich denke, dass sich das nicht halten lässt. ... EL Sisi möchte die Macht behalten, aber er möchte sie verfassungsrechtlich. Er möchte das in Stein gemeißelt: allem übergeordnet, möchte er nicht herausgefordert werden. Er führte jüngst die schlimmsten Massaker der ägyptischen Geschichte aus und er möchte sicher gehen, dass er dafür nicht zahlen muss.

OD: Wieviel Information sind über die Massaker bei den Besetzungen bekannt geworden, ist das breit bekannt?

Sameh Naguib: Ja, es ist allgemein bekannt. Doch einige Zeit verbreiteten die Polizei und die Armee, dass die Moslem Bruderschaft auf ihre eigenen Leute das Feuer eröffnete und dass sie schwer bewaffnet waren. Mit der Zeit kam heraus, dass das nicht der Wahrheit entsprach, ganz eindeutig unwahr. Sogar das Gesundheitsministerium sagte, dass am 14. August über Tausend Menschen starben. Die Moslem Bruderschaft behauptet, es seien 6.000 gewesen. Wahrscheinlich liegt richtige Zahl irgendwo dazwischen.

OD: Sind Menschenrechtsorganisationen hierzu aktiv geworden?

Sameh Naguib: Ja, sehr. Besonders versuchten sie Listen mit den Namen der Getöteten und ihren Altersangaben zu erstellen. Nach Angaben der wichtigen Menschenrechtsorganisationen werden noch seit jenem Tag 400 Menschen vermisst. Es gibt eine Menge von verbrannten und nicht identifizierbaren Körpern. Und die unabhängigen Menschenrechtsorganisationen – die nichts mit der Moslem Bruderschaft zu tun haben – gehen von viel höheren Zahlen der Getöteten aus, als die vom Gesundheitsministerium angegebenen.

Aber in den Berichten der Medien wurde diese ganze Episode herunter gespielt und die Freigabe von Informationen wurde sehr stark kontrolliert. Im ägyptischen Fernsehen – sowohl auf privaten, als auch auf öffentlichen Sendern – bekam man dann diese Bilder von Waffen in großen Behältern u.ä. in Rabba El Adawiya zu sehen. Die sich aufdrängende Frage ist nur: Warum wurden sie nicht eingesetzt? Ich meine: Sie hatten diese Waffen und ließen sich abschlachten ...? Aber solche Fragen werden nicht gestellt. Und warum findet man die Waffen irgendwo in einem Behälter?

Auch die Zahlen erzählen eine gleiche Geschichte. In den beiden hauptsächlichen Angriffen wurden einige 40 Polizeibeamte getötet, aber auf der anderen Seite waren es 1.000 Tote. Das war wirklich keine Konfrontation zwischen zwei Armeen oder zwei bewaffneten Gruppen. ...

OD: Was bedeutet es für linke, liberale, oder pluralistische Kräfte aller Art, den Staatsstreich zu unterstützen? Rufen sie nur einfach zu einer gewissen Rückkehr der nasseristischen oder kemalistischen Begriffe der Nation als einem monokulturellen 'Nationalen Wir' auf? Legt dies nicht nahe, dass die Mehrheit und sogar die Intellektuellen letztlich nicht über diese Tradition hinaus denken können?

Sameh Naguib: Nein, es ist eher eine Art orientalischer Reaktion auf die jüngsten Ereignisse. Es gibt keine tiefsitzende Einstellung gegen Pluralismus. Aber es gibt hier – wie auch in gleichem Umfang im Westen – Islamfeindlichkeit unter den weltlichen Intellektuellen. Deshalb ist der Gedanke von etwas in der Nähe eines islamischen Staates oder eines islamischen Systems Anstoß für sie, sich selbst mit dem Teufel zu verbinden, um das loszuwerden.

Das gibt es natürlich in der Türkei genauso, wo ein Teil der weltlichen Opposition, einschließlich der sogenannten Linken, sich allzeit mit dem Militär zusammen gegen die islamischen Kräfte stellt. Es ist für sie ohne jegliche Bedeutung, mit welchen demokratischen Mitteln die Islamisten ggf. an die Macht kamen.

