Analysen

isw report97 cover23.07.2014: Seit Juni 2013 verhandeln die EU und die USA im Geheimen über die größte Handels- und Investitionszone aller Zeiten. Im Jahr 2015 soll sie als TTIP, als Transatlantic Trade and Investment Partnership, offiziell installiert werden. Dies wäre verheerend.

Es würde die Demokratie in ihrem Nerv treffen. Den internationalen Investoren sollen Sonderklagerechte eingeräumt werden, so dass sie gegen jede politische Maßnahme, die ihre Profitaussichten schmälert, Schadensersatz geltend machen können, wie demokratisch auch immer die neuen Gesetze zustande kamen. Wie das funktioniert, demonstriert gerade der Vattenfall-Konzern, der aufgrund des Energie-Charta-Vertrages Deutschland wegen des Atomausstiegs auf fast 4 Milliarden Euro Schadensersatz verklagt. Mit TTIP wird Demokratie unbezahlbar.

Wenn es überhaupt zu demokratischen Beschlüssen kommt. Denn ein "Rat für regulatorische Kompensation", zusammengesetzt aus Repräsentanten von EU-Kommission und US-Regierung sowie Vertretern Transnationaler Konzerne, wird in Zukunft kontrollieren und vorschlagen, welche neuen Regeln zu treffen sind. Parlamente und schon gar die Bevölkerungen haben immer weniger zu melden.

TTIP wäre das Ende gewerkschaftlicher. Tätigkeit, wie wir sie kennen. Der Vertrag besagt ja, dass in den beiden Regionen USA und EU dieselben Handels-, Investitionsschutz- und Arbeitsnormen gelten. Nun haben die USA sechs der acht grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation nicht ratifiziert, darunter die Konvention zur Vereinigungsfreiheit und zum Recht auf Kollektivverhandlungen, Voraussetzungen für fruchtbare gewerkschaftliche Arbeit. Die TTIP-Verhandlungen, urteilte folgerichtig der DGB-Bundeskongress im Mai 2014, gehen "in die falsche Richtung".

Verheerend wären die Folgen auch für die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern. TTIP würde vorschreiben, bisher öffentlich produzierte Güter — von der Gesundheit bis zur Wasserversorgung — internationalen Investoren zu überlassen und das Rückgängigmachen von Privatisierungen zu unterbinden.

Schließlich und endlich würde TTIP die internationalen Beziehungen vergiften und die Konfliktlinien in der Welt weit aufreißen. Zutreffend - und auch zustimmend - nannte Hillary Clinton, als demokratische Präsidentschaftskandidatin für die US-Wahlen 2017 gehandelt, TTIP "die ökonomische Nato". Die gegenüber dem strammen Wachstum der Schwellenländer zurückfallenden "alten Metropolen" wollen ihre globale Führungsstellung halten und wieder ausbauen. Die ökonomische und die militärische Nato würden sich in ihren aggressiven Rollen gegenseitig stützen.

Wer dies alles sieht, der weiß: TTIP muss verhindert werden. Und ja, wir können das auch. Der Vorläufer von TTIP, das MAI, wurde Ende der 90er Jahre vor allem dank des Widerstands der beginnenden globalen Widerstandsbewegung verhindert. ACTA, wo es um den Versuch der großen Internetdienstleister ging, das Netz zu bevormunden und zu kontrollieren, wurde 2012 noch verhindert, nachdem EU-Kommission und nationale Regierungen bereits zugestimmt hatten.

Die Front des Widerstands von Gewerkschaftern, Globalisierungskritikern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft ist bereits stark. Sie muss noch stärker werden, um die kapitalzugeneigten Politikerinnen und Politiker das Fürchten zu lehren.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

Conrad Schuhler: TTIP muss verhindert werden – und wir können das auch
Leo Mayer: Arbeitsplätze und Wohlstand durch Freihandel?
Franz Garnreiter: Das ifo-Institut als Argumentelieferant für die TTIP-Befürworter
Fred Schmid: TTIP und TPP – der Handelsimperialismus der G7
Conrad Schuhler: Neue Regeln für die Weltwirtschaft und der Weg dorthin

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