Wirtschaft

Logo Mach meinen Kumpel nicht an07.02.2018: Von März bis Mai 2018 finden die Betriebsratswahlen statt. Wie oft bei Wahlen heißt es Kolleg*innen zu gewinnen, sich wieder oder erstmalig im Betrieb als Kandidat*in aufzustellen.

Betriebsräte sind wichtig, um die Rechte der Beschäftigten gegenüber der Seite des Kapitals durchzusetzen. Sie sind wichtig, um der Willkür von Vorgesetzten und Unternehmen etwas entgegenzusetzen. Betriebsräte richten dabei selbstverständlich den Blick auf die Fragen und Probleme im Betrieb, die im Interesse der Beschäftigten gelöst werden müssen. Motivierend für ihre Kandidaturen ist der Wille zur Durchsetzung von Forderungen nach guter und gesunder Arbeit, zu Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und der Einhaltung der Tarife. Betriebsräte werden aktiv gegen schlechte und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, gegen die dauernden Versuche der Unternehmen die Mitbestimmung der Betriebsräte in vielen Punkten außer Kraft zu setzen.

Aufgabe von Betriebsräten ist es auch, den § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes umzusetzen:

"(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt."

Je nach Zusammensetzung der Belegschaft stellen sich von Betrieb zu Betrieb dazu andere Fragen und Probleme, die am Arbeitsplatz und in den Arbeitspausen diskutiert werden.

Einerseits stellen wir eine zunehmende Rechtsentwicklung in der Gesellschaft fest, andererseits arbeiten Bündnisse und Initiativen gegen Rassismus enger zusammen, bündeln sie ihre Kraft, um mit Argumenten und Aktionen gegen Rassisten Widerstand zu entwickeln.

In ehrenamtlichen und hauptamtlichen Gremien der Gewerkschaften, auf Versammlungen und bei öffentlichen Aktivitäten wird dies, mal mehr mal weniger konkret, unterstützt. Viele Kolleg*innen wollen das Auftreten gegen rechte Ideologien auch in Betrieben stärken. Dies geschieht jedoch nicht im Alleingang.

KeinProzent statt »EinProzent«! Keine Stimme den "Patrioten"!

Im November 2017 hat sich auf einer Compact-Konferenz in Leipzig die »EinProzent«-Bewegung gegründet. Zu den Betriebsratswahlen will sie mit Kandidaten antreten, die als "Patrioten für Patrioten" mit rassistischen Parolen auf Stimmenfang in den Betrieben gehen. Von sich selbst sagen sie: "Die Bürgerinitiative »Ein Prozent« versteht sich als professionelle Widerstandsplattform für deutsche Interessen."

Als Erfolgsmodell und Vorbild sehen sie Betriebsräte bei Daimler in Stuttgart, die bereits seit einiger Zeit aktiv rechte rassistische Politik im Betriebsrat und in der Belegschaft vertreten. (siehe Gefahr im Verzug. AfD drängt in Betriebsräte)

In Wahrheit widersprechen sie den Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes, nicht nur im §75 Abs. 1 (s.o.), sondern auch den Aufgaben eines Betriebsrats wie im § 80 Abs. 1 BetrVG:

"1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
(…)
7. die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;"

Wer gegen diese grundlegenden Voraussetzungen für Betriebsräte arbeitet, wer rassistische Argumente bringt und auf Zustimmung hofft, ist nicht nur gewerkschaftsfeindlich, sondern schadet allen abhängig Beschäftigten durch Spaltung der Belegschaft.

Müssen wir »EinProzent« überhaupt ernst nehmen?

Gewerkschafter*innen sehen das Treiben dieser rechten und rassistischen Gruppen, auch Medien berichten über die Hintergründe dieser Bewegung. Wenn es jedoch darum geht aktiv Gegenposition zu beziehen, Widerstand im Betrieb zu entwickeln, kommt prompt die Aussage "dann reden wir die »EinProzent« doch größer reden als sie sind" oder "einfach nicht darüber reden, dann erledigen sie sich von selbst."

Es gibt Betriebsräte die überzeugt erklären: "Bei uns spielen Die keine Rolle. Bei uns werden sie keine Stimmen bekommen!"

Und einige Gewerkschafter*innen meinen "es gibt Wichtigeres zu tun, als sich mit diesen Fragen in der betrieblichen Arbeit zu befassen. Wir haben doch so schon viel zu tun. Das Thema überlassen wir den Initiativen außerhalb der Betriebe, so politische Dinge im Betrieb anzusprechen kommt doch nicht gut an."

Wir müssen sie ernst nehmen!

Pegida & Co., der Einzug der AfD in die Landtage und in den Bundestag zeigen die Rechtsentwicklung in unserer Gesellschaft. Und auch die regierenden Parteien in Bund und Ländern tragen mit ihrer Politik und Gesetzgebung zu bei. In der Berichterstattung und den Urteilen rund um die Stop-G20-Aktionen, Polizeieinsätze bei Aktivitäten gegen die Militarisierung, gegen Kriegsbeteiligung, die ausufernde Überwachung und der Prozess gegen die Nazis des NSU machen den Demokratieabbau, die Aushöhlung von Gesetzen deutlich.

Dies alles fördert reaktionäres bis rechtes und rassistisches Denken und Handeln von Menschen.

Dies trifft auch auf das Arbeitsleben zu. Studien belegen, dass rechtes und rassistisches Denken nicht begrenzt ist auf ein bestimmtes "Klientel" in bestimmten Wohngebieten oder gesellschaftlichen Nischen.

