Der Kommentar

bettina juergensen 2014 412924.10.2016: Mit Schlagzeilen soll die Politik, die von der EU und einem großen Teil der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten gegen das Recht auf Asyl durchgesetzt wird, untermauert werden. Es scheint zusammenhanglos, es gibt unterschiedliche Beschlüsse, Vorhaben und Gesetzesänderungen, jedoch haben alle eines gemeinsam: Die Abschottungs- und Abschiebepolitik der EU soll vorangetrieben werden!

 

Beispiel: Räumung in Calais
In französischen Calais kommt es im Lager für Geflüchtete zu Gewalt, da sich die dort befindlichen
6500 Menschen nicht zwangsweise in andere Orte und Aufnahmelager bringen lassen wollen. Die französische Regierung will das Lager, sie sagen aus humanitären Gründen, vor dem Wintereinbruch ab dem 24.10.16 räumen. Die Menschen sollen in Aufnahmelager gebracht und dort dann aussortiert werden:
Wer einen Asylantrag stellt, soll menschenwürdig untergebracht werden. Wer kein Recht auf Asyl hat, soll ausgewiesen werden - so lautet die Linie der Regierung. Und diese Linie folgt sicher auch dem Blick Hollande´s auf die Präsidentschaftswahlen in 6 Monaten. Sowohl Nicolas Sarkozy von den Republikanern, als auch die extrem Rechte Front National machen Stimmung gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung und gegen Geflüchtete in Calais. Zudem soll mit der Räumung auch die „No-Border“-Bewegung getroffen werden, die für eine Welt ohne Grenzen eintritt und mit 200 Aktivist_innen die Geflüchteten in Calais unterstützt.

Beispiel: Fluchthilfe oder Schleuser
Der bundesdeutsche Innenminister Thomas de Maizière will verstärkt verdeckte Ermittler gegen Schleuser einsetzen. Der „Bild am Sonntag“ (23.10.16) erklärte er dieses mit dem Ziel, um stärker gegen internationale Schleuserbanden vorgehen zu können. Demnach kam die Mehrheit 2015 aus Syrien, danach Rumänien und Ungarn. Das Vorgehen gegen sogenannte Schleuser, diese können übrigens auch unbezahlte Fluchthelfer_innen sein, ist jedoch keine Beseitigung der Ursachen für Flucht. Und weshalb der Innenminister sich nicht für die zügige Aufnahme, die bessere Unterbringung in Wohnungen, für Arbeitsplätze und ärztliche Versorgung aller hier lebenden Geflüchteten einsetzt, bleibt sein Geheimnis. Stattdessen wird auch in Deutschland weiter in „guter Flüchtling“ und „schlechter Flüchtling“ unterschieden – wer sich den „Regeln“ beugt, die Residenzpflicht akzeptiert, mithilft bei der Feststellung seiner/ihrer Identität, wer alle Untersuchungen und Auflagen klaglos hinnimmt, hat es in diesem Land schon leichter, als Geflüchtete, die Fragen stellen, die Reisen wollen und sich für gewisse Freiheiten einsetzen.

Beispiel: Aufnahmelager außerhalb der EU
Deutschland, also die deutsche Regierung, möchte den so genannten Türkei-Deal mit der Aufnahme in Lager für Geflüchtete verschärft umsetzen. Schon lange im Gespräch sind diese „Migrationspakte“ auch mit Jordanien und dem Libanon, ebenfalls sollen Vereinbarungen mit Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien geschlossen. Die Reise von Kanzlerin Merkel ist also kein Zufall und hat schon gar nichts mit der Unterstützung eines der ärmsten afrikanischen Länder zu tun. Damit nicht genug, möchte die EU-Kommission Tunesien und Libyen einbeziehen, verstärkt werden soll das „Engagement“ hierzu in Afghanistan, Pakistan oder Bangladesch und mit Ägypten gibt es Gespräche. Vorgeschoben werden humanitäre Gründe, wer allein die Fotos dieser Lager sieht, erkennt die Lüge. Flucht nach Europa soll schon in diesen Ländern und Lagern enden, geschaffen wird eine humanitäre Katastrophe!

