Aus Bewegungen und Parteien

vvn Wahl bundesvorstand 201402.06.2014: Auf dem 5. Bundeskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten trat der seit 2003 gewählte Vorsitzende Prof. Dr. Heinrich Fink nicht mehr zur Wahl an. In seiner Verabschiedung zeigte die Co-Vorsitzende Cornelia Kerth in kurzen Zügen die Arbeit von Heinrich Fink für den Verband auf. Mit den Worten: „Ich habe getan, was ich tun musste!“  verabschiedete sich Fink mit einer Rede an die 158  Delegierten und die Gäste des Kongresses aus der Funktion des Vorsitzenden, jedoch nicht – wie er betonte – aus der Arbeit. Er wird weiterhin in der VVN-BdA mitarbeiten. Einstimmig und mit anhaltendem Beifall wurde Heinrich Fink zum Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA gewählt. Zu neuen Bundesvorsitzenden wählten die Delegierten Cornelia Kerth und Axel Holz, hinzukommen weitere vier Mitglieder (Foto).

Dem voraus ging ein kultureller Auftakt zur Eröffnung des Kongresses zum Veranstaltungsort „Haus Gallus“, dem Ort des Frankfurter Auschwitz-Prozesses.  Nach der Konstituierung folgte ein Grußwort von Stadtrat Möbius aus Frankfurt/Main. In einer mit viel Beifall bedachten Rede hob Sandro Witt vom DGB Hessen/Thüringen die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit in den Gewerkschaften hervor. Er machte darin deutlich, dass auch die Gewerkschaften gefordert sind, sich den aktuellen Fragen zu stellen. Die Beteiligung von Gewerkschaftern bei unterschiedlichen antifaschistischen Aktionsformen begründete er mit: „Wir verteidigen das Grundgesetz auf der Straße!“ Die Ergebnisse der Europawahl zeigen, wie wichtig das Engagement und der Widerstand gegen Rechts ist.

Der politische Bericht des Bundesvorstandes wurde von Cornelia Kerth, Bundesvorsitzende, vorgetragen. In diesem zeigte sie verschiedene Aktionsfelder auf, in denen die VVN-BdA aktiv mitwirkt. Und sie stellte gleich zu Beginn heraus: „Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus sind in dieser Gesellschaft auch 20 Jahre nach dem Pogrom von Rostock, nach Hoyerswerda, Solingen und Mölln eine zentrale Herausforderung für Antifaschist_innen.  Heute heißen die Orte, die die es zu besonders trauriger Berühmtheit bringen, Wolgast, Schneeberg, Berlin-Hellersdorf, Duisburg, Dortmund.“

Als erfolgreich nannte sie die Tatsache, dass die Aufmarsch der Nazis in Dresden verhindert werden konnte, und stellte fest: „Das geht nur in Bündnissen, in denen das gemeinsame Anliegen wichtiger ist als unterschiedliche Positionen im Detail und Vorlieben für die eine oder andere Aktionsform. (…..) Für eine Reihe unserer neuen Mitglieder ist genau das -  die Vermittlung der historischen Erfahrung von der Notwendigkeit des einheitlichen Handelns der Antifaschist_innen -  der Grund dafür, dass sie bei uns eingetreten sind. Fast 700 neue Kamerad_innen haben wir seit dem letzten Bundeskongress gewonnen, das sind gut 10 % unserer Mitglieder.“

Kritisch setzte sie sich auseinander mit Berichten über Faschismus in den Medien und der  großen Zahl von Kranzniederlegungen. Dies wird getan, jedoch nicht darüber informiert, wer den Faschismus gefördert und von ihm profitiert hat und wer ihn bekämpft hat. Der „Widerstand im Allgemeinen und Arbeiterwiderstand im Besonderen kommen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch vor“, so Kerth. Es gilt nicht nur zu Erinnern, sondern das Vermächtnis weiterzutragen und zum Tragen zu bringen.

Zur Haltung der Bundesregierung zur Ukraine, stellte sie fest, dass der Außenminister Steinmeier mit seinen gemeinsamen Auftritten der Swoboda-Partei quasi den Weg in die Regierung dort geebnet hat.

Kerth: „Durch die bedingungslose Anerkennung dieser Regierung wurde zugleich anerkannt, dass die Regierungsbeteiligung von Faschisten – anders noch mit Fini in Italien und Haider in Österreich – in Europa als akzeptabel gilt.“
„Eines ist auf alle Fälle klar: Nachdem „Nie wieder Krieg“ schon 1999 aus der „besonderen deutschen Verantwortung“ verschwunden ist, ist ganz deutlich geworden, dass „Nie wieder Faschismus“ zumindest keine außenpolitische Priorität genießt.“

Mit der Aufforderung, die Zusammenarbeit mit der FIR (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten) zu verstärken, damit der Faschismus in Europa zur Geschichte wird, endete der politische Bericht.
Ihm folgte die Diskussion in Arbeitsgruppen über die Arbeit in den kommenden drei Jahren, sowie die Debatte über die Anträge, in denen konkrete Vorhaben beschlossen wurden. Unter anderem lagen dem Kongress Anträge zur Flüchtlingspolitik, zur Solidarität mit Sinti und Roma, zur Geschichtsarbeit, gegen die Kriegspolitik und zur Gefahr des Neofaschismus und was dagegen zu tun ist, vor.

Bei der Wahl des Vorstandes wählten die Delegierten Cornelia Kerth und Axel Holz zu ihren neuen Bundesvorsitzenden, hinzukommen weitere vier Mitglieder.