"Der Antifaschismus hat die gewerkschaftliche Praxis ununterbrochen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 geprägt. Lange Zeit waren die Gewerkschaftsmitglieder auch immun gegen Parolen der extremen Rechten. Unter den Anhängern von rechtsextremen Parteien bildeten Gewerkschaftsmitglieder eine Ausnahme, und auch gegenüber rechtsextremen Einstellungen erwiesen sie sich zunächst als resistent. Dies begann sich mit dem Aufstieg der 1983 gegründeten Republikaner (REP) zu andern. Seither bildet die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft in Deutschland keine Barriere mehr für die Wahl einer rechtsextremen Partei." (Richard Stöss: Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa, 2017 FES)

Wahlergebnisse belegen dies: Bei der Europawahl 2014 wählten sechs Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die AfD. Es entsprach in etwa dem der Gesamtstimmabgabe. Zur Bundestagswahl 2017 wählten gar 15% der Gewerkschaftsmitglieder die AfD.

Die 2016 erschienene Mitte-Studie der Universität Leipzig stellt fest, dass die Islamfeindschaft seit 2014 stark zugenommen hat. Jede/r Zweite gab 2016 an, sich "wie ein Fremder im eigenen Land" zu fühlen, über 40% wollen Muslimen/Muslimas die Zuwanderung nach Deutschland untersagen.

Die Abwertung von Sinti und Roma hat zugenommen. 57,8% der Befragten gaben an, dass sie ein Problem damit hätten, wenn Sinti und Roma in ihrer Nähe wohnen würden.

Stellt man die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft mit rechtsextremer Einstellung in Zusammenhang, so ergeben sich signifikante Unterschiede für Ausländerfeindlichkeit und die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur. 25% Gewerkschafter*innen haben eine ausländerfeindliche Einstellung, 7,6% würden unter bestimmten Bedingungen eine Diktatur befürworten, 3% verharmlosen den Faschismus. (Angaben nach "Mitte-Studie 2016", Decker, Kiess, Brähler Hrsg.)

Was tun?

Seit vielen Jahren gibt es antifaschistische und antirassistische Arbeitskreise in den Gewerkschaften des DGB, in ver.di beispielsweise den zako – zentralen Arbeitskreis offensiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Kolleginnen und Kollegen arbeiten aktiv in Antifa-Bündnissen und in den Initiativen mit und für Geflüchtete.

Gewerkschafter*innen haben die Lehren aus der Zeit von Krieg, Verfolgung und Faschismus gezogen, als auch Gewerkschafter*innen fliehen mussten oder verfolgt, gefoltert oder ermordet wurden.

Afd Alternative RespektDer Anspruch von Gewerkschafter*innen alle abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts zu vertreten steht nach wie vor.

Überzeugt davon, dass nur vereint die gemeinsamen Interessen gegen die Macht des Kapitals durchgesetzt werden können.

Doch das Wissen allein genügt nicht!

Die Rechtsentwicklung und die Präsenz von "Alltagsrassismen" in den Betrieben sowie in den Gewerkschaften dürfen nicht unterschätzt werden, die Arbeit gegen Rassisten und Faschisten nicht nur als Privatsache von Kolleg*innen gesehen. Gute, richtige und wichtige Erklärungen und Appelle gegen AfD, Pegida & Co. allein reichen nicht. Nur der (richtige) Hinweis auf den Inhalt des Betriebsverfassungsgesetzes wird die rechtsextremen »EinProzent«-Kandidaten nicht stoppen.

Es braucht den Mut und die Zivilcourage der Kolleg*innen und ihr Auftreten gegen rechte rassistische Parolen.

Die Erkenntnis, dass die Rechtsentwicklung in der kapitalistischen Gesellschaft begründet ist, hilft nicht weiter, wenn darüber nicht im Betrieb und der Gewerkschaft diskutiert wird. Und sie löst auch nicht aktuelle Probleme des Umgangs mit rassistischen Aussagen in der Belegschaft. Die Diskussion über Ursachen kann jedoch beitragen zum Verständnis über die Ursachen. Dabei wird es auch Kolleg*innen geben, die gegen Rassisten und Faschisten aktiv sind, aber deshalb nicht gleich das kapitalistische System überwinden wollen.

Gemeinsam muss der "Ellenbogenmentalität" in dieser Gesellschaft unsere Solidarität entgegengesetzt werden. Jeden Tag!

Gewerkschafter*innen, die in Antifaschistischen und Antirassistischen Initiativen arbeiten, können über Ursachen der Rechtsentwicklung auf Betriebsversammlungen informieren und mit Kolleg*innen Aktionen und Widerstand entwickeln. Zu selten wird dieses Thema jedoch von Betriebsräten auf die Tagesordnung gesetzt. Positive Erfahrungen wie die der Betrieblichen Beratungsteams gegen Rechts werden zu selten kommuniziert. Dabei gibt es Grundlagen zum Verallgemeinern, es gibt Betriebsvereinbarungen, in denen der Umgang gegen rassistisches und faschistisches Auftreten geklärt ist, es gibt Aushänge in Betrieben, die darauf hinweisen, dass Rassisten keine Stimme zu Wahlen erhalten sollen.

Das Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" hat sich gebildet, um gegen die Wahlauftritte und den Stimmenfang der AfD aktiv zu werden. Mit der Ausbildung der "Stammtischkämpfer*innen" wurde ein wichtiges Instrument geschaffen, um rechten und rassistischen Ideologien zu begegnen. Ob dies auf betriebliche Situationen und Strukturen angewandt werden kann, sollte von Akteuren und Gewerkschafter*innen diskutiert werden.

Setzen wir alles daran, dass die Rassisten nicht durchkommen in den Betrieben!

»EinProzent-Patrioten« geben wir KeinProzent!

Text: Bettina Jürgensen, Gewerkschaftssekretärin ver.di Fachbereich Handel, marxistische linke


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