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18.06.2015: Die Propaganda gegen die Linksregierung Griechenlands läuft auf vollen Touren. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer diffamiert die SYRIZA-geführte Regierung in Athen als 'Faxen-Macher'. Tsipras soll seinem Finanzminister Gianis Varoufakis den Laufpass geben - das fordert FDP-Chef Christian Lindner. Für die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, handelt die griechische Regierung "in höchstem Maß verantwortungslos gegenüber dem eigenen Land und gegenüber der eigenen Bevölkerung".

In dieses SYRIZA-Bashing passt dann gut ins Bild, dass das durchschnittliche Renteneintrittsalter bei 56 Jahren liegen soll. Falsch, aber wirksam im Kampf um die Lufthoheit über den deutschen Stammtischen. Realität ist: Das europäische Statistikamt Eurostat hat 2009 ein tatsächliches Renteneintrittsalter von 61,4 Jahren in Griechenland festgestellt. Ebenfalls 61,4 Jahre betrug nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2013 das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland. In Griechenland entsprechen die 2,65 Millionen Rentner 24,3 Prozent der Bevölkerung. In Deutschland gibt es 19,4 Millionen Rentner und 1,6 Millionen Pensionäre - zusammengenommen ein Anteil von 26,0 Prozent.

Auch von Luxusrenten kann keine Rede sein. Fast die Hälfte der Rentner bekommt weniger als 665 Euro im Monat. Sie fallen damit unter die Armutsdefinition der EU. Dazu kommt, dass Griechenland keine Sozialhilfe, kein Hartz IV kennt. Arbeitslosengeld gibt es nur für ein Jahr. Mehr als 90 Prozent der Arbeitslosen bekommen derzeit: keinen Cent. Und das in einem Land in der seit Jahren mehr als jeder vierte Erwerbsfähige ohne Job ist.

Im 'aufgeblähten' öffentlichen Sektor Griechenlands arbeiten 8% aller Beschäftigten, in Deutschland 11% und in Frankreich 23%.

Aber Argumente zählen nicht mehr. Es geht um psychologische Kriegsführung. Für Konservative, Liberale und Sozialdemokraten ist klar: Die Linksregierung unter dem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras muss weg - oder zumindest kapitulieren. Denn die Linksregierung in Athen fordert den Neoliberalismus und die Austeritätspolitik – und damit die deutsche Hegemonie in Europa - offen heraus. Merkel und Schäuble können gegenüber Athen nicht nachgeben, weil dies zu enormen machtpolitischen Erschütterungen - und zu einer Erosion der deutschen Dominanz in der Eurozone - führen würde. Sollte die griechische Linksregierung handfeste Zugeständnisse erkämpfen können, die das Scheitern des neoliberalen Sparregimes deutscher Prägung in Europa offensichtlich machen würden, wäre dies eine Startsignal für linke und progressive Bewegungen in weiteren europäischen Ländern, dem griechischen Vorbild nachzueifern.

Aber auch innenpolitisch sind Merkel und Schäuble – und die gesamte Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD – zur Geisel ihrer eigenen Politik geworden. Sie können sich angesichts eines sich formierenden Rechtspopulismus und ihrer bisherigen Politik der "Alternativlosigkeit" keine Korrektur ihrer bisherigen Politik erlauben.

Da kann auch SPD-Chef Sigmar Gabriel bei der SYRIZA-Schelte nicht hinten anstehen. Und schafft es dabei, sogar CSU-Söder rechts zu überholen. Gabriel in der Bild-Zeitung: "Die Spieltheoretiker der griechischen Regierung sind gerade dabei, die Zukunft ihres Landes zu verzocken. Und die von Europa gleich mit. .. Und wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.“ Natürlich weiß auch der Vorsitzende der Hartz-IV-Partei, dass die 'deutschen Arbeitnehmer' bisher keinen Cent für die 'Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung' gezahlt haben. Und künftig auch nicht bezahlen werden. Zumindest dann, wenn es zu einer vernünftigen Vereinbarung mit Griechenland kommt. Varoufakis betont immer wieder, dass Griechenland nicht neues Geld will, sondern ein Abkommen, das eine wirtschaftliche Erholung und die langfristige Rückzahlung der Kredite erlaubt.

Die griechische Seite hat immer wieder neue Vorschläge unterbreitet und Zugeständnisse gemacht. Wir haben die 'roten Linien bereits überschritten, sagt Finanzminister Varoufakis. Die Antwort aus Brüssel und Berlin: Es reicht nicht. EU-Kommission, EZB und IWF bestehen auf Maßnahmen, die die humanitäre Katastrophe verstärken und das Land noch weiter in den Strudel von Kürzungen und Krise ziehen würden. Deshalb sagen Tsipras und Varoufakis seit Monaten, dass sie diese Maßnahmen nicht durchführen wollen, können und werden. Sie halten sich an ihr Wahlversprechen, die Austeritätspolitik zu beenden. Für die Grünenpolitikerin Claudia Roth unverständlich: "Es kann nicht sein, dass die griechische Regierung .. sagt, das waren unsere Wahlversprechen und die müssen wir einhalten", äußerte sie im Deutschlandfunk. Ja, wo kämen wir da hin, wenn Wahlversprechen eingehalten würden?

Es ist höchste Zeit, unsere Solidarität mit den Menschen in Griechenland und ihrer Regierung wieder auf der Straße zu zeigen. Machen wir die Woche der Solidarität mit Griechenland vom 20. – 26. Juni zum Beginn einer starken Mobilisierung zur Unterstützung für SYRIZA. Denn so wie die Hetze gegen Griechenland einen Adressaten hat, nämlich Tsipras und Varoufakis, so muss die 'Solidarität mit dem griechischen Volk' einen Adressaten haben: die Linksregierung in Athen und SYRIZA. Am Samstag in Berlin bei der Demonstration „Europa. Anders. Machen. demokratisch – solidarisch – grenzenlos" und bei den Solidaritätsaktionen in vielen deutschen Städten.

Die marxistische linke ist dabei.

Leo Mayer
Vorstandsmitglied marxistische linke