22.08.2012: Auch in der öffentlichen Wahrnehmung meldet sich in Deutschland die Krise langsam zurück. Derweil Regierung, SPD, Grüne und Unternehmerverbände samt ihnen höriger Medien den zehnten Jahrestag der Verkündigung der Hartz-Vorschläge feiern und ein Bild von Deutschland als dem Hort von Stabilität und Wachstum zeichnen. Als Beleg für den „Erfolgskurs“ wurden die Arbeitslosenzahlen strapaziert. Doch die Julizahlen von 2,876 Mio. sind nur des Eisbergs Spitze. Dessen verborgenen Teil offenbaren Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die in den Medien selten eine Rolle spielen. So weist der Julibericht eine Unterbeschäftigung von 3,847 Mio. Menschen aus. Die Differenz rührt z. B. daher, dass in der Zahl von 821 000 Beziehern von Arbeitslosengeld I nicht alle grundsätzlich Bezugsberechtigten enthalten sind. Arbeitsunfähig Erkrankte, Teilnehmende an Weiterbildungsmaßnahmen, Erwerbslose in oft unbezahlten Praktika, in „Ein-Euro-Jobs“, mit Sperrzeiten und ein Großteil der über 58-Jährigen bleiben statistisch außen vor. Jede Grippewelle schönt die Statistik!
Der Kommentar
Schwarzer Herbst? Heißer Herbst?
09.08.2012: Vieles deutet daraufhin, dass auch Deutschland nun in den Sog der Krise kommt. Die Zeit könnte vorbei sein, in der das deutsche Kapital sich dadurch eine gegensätzliche Entwicklung sichern konnte, indem es unter Nutzung seines Produktivitätsvorsprungs, seiner erfolgreichen Lohndrückerei nach innen und des Euros die europäische Peripherie und andere mit seiner „Exportwalze“ ausplündern konnte. Die Stahlindustrie, die Logistikbranche sind hier deutliche Indikatoren.
Verstärkt wird dies durch Erscheinungen wie bei Opel. GM will offensichtlich Überkapazitäten abbauen, indem es Opelwerke schließt, denen GM selbst die Überlebenschance, nach kapitalistischer Logik, genommen hat. Dafür hat man eine kämpferische Belegschaft, wie bei Opel Bochum, über Jahre sturmreif geschossen, den Geist der Resignation verbreitet.
„Reformieren“ oder abschaffen?
12.07.2012: Es will schon etwas heißen, wenn der Verfassungsschutz-Skandal die öffentliche Debatte provoziert, ob der Geheimdienst „reformiert“ oder gänzlich in Frage gestellt werden soll. Die Tatsachen sprechen eher für Letzteres.
Nicht genug, dass vor Jahren, als der „NSU“ seine rassistische Mordserie verübte, die betroffenen Ausländerfamilien als Täter verdächtigt und die Neonazis von Ermittlungen verschont wurden, stellt sich jetzt heraus, dass im Verfassungsschutz Akten, die den Hintergrund hätten erhellen können, vernichtet worden sind. Doch wird sofort die Tendenz erkennbar, die Vorgänge zu vertuschen. Dem Referatsleiter wird seine bürokratische Ausrede abgenommen, obwohl er den Aktenschredder just in dem Moment angeworfen hatte, als die „NSU“-Mordserie aufflog und dann noch das Datum fälschte. Will man die Peinlichkeit verbergen, dass nicht nur der Verfassungsschutz seine V-Leute bei den Neonazis hat, sondern diese auch Kumpane im VS-Apparat?
Gewerkschaften brüskiert
19.07.2012: Am 29. Juni stimmten Bundestag und Bundesrat dem Fiskalpakt zu. Mit ihrer Zustimmung neben der Regierungskoalition haben SPD und Grüne de facto eine Kriegserklärung zur Zerstörung öffentlicher Dienstleistungen und grundlegender sozialer Rechte, Arbeiterrechte und politischer Rechte der Bürger Europas unterschrieben. Im Besonderen aber haben die SPD-Bundestagsfraktion und die Ministerpräsidenten der von ihr (mit)regierten Länder die Gewerkschaften und ihre Mitglieder brüskiert. Schäuble hatte Recht, als er das politische Theater von SPD und Grünen im Vorfeld ihrer Zustimmung als innenpolitisch motiviertes Spektakel abtat.
Pflöcke setzen
27.06.2012: Am Freitag werden Bundestag und Bundesrat über den Fiskalpakt abstimmen, der ab 2013 in Kraft treten soll. In einem Brief an alle Abgeordnete des Deutschen Bundestages fordert der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, die Abgeordneten dazu auf, „dem Fiskalpakt nicht zuzustimmen, denn er ist „ein Instrument, das die Demokratie schwächt, ökonomisch schädlich und sozial unverträglich ist“. Auch der DGB-Vorsitzende Michael Sommer fordert „einen Stopp des Fiskalpaktes und der Schuldenbremse“. Der Fiskalpakt und die Schuldenbremsen werden, so der DGB-Vorsitzende, „die Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Aussetzung sozialer und kollektiver Grundrechte“ vorantreiben. „Die Jugend wird um ihre Zukunft gebracht und es erfolgen massive Eingriffe in die Tarifautonomie. Aus unserer Sicht sind dies die falschen Strategien. Denn viele Länder fallen in wirtschaftliche Rezession und destabilisieren sich zusehends politisch, der Nationalismus nimmt zu“, betonte Michael Sommer in seinem Grußschreiben an die Delegierten des Parteitages der Partei „Die Linke“ am 2. und 3. Juni 2012 in Göttingen.