OD: Denkst du, das Gleiche gilt auch für Tunesien?

Es ist in Tunesien genauso. Der Unterschied ist nur der. Zur Zeit von Atatürk und von Nasser wurden ein zentrale Reformprogramme mit wichtigen Zugeständnissen umgesetzt: wichtige wirtschaftliche Zugeständnisse und soziale Zugeständnisse und Zugeständnisse gegenüber Frauen usw. ... Das machte es den Menschen möglich, die mono-kulturelle oder mono-politische Art der Gesellschaftsstruktur hinzunehmen. Aber das waren andere Zeiten.

Jetzt gibt es überhaupt keine Spielräume für Reformprojekte wie unter Atatürk oder Nasser, El Sisi hat nichts dergleichen anzubieten. Es gibt keine Landreform und keine Verstaatlichungen oder große Kämpfe gegen die auf ihren Auftritt wartenden kolonialistischen Kräfte, es gibt nichts für das Entstehen einer ausreichenden öffentlichen Unterstützung. Und eine weitere Sache ist, dass wir in einem Land wie Ägypten nicht einmal politische Parteien haben, welche derartige Reformprojekte vertreten könnten.

OD: Was denken denn nun die weltlichen Intellektuellen über etwa den Umstand, dass El Sisi die weltliche Verfassungsausrichtung abweist?

Sameh Naguib: Sie sagen, dass das falsch ist und manche sagen zudem, dass El Sisi nicht Präsident sein dürfe. Andere sagen wiederum, dass er Präsident sein solle. Sie sind in dieser Sachverhalt gespalten und dies verstärkt sich mit der Zeit und wird deutlicher. Das schafft auch eine Art neuer Hoffnung, einen neuen Aktionsspielraum. Denn besonders in den ersten Wochen nach den Massakern war jeder, der seine Stimme gegen El Sisi erhob oder das Geschehene in Frage stellte, ein Verräter, der getötet werden sollte ... Wenn man sich in einem Kaffee kritisch äußerte, wäre man ganz heftig verprügelt worden. Dies hat sich geändert.

Aber auch dies passiert nicht das erste Mal in diesem revolutionären Prozess in Ägypten. Die Menschen beziehen umgehend Stellung – dann fangen sie an, nachzudenken. Nun hört man in den Kaffees Argumente von Personen, die El Sisi unterstützen und von anderen, die Sagen: "Jetzt ist es genug. Bis wann denn soll es Ausgangssperren und den Ausnahmezustand geben? ... Wir können nicht mehr zur Arbeit gehen. Sie haben nichts bewirkt, die Regierung ist schwach, sie versorgen uns mit nichts". Es beginnt also von neuem; die Menschen stellen ihre eigenen Entscheidungen in Frage, einschließlich ihrer anfänglichen Unterstützung von El Sisi.

OD: Du erwähntest etwas ähnliches, als wir zuletzt miteinander sprachen. In deiner Analyse sagtest du, dass unter dem Strich den revolutionären Forderungen in keiner Weise entsprochen wurde. Denkst du immer noch so?

Sameh Naguib: Ja, denn viele Menschen unterstützten Sisi nicht deswegen, weil sie faschistisch oder ultra-weltlich eingestellt waren, sondern einfach, weil sie dachten: "Nun, die Moslem Bruderschaft hat unsere Forderungen nicht beachtet. Vielleicht werden das ja die Militärs tun". Es gibt selbstverständlich Teile der Mittelklasse, die El Sisi unterstützen, weil sie die Revolution hassen; sie hassen das 'Chaos' der Revolution. Sie hassen den Gedanken, dass jeder plötzlich ein würdiges Leben einfordert und dass die Armen – immer wenn sie Forderungen haben – es auf sich nehmen, auf die Straßen zu gehen und zu demonstrieren. Sie hassen all dies. Sie haben sich möglicherweise etwas Wandel an der Spitze des Landes gewünscht, jedoch ohne all diese – Revolution.

