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Brasil Lula livre vor Gew Haus10.04.2018: Mit Tränengas und Gummigeschossen ist die brasilianische Polizei am Samstag gegen Anhänger*innen des früheren Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva vorgegangen. Sie protestierten gegen seine Inhaftierung. Lula hatte sich in São Paulo der Polizei gestellt und war anschließend in das Gefängnis der südbrasilianischen Stadt Curitiba überführt worden. Dort protestierten Tausende, wie am vorhergehenden Freitag im ganzen Land. Sie sehen in der Inhaftierung Lulas eine weitere Etappe des Staatstreichs, der mit der Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff im August 2016 begann und jetzt verhindern soll, dass Lula zum nächsten Präsidenten gewählt wird.

 

Der Oberste Gerichtshof in Brasília hatte am Mittwoch (4. April) mit einer knappen Mehrheit von sechs gegen fünf Stimmen die Inhaftierung von Lula beschlossen. Bei einem Gerichtsverfahren in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht in Porto Alegre war Lula Ende Januar ohne stichhaltige Beweise wegen angeblicher Korruption zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden.

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Brasilien: Wahlen ohne Lula sind Betrug

Da der Korruptionsvorwurf nicht schlüssig bewiesen werden konnte und der Ermittlungsprozess von Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet war, sprechen Lula, seine Arbeiterpartei PT und die brasilianische Linke von einem politisch motivierten Prozess, der eine Rückkehr der PT an die Regierung verhindern soll. Lula gilt als der aussichtsreichste Kandidat für die Präsidentschaftswahl am 7. Oktober 2018.

Brasil Lula mikro"Ich will, dass sie mir sagen, welches Verbrechen ich begangen habe. Ich wurde wieder verurteilt wegen einem verdammten Apartment, das nicht mir gehört."
Lula da Silva nach dem Gerichtsprozess
   


Der Vorwurf gegen Lula lautet, er habe dem Baukonzern OAS Vorteile bei der Auftragsvergabe durch den staatlichen Ölkonzern Petrobras verschafft und im Gegenzug ein Luxus-Apartment erhalten. Nach Angaben von Lulas Anwälten liegen dafür jedoch keine Beweise vor. Sogar das Gericht hatte bestätigt, dass sich das Apartment bis heute im Besitz der Baufirma befindet, die diese als Hypothek für einen Kredit bei der Bank Caixa Economica verwendet.

Herta Daeubler Gmelin"Immer mehr Hinweise unterstreichen die Befürchtung, dass zumindest ein erheblicher Teil der brasilianischen Justiz sich als Arm der herrschenden Geld- und Machtelite Brasiliens begreift und unter missbräuchlicher Berufung auf richterliche Unabhängigkeit die auch in der Verfassung Brasiliens verankerten Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit opfert. …
Schwerwiegende Verfahrensverstöße im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren reihen sich so eng aneinander und werden dann von angerufenen Obergerichten so prompt gedeckt, dass der Vorwurf des Missbrauchs gerichtlicher Verfahrensweisen zu politischen Zwecken naheliegt. …
Gründe für diesen Kampf gegen seine Person und gegen linke Politik sind unter anderem die Nationalisierungspolitik und die Politik der Umverteilung, die Lula und Rousseff mit dem Ziel des sozialen Ausgleichs betrieben haben. Beides widerspricht offensichtlich den politischen und ökonomischen Interessen der reichen brasilianischen Oberschicht und ihrer Verbindung mit internationalen Konzernen."
Herta Däubler-Gmelin, ehemalige Bundesjustizministerin: "Einäugige Justiz, schwerwiegende Verfahrensverstöße"

   

 

Das Berufungsgericht hatte festgelegt, dass Lula auf freiem Fuß bleibt, bis von der Verteidigung eingelegte Rechtsmittel geprüft sind. Jetzt hat der Oberste Gerichtshof für die Inhaftierung gestimmt und damit einen Antrag der Anwälte von Lula abgelehnt, die Inhaftierung bis zur Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten auszusetzen. Nahezu unmittelbar nach dem Urteil erließ die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl, so dass Lulas Anwälten keine Zeit blieb, weitere Rechtsmittel einzulegen.

"Wahlen ohne Lula sind Betrug"

Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes folgten Zehntausende den Protestaufrufen von Gewerkschaftsverbänden, Land- und Wohnungslosenbewegung und linken Parteien. Auch die Arbeiter*innen der Volkswagenwerke schlossen sich den Protesten an. Allein die Bewegung der Brasil Lula livre MST BlockadeLandlosen blockierte unter dem Motto "Lula vale a luta" (Lula lohnt den Kampf) mit 20.000 Aktivist*innen landesweit Autobahnen an mehr als 50 Stellen. Dabei wurde eine MST-Aktvistin durch einen Schuss aus einem Fahrzeug verletzt.

