Internationales

alt17.04.2010:  Seit den ersten Tagen der Machtergreifung im Iran nach dem Sturz des Schah-Regimes, sind die theokratischen Herrscher stets mit aller Brutalität gegen oppositionelle Kräfte vorgegangen. Gnadenlos wurden Menschen aus allen Richtungen des Widerstands durch Erhängungen, Erschießungen, Steinigungen hingerichtet. Oftmals aus nichtigen, vorgeschobenen Gründen, bei Kommunisten genügte schon der atheistische Anspruch für eine 'legale' Ermordung. Zu Beginn der letzten Woche zeigte die iranische Justiz mit der Hinrichtung von 5 Menschen die Bereitschaft zu ungezügelter und größtmöglicher Gewalt gegen politisch Oppositionelle und erneut ihr undemokratisches, volksfeindliches Wesen.

In aller Heimlichkeit, ohne Information von Anwälten oder Familien der Betroffenen, wurden am frühen Morgen des 9. Mai 2010 der Lehrer und Gewerkschafter Farzad Kamangar, sowie Shirin Alam-Houli, Farhad Vakili, Ali Heydarian and Mehdi Eslamian im Teheraner Ewin-Gefängnis am Galgen hingerichtet. Mehdi Eslamian stammte aus der zentraliranischen Stadt Shiraz, alle anderen lebten in den Gebieten der kurdischen Nationalität im Iran. Mit dem Vorwurf der „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ und der „Feindschaft zu Gott“ waren sie 2006, 2008 inhaftiert und ohne die geringste Chance eines fairen Verfahrens und einer wirklichen Verteidigung zum Tode verurteilt worden. Zwei Beispiele seien hervorgehoben.

Farzad Kamangar war ein Lehrer in der Stadt Kamyaran, Mitglied der kurdischen Lehrergewerkschaft und der Ökologischen Gesellschaft. Er war seit 2006 inhaftiert und verdächtigt, der PJAK, der kurdischen Arbeiterpartei des Irans anzugehören. Kamangar wies diese Anklage stets zurück. Sein Verfahren war eine einzige Farce. Sein Verteidiger Khalil Bahramian berichtete, dass dem Angeklagten nur zehn Minuten für seine Verteidigung eingeräumt wurden, seine eigenen Einlassungen wurden nur in schriftlicher Form angenommen. Fünf Minuten brauchte das Gericht, um im Februar 2008 zur Entscheidung des Todesurteils zu kommen. Laut Kamangars Verteidiger war der Angeklagte weder Mitglied noch Sypathisant der PJAK (Partei für ein freies Kurdistan), das habe auch überhaupt nicht seinem Wesen entsprochen. Dem entspricht, dass von offiziellen Zuständigen der Familie und dem Verteidiger signalisiert wurde, dass man inzwischen Farzad Kamangar wohl für unschuldig betrachte und dass es eine Überprüfung des Urteils und keine Hinrichtung geben werde.

 

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                           Kamangar   Vakili    Eslamian Alam-Houli Heydarian

Shirin Alam-Houli (geb. 1981) entstammt gleichfalls einer kurdischen Familie. Sie wurde im April 2008 inhaftiert, 25 Tage lang gefoltert und dann ins Ewin-Gefängnis gebracht. Auch sie wurde der Mitgliedschaft in der PJAK angeklagt und im Januar 2009 zum Tode verurteilt. Als sie inhaftiert wurde, sprach sie kein Persisch. So konnte sie sich im Gerichtsverfahren nicht verteidigen. Die Kopfschläge während der ersten Vernehmungen hatte sie so verletzt, dass sie unter schweren Kopfschmerzen litt und der Verhandlung oft nicht folgen konnte. Der Ankläger erklärte ihr offen, dass man sie als Geisel betrachte, und dass sie nicht frei käme, bis die Familie und sie selbst mit der Staatsanwaltschaft kooperiere. So wie bei ihr, versuchten die Behörden auch bei den anderen Hingerichteten, vorgegebene Aussagen und Geständnisse zu erzwingen. Alle verweigerten sich jedoch solchen Ansinnen.