Zu den besonders von der deutschen Kanzlerin Merkel favorisierten „Migrationspartnerschaften“ erklärte die Europaabgeordnete Cornelia Ernst: „Verkauft werden soll uns das Ganze als wohltätige Unterstützung mit Gegenleistungen, indem Hilfs-, Entwicklungs- und IWF-Gelder an die Kooperation in der Migrationsabwehr geknüpft werden. (…) Das ist ein erbärmlicher Hohn und Verrat an der Europäischen Menschenrechtskonvention.“

Beispiel: Frontex ist überall
Frontex wird seit Oktober 2016 mit mehr Macht und mehr Personal ausgestattet. So erhält die „Agentur“ nun eine stehende, 1500 Männer und Frauen starke Truppe, Flugzeuge dürfen nun selbst gemietet werden, bisher wurden diese von den Mitgliedern zur Verfügung gestellt.

Der Frontex - Chef Fabrice Leggeri freute sich dementsprechend gegenüber dem Handelsblatt, einen großen Schritt hin zu einer „echten EU-Grenzpolizei“ zu tun. Mitgliedsländer der EU können nun von der Frontex-Agentur gezwungen werden, ihre Grenzen noch mehr abzuschotten oder mehr Menschen auszuweisen. Neuerdings sind mit der sogenannten „Frontex-Reform“ auch Operationen (letzten Endes polizeiliche und/oder militärische) außerhalb der EU vorgesehen. Im Gespräch sind dabei etwa Mazedonien und Serbien. Und es wird auch betont, dass die EU wegen der Migrationsströme „mit den Staaten im Nahen Osten oder in Afrika zusammenarbeiten“ müsse. Bereits jetzt schon werden libysche Grenzschützer werden mit Hilfe von Frontex ausgebildet.
Und der Bundesinnenminister Thomas de Maizière verhehlt seine Freude nicht und meint mit einer besseren Kontrolle der Außengrenzen können "die Errungenschaften des Schengenraums" langfristig erhalten bleiben.

Beispiel: Obergrenzen
Angeblich, so geistert es durch den Medienwald, gibt es Bewegung im festgefahrenen Obergrenzen-Streit zwischen CSU und CDU. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer nannte wieder seine Zahl in der „Bild am Sonntag“ und wollte diese ausdrücklich mit der Zuwanderung verknüpft sehen. Er sagte: „Die Obergrenze von 200 000 Zuwanderern pro Jahr ist - neben Humanität und Integration der Schutzbedürftigen - ein zentraler Punkt meiner Politik.“ Wie die CDU sich dieser Frage nähert ist dabei schon fast belanglos, denn Fakt ist, dass die Diskussion über eine Obergrenze allein schon dem Gedanken des Grundrechts auf Asyl dermaßen entgegensteht, dass sie offenbart wie mit Menschenrechten umgegangen wird: aufaddiert und dann aussortiert, das Recht auf Leben, Gesundheit, Freiheit zählt da nicht.

Beispiel: Abschiebung
„Das Thema der Aufenthaltsbeendigungen ist das wohl am kontroversesten diskutierte Feld der Flüchtlingspolitik und eines, von dem schon jetzt und künftig noch viel mehr Flüchtlinge, die sich in Schleswig-Holstein dauerhaften Schutz erhofft hatten, betroffen sind. Vom Bund formulierte und von den Ländern abgenickte Verschärfungen der relevanten Aufenthaltsrechtslage ist zunehmend spürbar. Z.B. sollen Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden oder Krankheit oder prekäre Situationen in Dublin-Vertragsländern sind regelmäßig kein Hinderungsgrund.“ stellt der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fest.