Es gibt also diese gewisse Art von stabiler Unterstützung von El Sisi, aber es ist hauptsächlich eine Unterstützung aus der Mittel- und Oberklasse. Ihre Kritik an El Sisi ist derzeit – so seltsam das klingen mag – dass er nicht hart genug vorgeht. Es befinden sich 15.000 im Gefängnis, zehntausende – niemand kennt die genaue Zahl – sind verletzt und wenigstens zwei- bis drei Tausend wurden getötet, aber all dies ist noch kein genügend hartes Durchgreifen. Sie hätten gerne und um jeden Preis jedermann 'gereinigt' und zur 'Normalität' zurück gedreht. ...

OD: Wie steht es mit den Minoritäten und wie werden diese behandelt? Ein durchgängiges Muster ist sehr deutlich: es gibt einen außergewöhnlichen Aufschwung in Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen Kopten, gegen Ausländer, gegen Palästinenser und in der Behandlung von syrischen Flüchtlingen. Woher kommt das?

Sameh Naguib: Es gibt eine Angstkampagne, eine mediale Kampagne der Furcht, in der verbreitet wird, dass die Syrer und Palästinenser allesamt Teil eines Komplotts zur Destabilisierung Ägyptens ist, zur Tötung von Ägyptern usw. ... So etwas gab es in gewissen geschichtlichen Zeiten auch in Europa ... , man erzeugt genügend Angst in der Ägyptern, sodass sie zu fühlen meinen, jeder mit einer helleren Hautfarbe, der ein Syrer sein könnte, könnte auch eine Bombe irgendwo legen. Ja diese sehr machtvolle Verschwörungstheorie wird verbreitet. Die US-Amerikaner, die Europäer, die Israelis, die Syrer, die Palästinenser, die Katarer stecken dahinter ... diese große internationale Verschwörung zur Zersetzung Ägyptens und die Herstellung einer Art syrischen Zustandes in Ägypten zur Zersetzung des Staates und seiner Auflösung.

OD: Wird das Beispiel des Iraks bemüht?

Sameh Naguib: Ja. Und dies war Teil der zentralen Botschaft der Armee: "Wir sind die einzige noch geeinte Armee. Die noch fest auf beiden Beinen steht. Die syrische Armee ist zerfallen, die irakische Armee ist zerfallen. Libyen ist ein Chaos". Und diese Botschaft richtet sich wiederum primär an das ägyptische Volk: "Wollt ihr wirklich so sein, wie der Irak oder Syrien? Wenn ihr euch gegen den ägyptischen Staat, die ägyptische Armee und den ägyptische Sicherheitsapparat stellt, dann treibt ihr das Land genau in diese Richtung." Dies löst unmittelbar eine Art von Abwehr in der Mittelklasse gegen jeden aus, der demonstriert oder streikt ... "Ihr helft nur den Terroristen und den Leuten, die dieses Land zerschlagen wollen." Auf diese Weise kommt Fremdenfeindlichkeit gut zum Einsatz.

OD: Dann gibt es diese Operationen im Sinai, die eine ähnliche Rolle spielt, wie vielleicht die terroristische Verschwörung, die in der gebirgigen Grenzregion der tunesischen Berge entflammt ist. Kann das alles Wasser auf diese Mühlen sein?

Sameh Naguib: Natürlich. Einen Krieg zu betreiben, ist die gewöhnlichste Sache, um das Volk still zu halten. über Jahre haben sie in der Sinai-Bevölkerung eine sehr starke Feindschaft zum ägyptischen Staat erzeugt, und nun haben sie die Basis des Widerstands der Sinai-Bevölkerung noch erweitert. Der ägyptische Staat ist mit den Rechten des Volkes auf dem Sinai stets schrecklich umgegangen. Jetzt haben sie diesen Hass durch die Entsendung von Panzern und der Tötung einer Menge von Zivilisten, die nichts mit bewaffneten Gruppen zu tun hatten, weiter angefacht.

