Deutschland

freiheit statt angst 200816.04.2015: Vor einem Jahr entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach jahrelangem politischen Streit um die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung: Aufgrund des "Grundrechts auf Achtung des Privatlebens" ist diese Richtlinie unzulässig. Damit bestätigte der Gerichtshof europaweit, was das  Bundesverfassungsgerichts für Deutschland bereits vier Jahre zuvor (2010) in seinem Urteil festgestellt hatte: Das massenhafte Speichern von Verbindungsdaten "auf Vorrat" ist verfassungswidrig und verstößt gegen Artikel 10 des Grundgesetzes, in dem es unmissverständlich heißt: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“ Im größten Massenklageverfahren in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts hatten fast 35.000 Bürger gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt.

 

Damit wurde die seit 2008 in Deutschland praktizierte Speicherung von Verbindungsdaten per Gesetz für die Dauer von sechs bis sieben Monate als verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung musste diese Regelung damit wieder einkassieren.

Die europäischen Richter stellten in ihrem Urteil von 2014 zwar nicht generell die Speicherung von Daten infrage, sie kritisierten vielmehr, dass die Regelungen zu unbestimmt seien. Da es sich bei der Speicherung um einen besonders weitreichenden Eingriff handle, müsse die Vorratsdatenspeicherung an strengste und transparente Bedingungen geknüpft sein, die die Verhältnismäßigkeit wahren, die Datensicherheit gewährleisten und genau festschreiben, wofür die Daten genutzt werden sollen.

Hier wittern nun die Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung Morgenluft und wollen jetzt einen neuen Versuch zu deren Einführung starten. Jetzt haben Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) Leitlinien für einen Gesetzentwurf für eine systematische Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten vorgelegt. Von jedem Bürger sollen künftig die Verbindungsdaten für 10 Wochen gespeichert werden.

Unterstützung erhalten sie dabei vom Vize-Kanzler und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Dieser sprach sich jüngst in einem Interview im Deutschlandfunk (15.3.2015) ausdrücklich dafür aus, dass "wir das brauchen". Eine gesetzliche Grundlage nämlich, dass  sämtliches digitales Kommunikationsverhalten der Bürger*innen festzuhalten und für Strafverfolgung und Geheimdienste nutzbar zu machen sei. Zwar sei die Vorratsdatenspeicherung hoch umstritten, aber dem hielt Gabriel entgegen, dass die Debatte doch "sehr ideologisch" sei, also seiner Auffassung nach wenig von rationalen Argumenten getragen. "Die Vorratsdatenspeicherung ist kein Allheilmittel, die wird uns nicht bei jeder Gelegenheit helfen, alle Straftaten zu verhindern, aber sie kann uns durch eine schnellere Aufdeckung von Straftaten helfen, die nächste Straftat zu verhindern. Und ich meine, wir erleben doch gerade, dass die Welt ziemlich gefährlich geworden ist und dass die Gefahren aus anderen Teilen der Welt zu uns importiert werden." Und Gabriel ist sich nicht einmal zu blöd, zu behaupten, dass man z. B. die NSU-Morde mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung hätte verhindern können.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club treibt diese Argumention die Zornesröte ins Gesicht: "Angesichts dieser skandalösen Fehlleistungen (von Behörden und Nachrichtendiensten, gst) erscheint es wie Hohn, wenn Gabriel ernsthaft argumentiert, die Vorratsdatenspeicherung hätte das rechte blinde Auge der Behörden wieder sehend gemacht. Schon immer wurde das Datenaufhäufen als Allheilmittel gepriesen, aber ausgerechnet die beispiellose Serie an Ermittlungsfehlern, Aktenvernichtungs- und Löschaktionen, bezahlten Nazi-V-Männern und auffallend selektiver Wahrnehmung von Polizei und Geheimdiensten als Begründung heranzuziehen haben die Hinterbliebenen nicht verdient." (FAZ 7.4.2015).

Nach dem Machtwort von Sigmar Gabriel ist Justizminister Heiko Maas (ebenfalls SPD) nach anfänglicher Zurückhaltung nun offensichtlich auch ins Lager der Vorratsdatenspeicherungs-Befürworter gewechselt; er hatte sich lange gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gewehrt. Nun aber will der SPD-Justizminister noch vor dem Konvent seiner Partei am 20. Juni  erste Leitlinien für einen Gesetzentwurf vorstellen; die konkrete Ausarbeitung des Entwurfs soll danach so schnell wie möglich folgen.

In der SPD gibt es – immerhin - auch noch Gegenpositionen. Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Ralf Stegner hatte seiner Partei vor Jahresfrist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs geraten, sich nun gänzlich von dem Überwachungsinstrument Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) fordert die SPD-Spitze auf, sie müsse beim Thema Vorratsdatenspeicherung "ihr soziales und liberales Profil unmissverständlich und deutlich herausstellen". Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH "dürfen nicht aufgeweicht werden", mahnte der ASJ-Vorsitzende Harald Baumann-Hasske. Es sei durch nichts zu rechtfertigen, alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu "gläsernen Menschen" zu machen.

Constanze Kurz (Chaos Computer Club): "Es sollte niemand die Schultern zucken, wenn über die Vorratsdatenspeicherung mit populistischen, widersinnigen Argumenten oder in einer verniedlichenden Weise gesprochen wird (...) In Wahrheit erfasst sie von der gesamten Bevölkerung jegliche digitale Transaktion, die kommuniziert wird, nebst der Information, von wo sie geschehen ist. Für viele schon heute und für sämtliche Menschen in der nahen Zukunft bedeutet dies, dass ihr digitaler Schatten (...) auf Abruf in Datenbanken landet." Und sie fordert: "Schluss mit dem verniedlichenden Gerede!"

Text: gst         Foto: www.freiheitstattangst.de

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