PRO ASYL nennt den neuen Gesetzentwurf des Bundes „zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ eine durchsichtige Strategie zur faktischen Beseitigung der gesetzlichen Bleiberechtsregelung im Aufenthaltsgesetz.
"Das ist der Beginn einer Brutalisierung der Abschiebepraxis in Deutschland", kritisierte der Geschäftsführer von Pro Asyl Deutschland, Günther Burkhardt. Einrichtungen wie der Ausreisegewahrsam könnten in Kombination mit dem Rückführungsabkommen der Bundesregierung mit Afghanistan dazu führen, "dass Menschen außer Landes gebracht werden, die nie außer Landes gebracht werden dürften".

Das alles vorbereitet ist, zeigen die nördlichen Bundesländer: Am Hamburger Flughafen wurde am Freitag der sogenannte „Ausreisegewahrsam“ vorgestellt. WLAN, Babybetten, Kinderspiele und ein Spielplatz zeigen, dass auch Familien hier eingeplant sind. Eine rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Sozialarbeiter und Psychologen ist vorgesehen, Feuerzeuge und Streichhölzer sind verboten. Wenn abgelehnte Asylbewerber sich weigern Deutschland freiwillig zu verlassen, werden sie bis zu ihrem Abflug hier untergebracht. Platz ist für bis zu 20 Menschen, fünf davon sind für Schleswig-Holstein – das Bundesland, dass vor nicht einmal 2 Jahren seinen Abschiebeknast in Rendsburg geschlossen hatte, lässt diese nun durch Hamburg erledigen.

Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein in Kiel, meinte im November 2014 zur Schließung: "Damit setzt Schleswig-Holstein ein deutliches Zeichen gegen die Rechtsunkultur des Freiheitsentzuges von Menschen, denen außer ihrer Flucht zu uns nichts vorzuwerfen ist!"
Der letzte Halbsatz stimmt heute noch!

Doch alle Gesetze und Aktivitäten der Regierenden, die das Asylrecht „regeln“ sollen, haben mit dem Grundrecht auf Asyl schon lange nichts mehr zu tun.

Und auch wenn es mir widerstrebt diesen Kommentar mit „einem Schwanz“ zu beenden, müssen die Alternativen aufgezeigt werden. Dazu liste ich einige Forderungen und Möglichkeiten auf, die Menschen auf und nach der Flucht unterstützen:

  • Bleiberecht für alle! Kein Mensch ist illegal!
  • Es müssen legale Fluchtwege geschaffen werden, nur so wird das Massensterben beendet. Europa muss gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge eröffnen.
  • Flüchtlinge sollen ihr Asylverfahren im Land ihrer Wahl durchlaufen. Das Prinzip der freien Wahl bewirkt, dass Asylsuchende dort hingehen können, wo sie die Unterstützung ihrer Familien oder Communities erhalten.
  • Die in den letzten Jahrzehnten eingeführten asylpolitischen Verschärfungen müssen zurückgenommen werden. Das Dublin-III-Regime muss ebenso abgeschafft werden, wie die "sicheren Herkunftsländer", Residenzpflicht, Lager, Abschiebegefängnisse, Arbeitsverbote und das Asylbewerberleistungsgesetz.
  • Die Rechte von Illegalisierten müssen verteidigt werden, ebenso ihr Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Rechtsschutz gegen Gewalt und Ausbeutung
  • Gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben! Das heißt auch soziale Rechte für alle ArbeiterInnen auszubauen und durchzusetzen, dass Lohnbestimmungen und Arbeitsstandards eingehalten werden.
  • Krieg ist eine Ursache für Flucht. Wir fordern den sofortigen Stopp von Waffenexporten und das Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr.
  • Frieden ist jedoch auch mehr als die Abwesenheit von Krieg. Die grenzenlose Ausbeutung durch transnationales Kapital, ist strukturelle Gewaltausübung gegenüber der erdrückenden Mehrheit der Weltbevölkerung. Dies bildet den Hintergrund sowohl der heute geführten Kriege wie des Terrorismus.

Bettina Jürgensen, Vorstandsmitglied marxistische linke


 

siehe auch:

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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