Als Folge gehen mehr und mehr Menschen [auf dem Sinai] in die bewaffneten Gruppen, die derzeit kämpfen. Und das Bemerkenswerte ist, dass die Armee auch nach vier Monaten unfähig ist, die Lage auf dem Sinai zu kontrollieren. Es handelt sich nicht mehr darum, dass sie aus dem dortigen Krieg eine Demonstration machen: sie verlieren dort. Sogar die Personaltransporte der Armee werden angegriffen. Dabei hat Israel der ägyptischen Armee alle Bewegungsrechte auf dem Sinai gewährt. Und die Armee gab den Israelis im Gegenzug ein bestes Geschenk: sie hat 90% der Tunnel nach Gaza zerstört und blockiert Gaza und seine Wirtschaft beinahe vollständig.

OD: Und in Ägypten – wird das mit Gleichmut hingenommen?

Sameh Naguib: Mit extremer anti-palästinensischer Leidenschaft. Und ihr könnt euch die Schwierigkeiten der palästinensischen Flüchtlinge in Ägypten im Angesicht solcher Kampagnen sicher vorstellen. Syrische Familien werden ins Gefängnis geworfen, sterben an allen Orten – einschließlich Kindern und Frauen – nur weil sie Syrer sind. Es gibt keinen Zweifel daran. Eine Konterrevolution ist für viele Betroffene ein elendes Geschäft. Und wir stehen einer Konterrevolution gegenüber.

OD: Es erscheint da sehr ungewöhnlich, dass die Kopten El Sisi unterstützen ...

Sameh Naguib: Man muss natürlich anmerken, dass die islamische Bewegung im Allgemeinen, gleich ob die Moslem Bruderschaft oder Salafisten, in Bezug auf andere Religionen sich sektiererisch verhalten. Ihre Aufgabenstellung ist eine [rein] islamische, und Teil ihres Programms ist es, die Kopten zu zweitrangigen Bürgern zu machen. Zum Beispiel würde auch der gemäßigste Teil der Moslem Bruderschaft sagen, dass ein Kopte nicht Präsident werden kann. Und das wären die gemäßigsten.

Es gibt auf der anderen Seite eine ganze Breite von Menschen, die Kirchen schließen möchten und die Kopten im Grunde zum Verlassen des Landes bringen möchten. Da bekommt der Mythos der nationalistischen Armee und des Staates, weltlich zu sein und die Einheit von Moslems und Christen schützen zu wollen, etwas sehr nützliches. Und auf diese Art halfen die Islamisten direkt dem Militär – einfach durch ihr so engstirniges Sektierertum.

Die Sache war die, dass die Moslem Bruderschaft, je mehr sie angegriffen wurde, um so mehr eine islamistische harte Linie ausübte – um die Salafisten auf ihre Seite zu ziehen. Und natürlich trieb das die Kopten in die andere Richtung. Jegliche Allianz mit den Salafisten – und ich spreche hier von den extremen Salafisten der Islamischen Gama'a – bedeutet, dass Kirchen angegriffen werden, Kopten auf den Straßen angegriffen werden. Und die Moslem Bruderschaft verstand sehr gut, dass dies geschehen würde.

Was die Armee machte, war dabei wiederum sehr klug. Indem sie die Kirchen nicht schützten, ließen sie die Dinge geschehen: "Lasst die Kopten [unter solchen Eindrücken] dann zu uns kommen". Und sie kamen. Und ihr könnt wohl deren Furcht, besonders im Süden, verstehen. Kirchen, Geschäfte und Häuser der Kopten werden dort niedergebrannt.

OD: Wäre es nicht das Beste für uns Ägypter, General El Sisi als Präsident zu bekommen – in der Hoffnung, dass er sich in gleicher Weise darstellen muss, wie Mursi? Was verlieren wir denn, wenn er sich auch als nicht fähig erweist, die Forderungen der Revolution nach "Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit" zu erfüllen?