Mit den jetzt überfallartig durchgeführten Hinrichtungen versucht die herrschende Machtelite der theokratischen Republik Iran offenbar rechtzeitig vor dem Jahrestag der Präsidentschaftswahlen (Juni 2009) die oppositionellen Bewegungen im Volke einzuschüchtern. Denn der Widerstand ist in fast allen Gesellschaftsschichten bemerkbar, weiterhin sitzen hunderte Oppositionelle, Journalisten und Journalistinnen, Studenten und Studentinnen und andere Regierungsgegner ohne Gerichtsurteil in Haft (hier ein Blog mit weiteren Einzelheiten in Deutsch).

Dennoch entwickeln sich auch Widerstand und Zusammenschluss gegen die undemokratischen Zustände im Lande. Kurz vor dem ersten Mai dieses Jahres haben sich zehn Bündnisse, die für die Rechte von Arbeitern, Gewerkschaftern, Frauen und anderen unterdrückten sozialen Gruppen eintreten und kämpfen, zusammengeschlossen und zu diesem Anlass einen Katalog an Forderungen veröffentlicht. In den vergangenen Jahren kämpfte jede dieser Organisationen einzeln für Versammlungsfreiheit und weitere legitime Rechte. Dieser Zusammenschluss von Arbeitern, Gewerkschaftern, Frauenrechtlern und vielen anderen Aktivisten hat Bedeutung.

Wegweisend sind die fünfzehn Forderungspunkte, die von dem Bündnis öffentlich gemacht wurden. Selbstverständlich wurde die Freilassung unrechtmäßig und mit konstruierten Anklagen Inhaftierter gefordert, sowie die Forderung nach Versammlungsfreiheit bekräftigt. Die Aussetzung der Todesstrafe wird verlangt und ein Verbot der Kinderarbeit. Lohnausfälle müssen endlich ein Ende haben, und keine weiteren Arbeiter dürfen entlassen werden. Das Bündnis übt starke Kritik an geplanten Subventionskürzungen und warnt vor gesellschaftlichen Unruhen, sollten jene tatsächlich durchgeführt werden. Weiters wird das Recht auf Bildung für alle Kinder gefordert, unabhängig von religiöser und ethnischer Zugehörigkeit, die gesellschaftliche und politische Gleichberechtigung von Frauen und ein Ende der Diskriminierung und Ausbeutung afghanischer Arbeiter im Iran.

Zusammenschlüsse gegen das theokratische Regime des Irans gewinnen auch in der Zivilgesellschaft Raum. Zunehmend verteidigen Männer Frauenrechte, Akademiker verteidigen Arbeiter und Arbeiter verteidigen religiöse und ethnische Minderheiten. Und gegen die Hinrichtungen der letzten Woche erhebt sich im Lande und international heftiger Protest. In den kurdischen Regionen des Irans legte am 13.5. ein Generalstreik große Teile des öffentlichen Lebens still. Auch in den kurdischen Regionen der Türkei kam es zu öffentlichen Kundgebungen gegen die Hinrichtungen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC), der britische Gewerkschaftsbund TUC, und viele andere Organisationen riefen weltweit zu Protestadressen an iranische Führungszentren auf, denen wir uns hier anschließen. Auf dieser Internetseite der GEW finden sich genaue Angaben für Briefschreiben oder EMail-Schreiben. Ebenso verurteilte die kommunistische Tudeh-Partei (siehe Anlage) die Hinrichtungen und rief zu Protestaktionen auf. Denn zu erwartende weitere undemokratische Gewaltmaßnahmen des Regimes im Iran entsprechen dessen innerer Haltung gegenüber jeglicher Opposition.

Wie schon früher bei anderen Gelegenheiten, so versucht auch diesmal wieder die EU, die demokratische Opposition des Irans für eigene Zwecke auszunutzen. So schloss sich am Ende letzter Woche die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, den Protesten mit einem offiziellen öffentlichen Amtsprotest an. Abgesehen von der damit einher gehenden staatlichen Attacke der EU auf den Iran - die ganz in die Aktivitäten der USA und der EU passt, im Iran durch einen Regimewechsel wieder eigenen Einfluss und Vorherrschaft durchzusetzen - drängt sich da natürlich die Frage auf, wo Frau Ashton denn das tagtägliche Morden der NATO-Truppen in Afghanistan attackiert oder die menschenrechtswidrigen Gefängnisse der USA in Guantanamo und in Baghram (Afghanistan) ...

Text: hth  /  Foto: