11.12.2015: Die 5000 TeilnehmerInnnen bei der 300. Montagsdemonstration gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 machten deutlich: Der Käse ist noch lange nicht gegessen. Das war und ist die Antwort auf die Aussage des Grünen Ministerpräsidenten von Baden Württemberg Kretschmann: „Der Käs isch gessa.“ Sprich Stuttgart 21 wird gebaut. Die „Käsbrettle“ (siehe Bild) für den Käs, den der Ministerpräsident landauf und landab verzapft, extra zur Jubiläumsfeier hergestellt, fanden reißenden Absatz.
300 Montage im Protest und damit sechs Jahre erbitterter Widerstand gegen dieses Milliardengrab und Wahnsinnsprojekt, ebenso lange die Mahnwache, die täglich rund um die Uhr mit mehreren Personen besetzt ist, das ist überwältigend und großartig. Darin waren sich Sabine Leidig, Jürgen Rochlitzer und Joe Bauer, die Kundgebungsrednerin und Kundgebungsredner, einig. Das verdiene Anerkennung, Respekt und Dank. Das sei ein „weltweiter Rekord“, so Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, ehemaliges Mitlied des Landes– und Bundestags (Grüne), Vertreter von Bürgerbahn statt Bundesbahn. Herr Kretschmann und seines Gleichen, die Betreiber und Befürworter von S21 sagen, Stuttgart 21 sei nicht mehr zu verhindern. Sie sollten sich mal nicht täuschen: „Fünf Jahre nach dem verheerenden Schwarzen Donnerstag hat das Verwaltungsgericht Stuttgart festgestellt, dass der Polizeieinsatz nicht rechtens war. Ein illegaler Polizeieinsatz steht also mit am Anfang einer Reihe rechtlich und sachlich nicht einwandfreier Entscheidungen und Aktivitäten.“
S21 sei Murks und bleibe Murks. Deshalb müsse dieses Wahnsinnsprojekt gestoppt werden. Schlagwortartig zeigte er diese gigantische Fehlinvestion auf:
- Viel Lüge, deutlich weniger Züge
- Weitaus geringere Kapazitäten als beim derzeit bestehenden Kopfbahnhof
- Der Bahnhof befindet sich auf schiefer Ebene. 2,5 Promille Neigung dürfen europaweit nicht überschritten werden. Neigung bei S21 das sechsfache, 15 Promille.
- Brandschutz: Fehlanzeige. S21 also nicht nur Zug-Lok-Falle sondern Todesfalle
- Kosten ohne Ende. Kosten ohne Deckel. Kosten die ins uferlose gehen
Hätte der Grüne Ministerpräsident seinen „grünen Mantel nicht in den Wind gehängt“, also an den Garderoben des herrschenden Kapitals im Lande abgegeben, „könnte und müsste er die zugesagte Finanzierung des S21 durch das Land blockieren, beenden und zu Fall bringen“. Damit wäre der Käse S21 gegessen.
Sabine Leidig, Mitglied des Bundestags (DIE LINKE), verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Mitglied im Vorstand marxistische linke, schlug den Bogen von S21 zum Klimagipfel in Paris, zu TTIP und den vielen Kämpfen, die auf dem ganzen Globus geführt werden für gerechte, sozialökologische und demokratische Verhältnisse. Unter starkem Beifall verurteilte sie die Entscheidung der Regierung und der Mehrheit des Bundestages (die Linksfraktion stimmte mit Nein), sich am Krieg in Syrien zu beteiligen. „Krieg löse keines der Probleme und Bomben bringen keinen Frieden. Deshalb gäbe es nur eins: Sagt Nein!“ Es müssen andere Wege gefunden werden. Nachschubwege, Waffenlieferungen und Geldströme seien zu unterbinden und die Zusammenarbeit mit Diktaturen zu beenden.
Neben der Frage von Krieg und Frieden sei der „Klimawandel eines der dringendsten Probleme unserer Zeit, führte sie aus. „Dabei handelt es sich nicht nur um eine Umweltkrise, sondern um Gerechtigkeit und um die ganze Art und Weise zu leben und zu wirtschaften. Also um das System, in dem wir leben. Sie forderte eine „andere Produktions- und Lebensweise … in der die Menschen mit ihren Bedürfnissen zum Ausgangspunkt wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen genommen werden und nicht der Profit“. Multinationalen Konzernen und der Finanzindustrie „darf man das Feld nicht überlassen. Hier nicht und nirgendwo anders!“
300 Montagsdemonstrationen, vielfältige weitere ideenreiche Aktionen und Aktionsformen, große Kundgebungen usw, das alles ist noch nicht das Ende der Fahnenstange kreativer Aktivitäten. Die Betreiber und Befürworter bekommen die Gegner von Stuttgart 21 und Befürworter für den Kopfbahnhof 21 nicht los. Anlässlich der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG am 16. Dezember findet eine Jahresabschlussrally des S21 - Widerstands nach Berlin statt. Die Aktionen beginnen um 10.00 Uhr am Bahntower und enden um 19.00 Uhr mit dem Schwabenstreich „Wir pfeifen auf S21“. Da dürfen alle mitmachen, nicht nur Schwaben. Also alle nach Berlin und Berliner zum Bahntower. Es bleibt dabei: Murks ist Murks und Montag bleibt Demo.
Text und Bilder: Dieter Keller
Flügel TV hat die 300. Montagsdemo am 7. Dezember 2015 dokumentiert:
Dr. Jürgen Rochlitz: “Bürgerbahn statt Börsenbahn”
Sabine Leidig, MdB, Mitglied im Verkehrsausschuss
Joe Bauer: "Murks bleibt Murks und Montag bleibt Demo"