Sameh Naguib: Im günstigsten Fall würde man wohl nur einen Kandidaten für die Landesführung bekommen, der sich nicht an das Militär verkauft hat und auch kein Islamist ist. Wir wollen eigentlich kein solches erneutes Szenario. Selbst falls so ein Kandidat eine kleine Prozentanteil von Stimmen bekäme, dürfte das nur ein Weg sein, eine oppositionelle Bewegung in gewissem Schwung aufrecht zu halten. Darum haben wir mit der 'Front des Revolutionären Wegs' zusammengearbeitet.

Diese Bewegung versucht grundsätzlich diese kleine Minderheitsposition des Aufbaus einer unabhängigen dritten Stimme in der aktuellen Lage einzunehmen. Ahdaf El Soueif und mehrere andere wichtige Personen sind Teil dieser Front. Sie schließt Organisationen wie die 'Bewegung des 6. April', die Revolutionären Sozialisten, Teile des 'Starkes Ägypten' (Masr el Qaweya) – letztere ist teilweise und besonders unter einigen ihrer Jugendlichen eine ex-islamistische, linke Gruppe – dann unabhängige Gewerkschaftsaktivisten, Anarchisten und alle möglichen Einzelpersonen. Es gibt jedoch [in der Front] wenig Intellektuelle, die wenigen, die sich nicht an das Militär verkauft haben.

Die Front hat ihre Basis in Einzelpersonen, nicht in Organisationen und wir verfolgen den ernsten Ansatz, dass organisierte Gruppen die Front nicht durch Blockbildung dominieren – wir wollen sie so offen, wie möglich für Menschen machen, damit sie sich anschließen und sie beeinflussen können, und tatsächlich beteiligen sich [bisher] viele Menschen. Sie werden alle Kandidaten des Militärs anfechten und sie fechten bereits die militärischen Prozesse gegen Zivilisten ebenso an, wie die neuen drakonischen Gesetze, die man zur Beherrschung der Proteste in Ägypten erlassen will bzw. hat.

Dies sind kaum zu glaubende Gesetze, die Demonstrationen nahezu unmöglich machen und der Polizei das Recht geben, letztendlich mit scharfer Munition auf Demonstranten zu schießen. Ahdaf Soueif nimmt da eine sehr mutige und feste Haltung ein und sie wird dafür angegriffen, was das Zeug hält. Die Front wird ebenfalls angegriffen [und verleumdet] – als Front zu Gunsten der Moslem Bruderschaft, als Versuch zur Zersetzung des Staates und des Militärs, als Front der Revolutionären Sozialisten, die selbst ein Haufen verrückter Leute seien, die das Land nieder brennen wollen. Und das alles als organisierte Kampagne sowohl der öffentlichen, als auch der privaten Medien.

Es ist daher noch zu früh zu sagen, was in den [nächsten] Wahlen passieren wird. Wir wissen auch noch nicht, mit welcher Art von Systemvorschlag für die Verfassung sie kommen werden. Wir haben einen Anfang gemacht, indem wir die Gesetzmäßigkeit dieser Verfassung und die Schau, die sie darum machen, anfechten. Aber man muss diese Leute bei jedem einzelnen Schritt auf ihrem Weg bekämpfen.

Wir sollten uns nichts vormachen. Die ägyptische Revolution hat den schlimmsten Schlag seit ihres Beginns erhalten. Die Moslem Bruderschaft erwies sich als eine vollständige Katastrophe. Viele Menschen stimmten für Mursi, weil sie Shafik nicht wollten. Aber es gab auch 4 Millionen, ja fast 5 Millionen Menschen, die für Hamdeen Sabahi stimmten, der den meisten als eine weltliche, linke Alternative erschien. Er hat sich nun als ein pro-militärischer Faschist erwiesen. Das ist eine demoralisierende Tatsache für all diejenigen, die jetzt keine Vorstellung mehr haben, wen sie unterstützen sollten.

Die sogenannte weltliche Linke, von der manche Menschen glaubten, sie könnten ihre 'Nasseristen' sein, stehen alle hinter El Sisi – wir haben also eine sehr schwierige Situation. Aber diese ganze demokratische Bewegung begann vom Jahre 2005 mit einer sehr kleinen Minderheit von Menschen, die an der Spitze der Verbände von Journalisten und Juristen standen und konnten nach und nach erhebliche Unterstützung gewinnen. Genauso müssen wir jetzt wieder neu anfangen.

