04.04.2017: Seit zehn Jahren ist das Taktische Luftwaffengeschwader 51 "Immelmann", stationiert in Jagel bei Schleswig, ununterbrochen an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt: Erst in Afghanistan, dann von der Türkei aus im Einsatz über Syrien und seit vergangenem Oktober auch in Mali. Schon in den 90er Jahren war das Geschwader während des Krieges gegen Jugoslawien dabei. Die Soldaten in Jagel liefern mit Tornados und unbemannten Drohnen Fotos und Videomaterial "von der Lage vor Ort" und werten diese Bilder für die folgenden Kampfeinsätze aus.
Nun wurde publik, dass diese Tornado-Piloten aus Jagel offenbar Bilder für einen Luftschlag in Syrien geliefert haben, dem viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen. Sie nahmen Bilder von einem Gebäudekomplex auf, der wenig später von US-Kampfjets bombardiert wurde. Der Angriff soll ein Schulgebäude getroffen haben bei dem es mindestens 33 Tote gab.
Am Mittwochabend (29.3.17) informierte laut Süddeutscher Zeitung der Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker den Verteidigungsausschuss des Bundestages über diese todbringende Kriegsbeteiligung der Luftwaffe am Bombardement des 20. März. Über Konsequenzen, die die Bundesregierung der Großen Koalition daraus zu ziehen gedenkt, wurde nichts bekannt. "Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und die Bundesregierung sind für die Toten mitverantwortlich", sagte der Linke-Parteivorsitzende Bernd Riexinger. "Dieser tragische Verlust von Menschenleben verdeutlicht auf dramatische Weise, dass es keine Beteiligung an Kriegseinsätzen gibt, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. DIE LINKE fordert das sofortige Ende des Bundeswehreinsatzes in Syrien und den Abzug der Bundeswehr aus der Türkei." Im Dezember 2015 hatte der Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen aus CDU/CSU und SPD sowie von drei Grünen-Abgeordneten den Einsatz der "Tornados" in Syrien beschlossen.
Wenige Tage vor Bekanntwerden der mörderischen Mittäterschaft hatte Geschwaderkommodore Michael Krah noch stolz vermeldet: "War die damalige Tornado-Mission am Hindukusch, die bis November 2010 dauerte, anfangs hoch umstritten, wird heute kaum mehr wahrgenommen, dass immer noch rund 35 Jageler in Afghanistan stationiert sind. Sie bedienen dort die Aufklärungsdrohnen vom Typ "Heron 1" (Schleswiger Nachrichten 17.3.17) – und waren und sind damit ebenfalls an unzähligen Kriegsverbrechen beteiligt, was er zu erwähnen "vergaß". Erinnert sei nur an den 2009 vom damaligen Oberst Klein angeforderten Bombenabwurf auf einen Tanklastwagen, bei dem rund 100 Menschen, darunter auch Kinder, getötet oder verletzt wurden.
Sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge sind seit Januar 2015 auf dem NATO-Flugplatz im türkischen Incirlik im Rahmen der "Operation Inherent Resolve" stationiert: Die Tornado-Piloten starten zu Aufklärungsflügen über Syrien und bereiten mit ihren Aufnahmen Luftangriffe auf Stellungen oder vermeintliche Stellungen des IS vor. "Die Aufklärungsersuchen betreffen Straßen, Gebäude, vermutete Stellungen des IS oder andere Infrastruktureinrichtungen. Nach der Rückkehr der Flugzeuge werden die Fotos in Incirlik begutachtet und kommentiert. Die Luftbild-Auswerter identifizieren Besonderheiten, weisen auf Personen oder Waffen hin und senden die kommentierten und ausgewerteten Aufnahmen dann an den Einsatzstab der Operation." (FAZ 31.3.17).
In Syrien bereiten die RECCE Tornados aus Jagel Bombenangriffe der Anti-IS-Koalition vor. Im afghanischen Masar-e Scharif steuern Piloten aus Jagel die Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr vom Typ Heron 1. Die Ausbildung erfolgt in Israel, inzwischen jedoch auch in der zum Fliegerhorst Jagel gehörenden Kaserne im Nachbarort Kropp. Aber es sind nicht nur die Piloten, die sich im Krieg befinden, es gehört viel Bodenpersonal dazu, SpezialistInnen für die Bildauswertung zum Beispiel. Zum Einsatz gehören auch die Logistiker in Jagel, die dafür sorgen, dass genügend Treibstoff für die Flüge vorhanden ist, genügend Ersatzteile zur Verfügung stehen. Dazu kommen die Verwaltung und vieles andere mehr. Die Kriege in Afghanistan und der Region um Syrien werden lange dauern, die SoldatInnen müssen ausgewechselt werden. Es sind also mindestens die dreifache Anzahl der ins Ausland verlegten SoldatInnen erforderlich.
Im Januar 2016 hat die Bundeswehrführung beschlossen, die Drohnen von Typ Heron TP anzuschaffen, das sind bewaffnungsfähige Drohnen, Kampfdrohnen. Es spricht viel dafür, dass auch die Heron TP, die laut Bundeswehr in Israel stationiert werden soll, auch an das Luftwaffengeschwader 51 in Jagel angebunden wird. Ab 2019 wird Jagel dann der einzige Standort der Bundeswehr sein, von dem aus die Kampf-Großdrohne Heron TP aus gelenkt wird.
Der Fliegerhorst Jagel bildet zusammen mit der Elektronischen Kampfführung in Stadum und Bramstedt (Nordfriesland) einen von bisher zwei Standorten für die hochtechnologische Aufrüstung der Bundeswehr für ihre Kriegseinsätze. Der andere ist Büchel in der Eifel.
Friedensaktionen am Standort Jagel: Schluss mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr!
Auf dem am 1. April im Gewerkschaftshaus stattgefunden "3. Kieler friedenspolitischen Ratschlag" der schleswig-holsteinischen Friedensbewegung berichtete ein Aktivist der DFG-VK über antimilitaristische Aktionen am Standort Jagel. Seit Mitte 2015 fanden vor dem Fliegerhorst Jagel bisher 15 Mahnwachen gegen den Standort von Tornados und Drohnen statt.
Am Karfreitag, den 14. April 2017 wird erstmals ein Ostermarsch vom Bahnhof Schleswig nach Jagel zum Fliegerhorst stattfinden. Die Organisatoren rufen auf:
"Lauf mit. Zeige Flagge für:
- eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt
- ein zivilisiertes und soziales Europa
- offene Grenzen und sichere Fluchtwege für Menschen in Not
- den konsequenten Abbau von Rüstungsexporten
- Respekt für Menschen unterschiedlicher Herkunft und eine wertschätzende Willkommenskultur
- die Unterstützung von Entwicklungsvorhaben in Krisenregionen
- Kurse zu Gewaltprävention schon ab Kindergartenalter, aktive Friedenserziehung an unseren Schulen und die Beteiligung von Akteuren unterschiedlicher Positionen im Unterricht.
- die Förderung von Friedensforschung an Universitäten
- den Umbau von Rüstungsgütern in zivile Nutzungszwecke"
(aus dem Aufruf zum Ostermarsch
Am Samstag, den 20. Mai 2017 ab 11:00 Uhr wird es dort wieder eine Mahnwache geben und parallel findet am gleichen Tag der "Lauf zwischen den Meeren" statt, der über Jagel führt und an dem sich friedensbewegte Läufer*innen beteiligen werden.
Text gst