Aus Bewegungen und Parteien

congress strengthofcritique31.03.2015: Vom 20.-22.März fand bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin auf Initiative von Frigga Haug und - im letzten Jahr verabredet - von der Feministischen Herbstakademie in Gersfeld die feministische Konferenz unter dem Titel „Die Kraft der Kritik: Wege des Marxismus-Feminismus“ statt. Mitveranstalter waren transform europe und die Linke.SDS. Tagungsort war das ND-Haus, wo man sich wohl einst niemals hätte vorstellen können, dass hier einmal eine Tagung zum „Marxismus-Feminismus“ stattfinden würde.

 

ssaskia sassen rlsDie Konferenz war - für mich überraschend - sehr gut besucht: Mario Candeias von der Rosa-Luxemburg-Stiftung berichtete bei der Begrüßung, dass sich über 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet hätten. Das Publikum war jung (der Altersdurchschnitt lag schätzungsweise bei Mitte 30 bis Mitte 40), bestand zu etwa einem Viertel aus jungen Männern und war international. Eine Reihe - für Feministinnen - prominenter Namensträgerinnen prägte das Niveau. So hielt die Soziologin Saskia Sassen am Freitagabend eine Luxemburg-Lektion: „Was sehen wir, wenn wir uns zurück auf den Grund begeben?“ Sie bezog sich dabei „in unserer von Instabilität einstiger Gewissheiten gezeichneten Epoche“ auf die Rückgewinnung marxistischer Kategorien für den Feminismus. Sie tat dies nach einem langen, den Teilnehmerinnen Konzentration und Disziplin abverlangenden Arbeitstag, an dem in zwei Sprachen referiert und diskutiert wurde, vor keineswegs nennenswert kleiner gewordenem Publikum.

In den Foren und Arbeitsgruppen sprachen Gayatri Chakravorty Spivak, Cynthia Cockburn, Tucker Pamella Farley, Martha Gimenez, Hester u. Zillah Eisenstein (USA), Tove Soiland, (Schweiz), Gabriele Dietrich, Ruth May, Christa Wichterich, Sybille Stamm (Deutschland) und viele andere Wissenschaftlerinnen und Autorinnen von internationalem Rang. Die initiale Absicht der Tagung:
Nach 40 Jahren marxistisch-feministischer Mobilisierung und unter der inzwischen weltweit erreichten neoliberalen Hegemonie sollten „die Fäden wieder aufgenommen werden“. Die Teilnehmerinnen kamen u. a. aus – neben vielen europäischen Ländern - Nord- und Südamerika, Kanada, Indien und Australien, um den state-of-the-art zu diskutieren. Die Fäden wurden also aus vielen verschiedenen Perspektiven wieder aufgenommen.

Katja Kipping, Vorsitzende der Partei Die Linke, startete mit dem Begrüßungsreferat . Sie bekannnte sich als Marxistin-Feministin bzw. feministische Marxistin und schilderte augenzwinkernd, wie es ihr zuerst leichter fiel, sich zum „Feminismus“ als zum Marxismus zu bekennen. Der Feminismus sei für sie nachvollziehbar gewesen, da sein Theoriegebäude auch mit Hilfe eigener Erfahrungen und Anschauungen leichter erkundet werden könne. Sich zum Marxismus zu bekennen, sei insofern schwieriger für sie gewesen, weil sie aus Respekt vor dieser Disziplin meinte, sich erst als Marxistin bezeichnen zu können, wenn sie jederzeit mit passenden Zitaten aufwarten könne, um ernst genommen zu werden. Sie akzeptierte schließlich für sich die Bezeichnung „Marxistin im Werden“.

Im Eröffnungsreferat hob Frigga Haug die Theoriebildung im Kollektiv hervor. In der vielfachen Krise ist Feminismus kein Luxus, sondern existenziell. Reproduktion ist auch Produktion, Produktion des Lebens. Der Kapitalismus teilt sich in zwei Bereiche, die Produktion des Lebens wird ausgelagert, sie wird umsonst oder ganz billig von Frauen, den „Ungleichen“, gemacht. Alle entscheiden sich „frei für Unfreiheit“. Es existiert ein stringenter Zusammenhang von Kapitalismus und Frauenunterdrückung. Die politische Unmündigkeit auf Basis von Ungleichheit der Geschlechter setzt Männerbünde voraus. Die Frauen akzeptieren und wirken an ihrer Ungleichheit mit. Die Produktion geschieht um der Produktion willen, ohne Rücksicht auf den Planeten; die Erde wird verunstaltet, die Lebensmittel vergiftet und die Städte unwirtlich gemacht. Männerherrschaft reproduziert sich laufend. Indem der Feminismus in die Produktionsverhältnisse inkludiert, die Gleichstellung über die Gleichberechtigung hinaus in sie hineingezogen wird, wird der Weg dafür geebnet, die Herrschaftsknoten zu zerschlagen, die Gesellschaft zu befreien. Das Ringen um den Eintritt von Frauen in die Geschichte und damit um ihren Subjektstatus wird zu einem Ringen um sozialistische Demokratie überhaupt. Der Umbau der Politik muss mit der Vier-in-Einem-Perspektive vorangetrieben werden.*)  