OD: Ganz offenkundig ist die Opposition im Moment vollständig gespalten, ein Bruch, den zu überwinden die 'Front des Wegs der Revolution' sehr bemüht ist. Doch wie passt die Moslem Bruderschaft in diese Beziehungen? Sie machen weiter ihre Demonstrationen, während viele aus ihrer Führung hinter Gittern sitzen. Der eigenen Sicherheit wegen vermeiden sie erkennbar Demonstrationen auf den großen Plätzen. Aber was sind ihre Pläne darüber hinaus, was haben sie gelernt? Es ist klar, dass sie sich nicht auf Verhandlungen einlassen wollen, doch zur gleichen Zeit kann die Opposition nicht zu ihnen stehen, weil es zu gefährlich wäre, wie du sagtest. Was geht es also bei ihnen weiter?

Sameh Naguib: Zunächst ist es nicht nur eine Frage der Bedrohung. Es hat auch damit zu tun, dass sie [die Moslem Bruderschaft] ein sektiererisches rechtsgerichtetes Programm haben. Man kann nicht einfach losgehen und mit diesen Leuten unter solchen Losungen demonstrieren. Sie fordern ja nicht weniger als die Rückkehr von Mursi. In unseren Demonstrationen waren wir gegen Mursi: wir wollen seine Rückkehr nicht. Für uns wurde der Staatsstreich [des Militärs] gegen die Revolution und ihre Forderungen geführt. Für sie ist es [nur] ein Staatsstreich gegen den rechtmäßig gewählten Mursi und das ist die Differenz zwischen uns. Es gab eine wirkliche Massenbewegung gegen Mursi. Und nicht nur mit Demonstrationen, es gab auch die Streiks. Aber zur gleichen Zeit, als es diese Massenbewegung gegen Mursi gab, gab es auch sich verschwörende Generäle, die die Lage ausnutzen wollten, um Mursi los zu werden und das Rad der Revolution zurück zu drehen.

Soweit es die entrechteten Mursi-Unterstützer betrifft, so schweißt die Schwere der von ihnen erlittenen Unterdrückung sie zusammen. Es geht ja um die eigene Führung im Gefängnis und Tausende Getöteter, nein, da wird man wenig interne Uneinigkeit finden. Es gibt natürlich Fragen, Fragen aller Art, die gestellt werden.

So haben etwa wir Revolutionäre Sozialisten beständig argumentiert, dass die Revolution eine Niederlage erleiden würde, wenn man nicht den Staatsapparat zerstöre. Sie entgegneten darauf, das sei ein Betrug des Staates und dass das Militär geeint bleiben müsse: "Was redet ihr von der Zerstörung des Staatsapparates? Wir wollen ihn nicht zerstören". Nun jedoch sagen viele Stimmen der Jugend der Moslem Bruderschaft: "Ihr hattet recht. Der Staat hat uns nieder geschlagen und wir ließen das zu, weil wir nicht versuchten, ihn zu zerstören." Ich weiß aber nicht, inwieweit dies für eine größere Gruppe von Personen repräsentativ ist.

Und wird die Frage aufkommen, dass die Moslem Bruderschaft einen großen Fehler machte, als sie sich mit dem Militär und der Polizei verbündete? Ich bin sicher, dass es dazu kommt. Denn es ist ganz logisch, dass die Frage sich aufdrängt. Sie priesen El Sisi, die Generäle und die Polizei – welche sie prompt niederschlugen. Es war einfach ein falscher Plan. Zur Zeit jedoch ist natürlich unter den jetzigen Umständen niemand bereit, die eigenen Reihen zu spalten.

OD: Welche Rolle wird die Moslem Bruderschaft bei den nächsten Wahlen spielen, falls überhaupt?

