Aus Bewegungen und Parteien

Berlin Antikriegsmarkt 2016 logo09.07.2016: Der Antikriegsmarkt in Berlin hat Tradition. Üblicherweise findet er am 1. September statt, dieses Jahr aber aus Anlass des Nato-Gipfels in Warschau in diesem Samstag. Es war auch eine Solidaritätsaktion mit den internationalen Anti-NATO-Aktionen in der polnischen Hauptstadt. Der Platz vor der Gedächtniskirche war mit Bedacht ausgewählt, denn sie wurde als Ruine bewahrt, um die Erinnerung an die Zerstörungen des 2. Weltkriegs wach zu halten und zu mahnen. Etwa 30 Organisationen beteiligten sich, neben den zahlreichen „traditionellen“ Friedensgruppen auch Gewerkschaften, Attac, christliche Gruppierungen, das isw, linke Parteien, Gruppierungen der Flüchtlingsbewegung und internationale Gruppen. Auf der Bühne kurze Referate zum Thema und ein politisches Kulturprogramm.

berlin antikriegsmarkt 090716In einer Telefonschaltung aus Warschau berichtet Rainer Braun direkt über die Protestaktionen und den Anti-Nato-Gipfel.
"Herzliche Grüße aus Warschau. Im Hintergrund hört Ihr die Geräusche der Auftaktkundgebung zur Protestdemonstration gegen den NATO-Gipfel, die von den polnischen Freunden organisiert worden ist. Ich bin nach den 1 ½ Tagen hier in Warschau sehr zufrieden. Bei dem Gegengipfel gestern haben wir ca 150 Teilnehmer gehabt, das hat unsere Erwartungen übertroffen, und heute auf der Demonstration sind es schon über 300, was für die politische Situation in Polen nicht schlecht ist.
Was ist das bewegende Motiv aller, die hier sind: es ist die Sorge um den Frieden angesichts des immer weiteren Aufmarsches der NATO nach Osten. Wenn wir gestern den Vertretern der NATO, wie z.B. Stoltenberg, gelauscht haben, waren das Reden der Aggression und der Konfrontation. Was soll dieses Gerede von der Bedrohung durch Russland, außer der Legitimierung der eigenen Aggression, der eigenen weiteren Aufrüstung. Polen gibt schon heute 3,4% seines BIP für die Rüstung aus.
Und das ist die große Sorge hier, bei allen Vertretern der 18 Länder, die hier bei dem Gegengipfel zusammengekommen sind. Wir alle sind uns darin einig und sehen die Notwendigkeit, weiter zusammen zu arbeiten. Wir haben deshalb auch mit den polnischen Vertretern vereinbart, dass wir ein deutsch-polnisches Friedensforum gründen wollen, wo wir weiter zusammenarbeiten wollen, gerade weil wir auch sowenig voneinander wissen."

berlin kein frieden mit nato 060716Bereits am Mittwoch hatte die Berliner Friedenskoordination zu einer Kundgebung aufgerufen, um den Antrag der Partei DIE LINKE im Deutschen Bundestag über den Austritt der Bundesrepublik aus den militärischen NATO-Strukturen zu unterstützen, der am Donnerstag im Bundestag behandelt wurde. Wolfgang Gehrcke begründete, warum seine Partei diesen Antrag im Bundestag stellt, Lühr Henken, Sprecher Bundesausschuss Friedensratschlag, begründete, warum der Bundesausschuss diesen Antrag unterstützt.

„Liebe Freundinnen und Freunde, als wir in der Berliner Friko vor wenigen Wochen hörten, dass DIE LINKE diesen wichtigen und innovativen Antrag in den Bundestag einbringen will, war unter uns die Idee sofort präsent, das sollten wir öffentlich, also hier in Berlin draußen auf der Straße, unterstützen.
Wir unterstützen den Antrag. Nicht nur die Berliner Friko, sondern auch der Bundesausschuss Friedensratschlag, für den ich hier stehe, unterstützt den Antrag. Und ich finde es eine gute Leistung, dass es euch gelungen ist, lieber Wolfgang, die Unterstützung aller Abgeordneten eurer Fraktion für den Antrag zu gewinnen.
Einen Antrag, der von der Regierung fordert, aus der NATO auszutreten, gab es im Bundestag noch nie. Er hat also historische Bedeutung.
Allerdings hat das Ansinnen historische Vorläufer in der Bundesrepublik. Zwei andere im Bundestag vertretene Parteien haben lange vor der Gründung der  LINKEN tatsächlich den NATO-Austritt gefordert.
So, die SPD, im Jahr 1957, kurz nach dem Beitritt Westdeutschlands in die NATO. Begründung: so sollte die Möglichkeit der Wiedervereinigung aufrecht erhalten werden.
Und die Grünen haben die Auflösung der NATO in ihren Programmen lange Zeit stehen gehabt. Zu einem Antrag im Bundestag hat es bei ihnen beiden jedoch nicht gereicht.
Dass nun nach erstmaliger Aussprache sich eine Mehrheit dafür findet im Bundestag, ist sehr unwahrscheinlich. So etwas wie die Brexit-Überraschung ist wirklich nicht zu erwarten. Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, sich von Kolleginnen und Kollegen morgen die Lobhudeleien der NATO, ihre angeblich so friedenssichernde Aufgabe, ihre angebliche Unverzichtbarkeit usw. anzuhören. Wie sagt man so schön: Chapeau, lieber Wolfgang.
Ihr habt den Mut, als erste den Stein ins Wasser zu werfen. Mal sehen, was er für Wellen wirft.“ (Die gesamte Rede im Anhang)

Am Donnerstag hat dann Wolfgang Gehrcke den Antrag im Bundestag begründet. Schon der Ablauf der Diskussion zeigt das Kräfteverhältnis im Bundestag. Die Linke konnte ihren Antrag kurz begründen, die Grünen konnten einen Redebeitrag leisten, die CDU/CSU-Fraktion konnte 3 mal reden, die SPD zweimal. Das Abstimmungsergebnis war dann noch einheitlicher. Alle 3 Forderungen des Antrags wurden mit den Stimnmen von CDU/CSU, SPD und auch der Gründen abgelehnt. Und wäre die AFD im Bundestag, sie wäre die 4. Partei, die für Aufrüstung, für mehr Rüstung, für die Stärkung der NATO, und besonders für eine Stärkung des Einflusses der Bundeswehr innerhalb der NATO-Strukturen gestimmt hätte. (Protokoll der Bundestagssitzung, TOP 9)

Der Antikriegsmarkt in Berlin hat deutlich gemacht, es gibt ein breites Bündnis für Frieden und für Abrüstung. Die Friedensbewegung hat die Fähigkeit, ein Gegengewicht zu zur Politik der Aufrüstung zu setzen, wenn sie für gemeinsame Ziele auf die Straße geht. Möglichkeiten dazu gibt es genug

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Siehe auch:
Linksfraktion beantragt Austritt aus den militärischen und Kommandostrukturen der NATO
Wolfgang Gehrcke: "Wir holen nach, was 1989 versäumt worden ist"