Die drei Konferenztage enthielten ein dichtes Programm: Es gab 6 Plenums- und 3 Abendveranstaltungen , 11 Workshops, Buchlesungen und jede Menge Diskussionen am Rande. Themen waren u. a.: Weibliche Proletariate; Kämpfe um Zeit; Konflikte um Handlungsfähigkeit; Feministische Kämpfe verbinden; Feministisch-marxistische Analysen des Care-Sektors; Mensch-Natur-Verhältnisse; Neoliberalismus und Bildung; Körper, Reproduktion und Bioökonomie; Perspektiven eine menschlichen Gesellschaft. Unmöglich, hier auf alles einzugehen, deshalb einige Streiflichter:

Im Workshop „Female Proletariats“ berichtete die kanadisch-chilenische Hochschullehrerin Verónica Schild über die „feministische Connection“ in Lateinamerika, die vom Marxismus, transnationalen Feministen und vom Sozialkatholizismus geprägt, sich der „new left interclass solidarity“ verschrieben hat. Diese wird von den neoliberalen Strategen für deren Projekte gefleddert.

Cynthia Cockburn widmete sich der Standpunkttheorie (It‘s the „Standpoint you just struggle for”) , d. h., die von Marx und Engels begründete und von Lukács konkretisierte Theorie der Bewusstseinsbildung durch die Produktionsverhältnisse wurde vom Feminismus adaptiert. Danach war die geschlechtsspezifische Erfahrung von unterbezahlter und unbezahlter Arbeit entscheidend für die „Standpunkt“-Bildung. Heutige junge Frauen machen erneut die Widerspruchserfahrung von freier Entwicklung und verschärfter Ausbeutung, was zu einem Aufschwung dieser Theorie führen könnte.

Uta v.Winterfeldt bezog sich auf Theorien der Entfremdung aus feministischer Sicht, Herrschaftssicherung im Kapitalismus über Ein- und Ausgrenzung, Vernichtung des „Anderen“, Vernichtung oder dem Herrschaftsprinzip gleich machen; der Geschlechtervertrag beinhaltet das abspaltende Einbeziehen von Frauen.

Hester Eisenstein legte dar, wie der hegemoniale bürgerliche Feminismus mit den „Übergang zum Neoliberalismus verstrickt“ wurde, indem der Erfolg von Frauen im Westen als Modell für einen Weg zum Wohlstand für Frauen der Dritten Welt propagiert wird. Für marxistische Feministinnen sei entscheidend, diese populären Forderungen zu demaskieren.

Tucker Pamella Farley: Der kapitalistische Schrecken betrifft nicht nur die Menschen des Planeten, sondern den Planeten selbst, den er zugrunde richtet. Notwendig, die weltweiten progressiven Bewegungen (dazu zählt sie vor allem auch die Lesben-, Queer- und Transgender-Bewegungen) mit verbündeten Organisationen gegen die neoliberale Herrschaft zusammen- und in den Kampf führen.

Intersektionalität spielte in den Statements vor allem der anglo-amerikanischen Wissenschaftlerinnen eine Rolle. Sie bezeichnet eine Disziplin der Erforschung von Diskriminierungspraktiken aufgrund verschiedenen Andersseins, wie Geschlecht, Rasse, Klasse, Alter, Religion. Erica Burmann schilderte die Spaltung der radikalen Linken in England über den absurden Streit um (unterstellte) feministische Positionen dazu.

In der abschließenden Diskussion am Nachmittag des 3. Konferenztages wurde der Entwurf (während der Tagung von F. Haug vorbereitet) eines Manifests diskutiert, das die gemeinsame Grundlage für den weiteren Ausbau der revitalisierten feministischen Bewegung, zur „Beackerung“ des weiten Forschungsfeldes bilden soll. Dieser Entwurf beinhaltet 14 Thesen. Beispielhaft sei These 5 zitiert: „Marxismus ist für die kapitalistische Gesellschaft und ihre herrschaftslegitimierenden Wissenschaften nicht tauglich. Die Verschmelzung mit feministischer Kritik zu feministischem Marxismus macht auch diesen ganz untauglich für Regierungshandeln von oben. Denn feministischer Marxismus geht (wie Marx, vor allem Luxemburg, Gramsci, Brecht) davon aus, dass die Menschen ihre Geschichte selber machen, bzw. wo sie daran gehindert sind, eben diese Selbstermächtigung zu erringen ist. (Dies setzt Forschungen wie Erinnerungsarbeit frei und macht den historisch-kritischen Umgang mit sich selbst im Kollektiv, also auch Selbstkritik als Produktivkraft frei.)“

Die Abschlussdiskussion verlief lebhaft und viele weitere Akzente und Anregungen wurden gesetzt. Darunter wurde die Kritik laut, dass an der Tagung sicherlich viele NichtakademikerInnen teilgenommen hätten, die aber infolge der Dominanz der akademischen Diskurse nicht genügend mit ihren Positionen vernehmbar gewesen seien. Dies müsse auf der nächsten Konferenz korrigiert werden. Eine Nachfolgekonferenz steht schon fest, sie wird in Schweden ausgerichtet werden.

Spannend zu erfahren, ob das lebhafte Interesse, der Schwung und die wissenschaftliche und politische Expertise, die die Berliner Tagung prägten, sich auf der nächsten Konferenz erhalten oder auch noch zunehmen werden.

Text: Ursel Möllenberg   Fotos: Rosa-Luxemburg-Stiftung

*) Zur Vier-in-Einem-Perspektive siehe Das Argument 291/2011

Link zum Livetream vom Internationalen Kongress "Die Kraft der Kritik: Wege des Marxismus-Feminismus", Vortrag Saskia Sassen

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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