Sameh Naguib: Zur Zeit versuchen sie, Zugeständnisse vom Militär zu erlangen, um wenigstens die Führer aus den Gefängnissen zu bekommen und etwas Spielraum für Aktionen zu gewinnen. Mursi soll wohl am 4. November vor Gericht gestellt werden. Aber es bedarf nur eines Telefonanrufs, um den Prozess um Monate zu verschieben [wie es tatsächlich geschah]. Das ist einfach ein anderer Teil des Schauspiels, denn alles hängt von dem Ablauf der Verhandlungen ab.

Die Moslem Bruderschaft weiß, dass das Land nicht ohne das Eisenbahnnetz usw. leben kann - das ist auf Dauer unhaltbar. Was sie ihrer Mitgliedschaft sagen, ist: "Nur Geduld. Lasst uns weiter Druck machen." Sie wissen, dass dieses System so nicht weitermachen kann, wie es ist, und dass es etwas nachgeben muss. Sie versuchen, mit ihrer Art des Drucks Differenzen unter der Generalität zu schaffen – und Überlegungen der Art: "Vielleicht sollten wir mit denen reden? Vielleicht sollten wir auch ein paar von ihnen aus dem Gefängnis lassen?" Sie [das Militär] müssen möglicherweise nachgeben, wenn die Moslem Bruderschaft diesen täglichen Druck aufrecht halten kann, sie müssen vielleicht Zugeständnisse machen.

Unter den Militärs gibt es zwei Strategien. Eine davon lautet: "Wir müssen verhandeln und eine Art von Abkommen finden. Schauen wir mal und versuchen wir es mit Gesprächen." ... Bis jetzt haben alle Versuche von Verhandlungen nicht geklappt, aber ich denke, dass sie schließlich doch zu einer Art Arrangement kommen werden.

Was das Verbot der Moslem Bruderschaft als politische Einheit betrifft, so war sie schon früher verboten. Aber sie ist Teil der ägyptischen Gesellschaft. Sie ist eine Organisation mit über einer Million Kader – was soll man mit denen machen, sie alle ins Gefängnis stecken? Was ist dann mit den 10 Millionen, die sie unterstützen. Es gibt sie seit über 80 Jahren und sie sind nicht verschwunden. Die Idee eines politischen Islams verschwindet nicht so einfach. Auch wenn sie nicht funktionierte, nicht einmal in der Türkei trotz vieler Versuche. Es gab das große Atatürk-Projekt, aber nach 100 Jahren sind die Islamisten immer noch rege und die Idee des [politischen Islams] ist immer noch stark und geht nicht vorüber. ...

OD: Nun wird der Entwurf der neuen Verfassung heraus gegeben und dann wird es wohl ein Referendum und nachfolgend Wahlen geben. Wird jedermann daran teilnehmen? Oder wird es so wie früher sein, als viele Menschen sich gegen eine Teilnahme entschieden, weil sie meinten, die Wahlen seien manipuliert und weil die Menschen dem Vorgehen selbst nicht trauen – die Militärs haben das Sagen und sie würden keine internationale Beobachtung zulassen?

Ich denke, dass es noch zu früh ist, zu den Wahlen Stellung zu beziehen, ob ein Boykott sinnvoll ist oder nicht. Ich selbst denke, er ist es nicht. In dieser besonderen Situation muss die Opposition wegen all der entrechteten Menschen teilnehmen und wegen derjenigen, die in dieser Frage – "Wie geht es weiter?" - ohne Orientierung sind. Wenn wir nicht zur Wahl gehen, wird man sagen: "Was erzählt ihr uns, ist denn alles aus und vergeblich?" Das wäre gefährlich und aus diesem Grund wird die Opposition teilnehmen müssen. Aber das hängt auch wieder von der Entwicklung ab. Falls man vor jedes Wahllokal Panzer stellt und gewalttätige Schläger, müssen wir das sicher neu überdenken. Alles hängt davon ab, wie schlimm sich die Dinge entwickeln.

OD: Benötigt ihr die auf Ägypten gerichteten Augen der Welt in diesem Prozess?