Tausende versammelten sich vor dem Sitz der Metallarbeitergewerkschaft in São Bernardo do Campo im Süden von São Paulo, um die Verhaftung Lulas zu verhindern, der sich dort aufhielt. Die Polizei erklärte am Freitagabend, dass angesichts des Widerstandes, Lula nicht festgenommen werden könne. Am Samstag stellte sich Lula dann der Polizei, um weitere Konfrontationen zu vermeiden.

Noch am Samstagabend wurde direkt gegenüber dem Polizeigefängnis unter dem Motto "Lula Livre" mit dem Aufbau eines Widerstandscamp begonnen. Man werde das Camp aufrechterhalten bis die Freilassung Lulas erreicht sei, denn "in diesem Land funktioniert alles nur über Druck", sagte Roberto Baggio, Koordinator der Landlosenbewegung MST im Bundesstaat Paraná. Aus verschiedenen Landesteilen seien bereits Busse zur Unterstützung unterwegs. Inzwischen sind auch Parlamentsabgeordnete der PT, PCdoB und PSOL in Curitiba eingetroffen und haben sich dem Widerstandscamp angeschlossen (Video aus dem Widerstandscamp)

Lula bleibt Kandidat

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Plakat der Arbeiterpartei Brasiliens:
"Inhaftiert bin ich ein Held, tot ein Mythos,
frei bin ich Präsident“

Die Arbeiterpartei PT halte trotz der Inhaftierung an der Präsidentschaftskandidatur von Lula fest, versicherte die PT-Vorsitzende Gleisi Hoffmann. "Präsident Lula ist unser Kandidat, weil er unschuldig ist. Seine Kandidatur ist nicht mehr nur Sache der Arbeiterpartei, sondern eines bedeutenden Teils der brasilianischen Bevölkerung", sagte sie.

Die Parlamentsabgeordnete der Kommunistischen Partei PCdoB, Alice Portugal, bekräftigte, dass die Linke geschlossen gegen die Verfolgung des populärsten Politikers der Linken sei. "Es ist ermutigend, die Menge der jungen Leute zu sehen, die gegen seine Inhaftierung kämpfen", sagte sie. "Mit Lula sperren sie eine unschuldige Person und einen Präsidenten ein, den die Bevölkerung liebt. Mit der Inhaftierung von Lula zeigt sich die Linke vereint und die Präsidentschaftskandidat*innen Manuela d'Àvila (PCdoB) und Guilherme Boulos (Partei des Sozialismus und Freiheit PSOL) reichen sich die Hände", so Alice Portugal.

Brasil Lula livre ManuelaDAvila Guilherme Boulos

Manuela D’Ávila (PCdoB) und Guilherme Boulos (PSOL): Ein Attentat auf die Demokratie


"Lulas Freiheit, das muss die Forderung aller demokratischen, popularen und patriotischen Krädte sein", sagt die Vorsitzende der PCdoB Luciana Santos.

Brasil PCdoB Luciana Santos"Lula ist eingesperrt, weil er in einem Land mit der größten Ungleichheit der Welt, für die Armen regiert hat. Er ist eingesperrt, weil er Brasilien auf die eigenen Füße gestellt hat."
Luciana Santos, Vorsitzende der PCdoB
   


"Zusammenhalten, widerstehen und kämpfen, das ist die Losung!"

José Reinaldo Carvalho, Mitglied des Zentralkomitees der PCdoB, schreibt in Resistência, dass die herrschenden Klassen "einen Betrug und eine Farce für die Wahlen von 2018" vorbereiten, weil sie wissen, dass es "nur ein mögliches Ergebnis" gibt: den Sieg von Lula und seinen Kandidat*innen. Der einzige Weg, um diesen Angriff der Herrschenden zu stoppen, ist "die Einheit der Kräfte, die seit 1989 mit Lula gegangen sind und mit ihm das Land von 2003 bis 2016 regiert haben. Zusammenhalten, widerstehen und kämpfen, das ist die Losung!".

 

Quellen:

MST            http://www.mst.org.br/
PT Brasil     http://www.pt.org.br/
PCdoB        https://www.facebook.com/pcdob65
PCdoB        https://pcdobdf.blog.br/
Resistencia http://www.resistencia.cc/
america21   http://amerika21.de/


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