Farkha Festival

Farkha2017-603.08.2017: Das Farkha Festival 2017 geht auf sein Ende zu, die letzten beiden Tage (29./30.7) brechen an. Noch einmal haben wir als Internationals einen Ausflug gemacht, dieses Mal in die Stadt Nablus, die im nördlichen Teil der Westbank liegt. Mehr durch Zufall hatten wir dort die Möglichkeit mit einem Genossen der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) über die Lage der palästinensischen Linken und ihren Koalitionen zu sprechen.

 

Am Abend kamen schließlich noch einmal alle Teilnehmer*innen des Festivals zusammen, um gemeinsam die Abschlusszeremonie zu feiern, bevor es am folgenden Morgen wieder zurück nach Hause ging. Doch zuerst soll von Geflüchtetenlagern und der Bedeutung des Jahres 1948 berichtet werden.

Geflüchtetenlager: Askar und Balata

Die Stadt Nablus, deren Vorgängersiedlungen schon im 4. Jahrtausend v. Chr. hier vorzufinden waren, besitzt als Distrikt gemeinsam mit den umliegenden Dörfern mehr als 200.000 Einwohner*innen. Allein in diesem Distrikt befinden sich schon 14 zionistische Siedlungen, die das Leben der Palästinenser*innen weitestgehend kontrollieren. Erreicht man die Stadt von süd-westlicher Seite fällt neben einem Checkpoint auch ein weiteres abgezäuntes Areal auf, dass das israelische Militär als Stützpunkt nutzt. Panzer sind von weitem zu erkennen.

Doch Teil dieses Distrikts sind auch die beiden Geflüchtetenlager Askar und Balatar. Seit der Ausrufung des Staates Israel 1948 durch Davin Ben Gurion und der damit verbundenen Vertreibung  der Palästinenser*innen galt Nablus und seine Umgebung als Zufluchtsort der Geflüchteten. Bis heute leben dort die Nachkommen derer, die 1948 fliehen mussten. Der Hass, der dort aufgrund von Vertreibung, Flucht und Besatzung entsteht ist enorm, weshalb die Geflüchtetenlager oftmals Keimzellen des Widerstandes gegen Israel und seine Politik sind. Immer wieder gelang und gelingt es sogar den paramilitärischen Armen der verschiedenen Parteien dort Menschen für den bewaffneten Kampf zu rekrutieren. Eine starke Rolle spielen dabei die Al-Aqsa-Brigaden, der militärische Flügel der Fatah (Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas). Wie leicht man Teil solcher Einheiten werden kann, erklärt uns unser Guide: "You get yourself a gun, then you are able to join the brigades. That's it".

Noch ein paar Sätze zu 1948: In der Diskussion zur Zwei-Staaten-Lösung wird immer wieder darauf verwiesen, dass diese zumindest innerhalb der Grenzen stattfinden soll, welche vor dem Sechs-Tage-Krieg bestand hatten. Doch gab es schon, wie oben erwähnt, ab dem Jahre 1948 großangelegte Vertreibungen von Paästinenser*innen. Eine Einigung zur Rückkehr der Grenzen vor 1967 würde also nur einen Teilsieg Palästinas bedeuten.

Was tun?

In Nablus selbst suchten wir nach der Besichtigung der Altstadt und des Basars ein Cafe auf, in welchem wir unter Traubenreben sitzend Tee tranken, Backgammon spielten und natürlich diskutierten. Sehr interessant war dabei ein Gespräch mit einem Genossen der PFLP, neben der PPP (Palestinian Peoples Party) und der DFLP eine weitere kommunistisch orientierte Organisation in Palästina. Die Frage, die dabei im Mittelpunkt stand, ist eine alt bekannte, mit welcher sich die internationale Linke schon seit vielen Jahrzehnten beschäftigt: Mit welchen Parteien und Organisationen man koalieren und zusammenarbeiten sollte, um seine politischen Ziele zu erreichen. In Palästina versuchen die Genoss*innen dies unter dem Dach der PLO (Palestinian Liberation Organisation) zu organisieren, einem Zusammenschluss von Fatah, PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine), PPP, DFLP (Democratic Front for the Liberation of Palestine), ALF (Arab Liberation Front) und PPSF (Palestinian Popular Struggle Front). Doch diese Einheit birgt natürlich die Gefahr, mit reaktionären  und konservativen Kräften zu kämpfen, wie sie zum Beispiel in der Fatah und der ALF zu finden sind. Denn es sind auf der einen Seite Vetternwirtschaft, Korruption und eine teils noch konservative Ausrichtung des Islams, auf der anderen Seite inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, insbesondere zum Thema Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung, die den gemeinsamen Kampf erschweren. Doch wenn diese Parteien nicht zusammenarbeiten würden, würden die progressiven Ansätze, die es gibt, gänzlich zerbröseln.