Sameh Naguib: Nun, das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits natürlich Ja. Es sollte soviel internationale Solidarität der Unterstützer der ägyptischen Revolution geben, wie möglich. Aber wiederum – dies wird für heftige Anschuldigungen wegen ausländischer Verschwörung und Anschläge zur Zerstörung des Staates usw. genutzt werden.

Das wichtigste zu Beachtende ist, dass wir uns nicht demoralisieren lassen und ihnen so zum Sieg verhelfen – denn noch haben sie nicht gewonnen. Und dies ist eines der wichtigsten Dinge, die wir besiegen müssen: das Gefühl, dass die Revolution zu Ende gekommen sei.

Und die Symbolik dieses Sachverhalt war niemals so klar, wie jetzt. Der Tahrir-Platz ist ein Friedhof geworden. Er ist im Grunde eine Garage für Panzer geworden. Die Menschen in aller Welt sahen den Tahrir als Symbol der Revolution, des Wandels, der Demokratie. Diese Hoffnung sich in eine riesige Garage mit Dutzenden von Panzern, bewaffneten Fahrzeuge, Mauern und Stacheldraht und frei von irgendwelchen Menschen wandeln zu sehen, ist mindestens demoralisierend.

Aber das bedeutet auch, dass wir den Tahrir-Platz zurückerobern müssen. Wir kommen also an eine Wegegabelung, wo es nichts anderes, als dies zu tun gilt. Der einzige Weg zur Wiederbelebung der ägyptischen Revolution ist, sie zurück zu erobern. Die kommende Schlacht wird darum gehen, den Platz zurück zu erobern. Genau deswegen hat die Moslem Bruderschaft versucht, ihn am 6. Oktober zurück zu gewinnen. Und wegen dieser Bedeutung schoss die Armee an jenem Tag und tötete 50 Menschen nur, weil sie friedlich versuchten, zum Tahrir-Platz zu marschieren. Die Armee weiß, dass sie erneut in Schwierigkeiten gerät, wenn sie die Kontrolle über den Platz verliert. Und andererseits weiß jeder in der Moslem Bruderschaft und auch jeder in der Linken, dass wir in ernste Schwierigkeiten geraten ... wenn wir den Platz nicht wieder für uns gewinnen.

Es gibt eine Schlacht um Räume und eine um Daten. Was die Räume betrifft, so sind der Tahrir-Platz und seine Symbolik, sowie der Rabaa El Adaweya mit seiner Symbolik für die Islamisten zusammen mit der Nummer 4 und der gelben Farbe zum zentralen Motiv geworden. Dann gibt es Zeiten, also Tagesdaten: 19. November – das Mohammed-Mahmoud-Massaker, das wird eine wichtige Schlacht vor dem Innenministerium; 25. Januar, der Beginn der Erhebungen gegen Mubarak. Wird das ein Gedenktag mit Polizei- und Militäreinsatz, sowie mit überfliegenden Kampfflugzeugen sein? Wie wird der Tahrir-Platz an diesem Tag aussehen?

OD: Sind nicht auch die Graffiti-Maler weiter aktiv? Geht das weiter?

Sameh Naguib: Ja, es gibt eine gewaltige Graffiti-Schlacht, hauptsächlich zwischen der Moslem Bruderschaft und den pro-militärischen Kräften, welche die Graffiti jeden Tag ... ja, jeden Tag übermalen. Sie malen und übermalen ... eine Schlacht nach der anderen, jede Nacht und jeden Morgen. Man kann all dies lesen: "Sisi ist ein Mörder", "Sisi ist ein Killer", "Sisi hau ab" usw.. Dann wird das übermalt, komplett. Aber nach wenigen Stunden kommen all diese Graffiti zurück.

In gewissem Sinne geht die Revolution also weiter. Sie nimmt diese besondere Form der Schlacht um Symbole zwischen den Islamisten und der Armee an. Aber wenn um solche einfachsten Dinge, wie es Graffiti sind, nach der Devise "Wem gehört die Wand?" gekämpft wird, so bedeutet das auch, dass die revolutionäre Energie noch vorhanden ist.

Quelle: openDemocracy

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Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands, die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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