Wirtschaft

Euro Geldbuendel11.01.2018: Dax-Aktionäre dürften zur Jahreswende im Gewinn- und Dividendenrausch geschwelgt haben. Aktienkurs, Profite und Dividenden erreichten Höchstmarken. Der Kurs für die "Blue Chips" an der Deutschen Börse hatte im abgelaufenen Jahr ordentlich zugelegt: + 13,1%. Wer zu Jahresbeginn 100.000 Euro in den Dax-Indexfonds investiert hatte, war Silvester 2017 um 13.100 Euro reicher. Bei gleicher Investition in die so genannten Nebenwerte, M-Dax bzw. Tec-Dax betrugen die Kursgewinne für die Anleger sogar 18.000 bzw. 40.000 Euro. Und für 2018 wird eine weitere, wenn auch volatilere Kurssteigerung prognostiziert.

 

Davor – um Ostern herum – werden goldene Eier in die Wertpapier-Depots gelegt, in Form der größten Dividendenbescherung aller Zeiten. Aus den Dax-Konzerngewinnen 2017 werden insgesamt etwa 35,5 Milliarden Euro an die Aktionäre für das Halten der Aktien (Shareholder) ausgeschüttet; gut 11% mehr als im Vorjahr, prognostiziert das Handelsblatt-Research-Institute HRI) auf der Basis einer Gewinn- und Dividendenanalyse von Bloomberg und Thomson Reuters. Das Geld wird jeweils wenige Tage nach der Hauptversammlung überwiesen. Die ersten im Reigen der Aktionärsversammlungen sind Thyssen-Krupp und Siemens, deren Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweicht und die deshalb bereits im Januar bzw. Anfang Februar ausschütten.

Bei Siemens sind es diesmal 3,0 Mrd. Euro, die an die Aktionäre verteilt werden, knapp die Hälfte des Nettogewinns von 6,2 Milliarden Euro (48%). Bei der Belegschaft, die diesen Rekordgewinn erarbeitet hat werden dagegen 6.900 Arbeitsplätze in der Kraftwerksparte (Gasturbinen) rausgeschüttet. Die Siemens-Familie, die Nachfahren und Erben des Firmengründers, die noch einen Aktienanteil von 6 Prozent ihr eigen nennt, erhält 180 Millionen Euro Dividende quasi für´s Nichtstun. Üppige Bescherung auch bei den Institutionellen Anlegern (Fonds, Versicherungen, Vermögensverwalter), die 65% der Siemens-Aktien halten, allen voran der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock, der in fast allen Dax-Konzernen investiert ist. Auch die Großaktionäre bei VW, der Piech/Porsche-Clan, wird trotz Diesel-Skandal und manipulierten Abgaswerten reichlich bedient: Etwa 900 Millionen Euro Dividende.

Doch getoppt werden sie alle von der Quandt-Sippe, die bei BMW das Sagen hat. Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten, deren Verdienst darin besteht, sich in die richtige Wiege gelegt zu haben, kassieren 26 bzw. 21 Prozent der gesamten BMW-Dividende von 2,43 Milliarden Euro; macht zusammen 1,14 Mrd. Euro. Aufs Jahr gerechnet sind die beiden über Nacht jeweils um gut drei Millionen Euro reicher geworden. "Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf", heißt es schon in der Bibel (Psalm 127,1).

Ein anderer Herr, Steinbrück, sorgte wiederum dafür, dass diese Milliarden-Einstreicher nicht zu viel an Einkommen-Steuern abführen müssen. Als SPD-Finanzminister begnügte er sich mit einem Pauschalsatz von 25% Abgeltungssteuer bei Dividenden- und Kapitaleinkommen. Würden die Quandts nach der Einkommensteuer veranlagt, müssten sie den Spitzensteuersatz von 45% bezahlen, bei dieser Giga-Dividende wären das zusammen 514 Millionen Euro gegenüber 286 Millionen Abgeltungssteuer. Sie sparen 228 Millionen Euro. Mit den Steuer-Mehr-Einnahmen könnten 2000 Sozialwohnungen gebaut werden.

Wie das Handelsblatt (28.11.17) ermittelte, legen vor allem Großaktionäre und Fonds ihre Dividenden- Einnahmen sofort wieder in Aktien an. Das wiederum treibt den Kurs weiter nach oben, ist also gewissermaßen eine zusätzliche Geldmaschine. Ein Großteil der Kursgewinne beruht auf diesen reinvestierten Dividenden (nach HB 53%). Zudem wird durch diese üppigen Dividendenzahlungen die Kluft zwischen lohn- und gewinnbasierten Einkommen immer größer (siehe: Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland so groß wie vor 100 Jahren). Und schließlich sind die reinvestierten Dividenden einer der Gründe für die unaufhörliche Akkumulation des Geldvermögens und für die zunehmende Vermögensungleichheit.

"Deutsches Gewinnwunder"

Die Dividenden-Rekorde basieren auf den Rekordgewinnen im Jahr 2017. Letztere sind die Triebfeder. Den Konzernen geht es so gut wie nie. "Deutsches Gewinnwunder" titelt das Handelsblatt seine Ausgabe vom 28.11.17. "Angesichts der boomenden Konjunktur in Amerika, Asien, Deutschland und weiten Teilen Europas steigern die 30 Dax-Konzerne ihre Gewinne um durchschnittlich rund 50 Prozent … auf rund 90 Milliarden Euro". Angesichts dieser Gewinnexplosion mussten die Konzerne diesmal nur knapp 40 Prozent ausschütten, um dennoch eine Rekord-Dividende zu erreichen. In den Vorjahren betrug die Ausschüttungsquote jeweils an die 50 Prozent. Dieser Top-Profit von 90 Milliarden Euro ist um 31% höher als der bisherige Gewinn-Rekord mit 69,5 Milliarden Euro im Jahr 2007 und fast doppelt so hoch wie zwei Jahre davor.