Wie in vielen Ländern, ist auch der Kampf der Linken in Palästina ein stetes Kompromisse eingehen, was bis zu einem bestimmten Grad auch wichtig ist. Geht man darüber hinaus, kann sich glaubwürdige linke Politik jedoch schnell verwässern. Auch der PFLP Genosse fügt noch hinzu, dass die linke, progressive Bewegung in Palästina nicht exakt das ist, was er sich vorstellt. Doch sich nur auf seine eigene Partei oder Organisation zu fixieren, ohne Bündnisse einzugehen, die sicherlich nicht immer passend sind, verringert die Chance auf Widerstand noch mehr.

Ein letztes Mal gemeinsam feiern

Nach dem Ausflug in Nablus fuhren wir zurück nach Farkha, wo die letzten Vorbereitungen für die heutige Abschlusszeremonie liefen. Zwar merkte man, dass das tägliche frühe Aufstehen und das Arbeiten bei den hohen Temperaturen nicht spurlos an den Teilnehmer*innen des Festivals vorbeigegangen ist, die Stimmung war trotz allem sehr ausgelassen und gut. Schließlich freuten sich alle auf das letzte Mal gemeinsam feiern.

Farkha2017-4Neben zahlreichen Ansprachen und Danksagungen, die auch wir als freiwillige Helfer*innen nutzten, um den Genoss*innen der PPP und YPPP (Jugendorganisation der PPP) für die Gastfreundschaft und die Organisation des Festivals zu danken, waren es vor allem aber die kulturellen Darbietungen, wie traditionelle palästinensische Tänze und eine Musikgruppe von Schüler*innen, die die Abschlusszeremonie erneut zu etwas sehr besonderem machten. Natürlich dauerte es nur wenige Minuten, bis die Stühle bei Seite geschoben wurden, um das Tanzen zu beginnen. Es wurden Kreise gebildet, geklatscht und mitgesungen. Was das Feiern betrifft darf sich die Linke in Deutschland ohne Zweifel noch einiges abschauen!

Als die Zeremonie gegen 23:00 Uhr zu Ende ging und viele bereits noch am Abend das Festival verließen, um nach Hause zu fahren, wurden noch zahlreiche Kontakte ausgetauscht und Fotos gemacht. Schließlich entstanden während dieser Zeit - und das ist ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Festivals - neue Bekannt- und Freundschaften.

Am Tag nach der Zeremonie packten auch wir, die Teilnehmer*innen der deutschen Delegation, unsere Sachen und machten uns auf den zurück nach Tel Aviv. Hinter uns liegt eine Woche, die einer*einem erneut mehr über den Konflikt im Nahen Osten, über Religion und Kultur gelehrt hat, als es jedes Buch je tun könnte. Spannende Vortrage zu Widerstandsformen, Besichtigungen verschiedener Städte und ihrer wichtigsten historischen Plätzen, natürlich die freiwillige Arbeit im Dorf und vor allem die Konfrontation mit dem Konflikt vor Ort, mit der Besatzung, der Überwachung, mit den Siedlungen.

Auch nächstes Jahr werden wir wieder mit einer Delegation nach Farkha fahren, um die Genoss*innen vor Ort zu unterstützen. Da das Festival dann sein 25-jähriges Jubiläum feiert, dürfen wir uns auf ein großes Fest freuen.

Wenn ihr Infos rund um das Festival haben wollt oder überlegt, nächstes Jahr sogar selbst mitzukommen, dann meldet euch gerne bei Max van Beveren (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) oder Kerem Schamberger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

txt und fotos: Max van Beveren


 

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