Den höheren einbehaltenen (thesaurierten) Gewinn benutzt diesmal ein Teil der Konzerne für höhere Investitionen; z.B. die Auto-Konzerne für Milliarden-Investitionen in die E-Mobilität. Andere Dax-Konzerne peilen mit den Geldern für noch größere Übernahmen und Fusionen an, wie z.B. Bayer-Monsanto und/oder finanzieren damit den Rückkaufs eigener Aktien, was im Wege der daraus resultierenden Kurssteigerungen und Dividenden-Konzentration ebenfalls den Aktionären zugute kommt.

Hohe Dividenden-Rendite

"Selbst nachdem der Dax inzwischen fast neun Jahre lang gestiegen ist und sich gegenüber dem Frühjahr 2009 fast vervierfacht hat, errechnet sich für die 30 Dax-Unternehmen noch eine Dividendenrendite von 2,8 Prozent. Das entspricht fast exakt dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre", schreibt das Handelsblatt (28.11.17) (Dividendenrendite = Dividendenausschüttung bezogen auf den aktuellen Aktienkurs in Prozent). Der Grund liegt in den steigenden Ausschüttungen, infolge der kräftig steigenden Konzerngewinne. Im Vergleich zu Nullzinsen auf Spareinlagen und kaum noch rentierenden (0,4%) Staatsanleihen, ist das eine ganz ordentliche Verzinsung für ansonsten brachliegendes Geld. Das ist auch der Grund weshalb immer mehr Anleger und Finanzinvestoren in Aktien investieren, um an der Kurs-Rallye und an den Ausschüttungen teilzuhaben. Zugleich treiben sie dadurch die Kurse weiter in die Höhe. Angelockt werden in dieser Hausse-Phase dann auch Anleger, die die Börse ansonsten meiden, weil sie Angst vor Kursturbulenzen haben. Zudem lohnt sich bei dem billigen Geld mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzmärkte flutet, die Börsenspekulation auf Pump. All das bläht den Heißluftballon "Aktienbörse" immer weiter auf und treibt ihn in die Höhe, lässt damit aber auch das Risiko ansteigen.

Wie der amerikanische Ökonom Hyman Minsky aufzeigte, komme nach einer langen Aufschwungphase unweigerlich der Moment, wo sich die Dynamik umdrehe, beginnend mit einem plötzlichen Einbruch an der Börse (Crash) sich die spekulative Spirale nach unten drehe: der so genannte "Minsky-Moment" (siehe: Kommt der 'Minsky-Moment'?).

Noch jeder Hausse ist eine Baisse gefolgt, bei der im günstigen Fall die heiße Luft relativ kontrolliert entweicht, meistens aber die Blase mit einem Knall (Crash) platzt, bei dem nicht nur das Spekulations-Luftschloss auseinander fliegt, sondern bei einem Reißen der Kreditketten, auch die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird und zig-tausende Arbeitsplätze im Feuer stehen. Auch eine Anhebung der Zinsen durch die EZB könnte das Kartenhaus "Spekulation" zum Einsturz bringen und zudem diejenigen Unternehmen in die Insolvenz treiben, die gegenwärtig nur durch den Zugang zu Billigkrediten sich am Leben erhalten können, sog. Zombie-Unternehmen. Nach einer Untersuchung von Creditreform sind das mehr als 15% der untersuchten 7400 Unternehmen, die keinen ausreichenden Gewinn erwirtschaften, um ihre Fremdkapitalkosten zu decken (vgl WiWo, 22.12.17).

Die Belegschaften von Aktiengesellschaften sind aber auch bei einer fortgesetzten Hausse und Kursrallye nach oben die Gelackmeierten. Um bei steigenden Kursen die Dividenden-Rendite zu halten, muss ein immer größerer Mehrwert aus den Beschäftigten herausgepresst werden (siehe: isw-winfo 52, Marcus Schwarzbach: "Agil und ausgepresst").

Zudem werden zur Bedienung des Shareholder Values auch die Konzernstrukturen in immer agilere Unternehmensteile umgeformt. Konzern-Konglomerate sind "out", schlanke Unternehmen, die zum Teil als eigenständige AGs an die Börse gebracht werden sind "in". So soll jetzt der relativ schwerfällige "Tanker Siemens" in eine Flotte von Schnellbooten zerlegt werden, in der Hoffnung, dass die Summe der Einzelbereiche einen höheren Unternehmenswert erbringen, als das Konglomerat Siemens. Zudem ermöglicht das den Finanzinvestoren mehr Spekulations-Optionen und garantiert in der Summe höhere Dividenden-Ausschüttungen, so hoffen diese.

Flexibilität und Agilität dürften dürften auch 2018 die Leitmaxime in der Unternehmensführung sein. Solange die Konjunktur auf hohen Touren läuft, mag das für die Arbeitnehmer einigermaßen ertragbar sein. Was aber, wenn die Konjunktur ausläuft oder gar in eine handfeste Krise mündet? Dann erleichtert das den Kapitaleignern eine Abtrennung und Liquidierung unrentabler Unternehmensteile bzw verselbständigter Aktiengesellschaften und den schnelleren Abbau von Arbeitsplätzen. Denn Quersubventionierung zum Ausgleich und Erhalt unrentabler Konzernbereiche ist in Zeiten verschärfter Shareholder-Value-Orientierung "mega-out".

Fred Schmid, isw