Heinrich Fink, Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA

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Neofaschismus und Rechtspopulismus in Europa entgegentreten

Am Vorabend des Kongresses fand eine Podiumsdiskussion mit Gästen der FIR (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten) zum Thema  "Neofaschismus und Rechtspopulismus entgegentreten" statt.

Der Titel dieser Diskussionsrunde, moderiert von Dr. Ulrich Schneider (FIR), wenige Tage nach der Europawahl mit den großen Stimmenzuwächsen für Parteien der extremen Rechten, machte die Veranstaltung hochaktuell. Mit Spannung wurde von den 200 Teilnehmer*innen die Einschätzungen der eingeladenen Gäste zu den Entwicklungen in ihren Ländern erwartet.

Die Generalsekretärin  Anita Baudouin (FNDIRP) aus Frankreich stellte fest, dass sich der antifaschistische Konsens, den es bisher in der französischen Bevölkerung gegeben hat, geändert habe. Auf keinen Fall darf das Ergebnis der Rechten ignoriert werden, es müssen Konsequenzen und Lehren daraus gezogen werden. Sie erinnerte daran, dass unter der Regierung mit Hollande von der Sozialistischen Partei der Abbau sozialer Rechte im letzten Jahr vorangetrieben wurde. Die FNDAP setze auf die "Arbeit mit der Erinnerung", dies kann jedoch das fehlende historische Wissen bei großen Teilen der Bevölkerung nicht ersetzen. Zudem gibt es in Frankreich die Auseinandersetzung mit dem Faschismus nur als eine Frage des Widerstands gegen Faschisten aus anderen Ländern. Das Ergebnis der EU-Wahl, so Anita Baudouin, mache fassungslos. Es ist der Eindruck, Frankreich treibe auf den Abgrund zu. Die Parteien seien mit sich selbst beschäftigt, auch die Linken sind nicht in der Lage, zur notwendigen Einheit zu finden, sondern mit eigenen Projekten befasst. Auch wenn viele Wähler*innen die Ansicht vertreten, dass Europa nicht Frankreich ist, wird das Ergebnis als Steilvorlage für die Rechten bei nationalen Wahlen gesehen.

Aus Griechenland legte Gregorius Touglides (P.E.A.E.A.) seine Thesen zur Entwicklung von Faschismus dar. Sehr ausführlich ging er auf die Entwicklung des Faschismus in Deutschland ein und erklärte den Teilnehmer*innen die historischen Bedingungen damals. Zum Ende seines Vortrages nannte er die Abwälzung der Krisenlasten auf die Völker als einen Punkt, der rechten Kräften die Wähler zutreibt. Allerdings, so Touglides, hätten die Herrschenden die Volksbewegungen unterschätzt, an deren Spitze die Kommunisten stehen. Kurz erklärte er die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den rechten, faschistischen Parteien Laos und Goldene Morgenröte. Hier komme es darauf an, die Arbeiterbewegung mit den Kommunisten an der Spitze gegen diese Parteien zu stärken. Heute müsse dem Faschismus mit dem Kampf gegen soziale Missstände und gegen Krieg begegnet werden. Erst im Sozialismus werde es keinen Quadratzentimeter Platz mehr für faschistische Organisationen geben.

Prof. Kees van der Pijl (AFVN/BvA), aus den Niederlanden stellte kurz die geschichtlichen Grundlagen des antifaschistischen Widerstands dar. Die Erfahrung, dass der Widerstand früher fast wie von einer Sekte geführt wurde, die Kommunistische Partei daran fast zugrunde gegangen ist, lehrt für heute breite Bündnisse gegen Rechts aufzubauen. Er berichtet, dass Holland zu den relativen Gewinnern der Krise gehört. Ein Teil der Bevölkerung sinkt in die Armut, die Mittelklasse hält ihren Status aber aufrecht. Diese Situation nutzt Geert Wilders mit seiner Partei, der nicht zu den traditionellen Nazis zu zählen sei. Wilders sei kein Antisemit, sondern seine Politik richte sich vor allen Dingen gegen den Islam. Die Rechten sind dort am stärksten, wo die EU-Politik am meisten Schrecken in Form von Sozialabbau hinterlässt. Wilders sei noch nicht so stark, weil die Niederlande insgesamt noch als, s.o., Gewinner gesehen wird.

Aus Ungarn hat David Tucker (MEASZ) zunächst den Namen der Jobbik mit seinen zwei Bedeutungen erklärt: a.) wir sind rechts und b.) wir sind die Besten. Mit diesem „Wortspiel“ wurde die Partei zur zweitstärksten nach der rechten Fidesz gewählt. Beides sind eindeutig rechte Parteien, die Jobbik zudem extrem antisemitisch und rassistisch. Allerdings sind die Wähler*innen nicht immer in diesen Punkten mit den Zielen identisch. Tucker machte deutlich, dass insbesondere Nordungarn früher vergleichbar war mit dem Ruhrgebiet, eine industriell geprägte Region. Heute sind die meisten Betriebe geschlossen. Not und Elend herrschen. Dadurch entstehende ethnische Probleme werden durch Jobbik geschürt. Schwer sei es, die Gewerkschaften für einen gemeinsamen Widerstand gegen Nazis zu gewinnen, da sie ihre besondere Aufgabe in der Lösung der sozialen Fragen sehen. Noch dazu sind die Gewerkschaften in Ungarn schwach und versuchen sich und die Lage ihrer Mitglieder zu halten. Die Mehrheit der Roma lebt in tiefer Armut. Ihr erstes Ziel ist es zu überleben. Deshalb ist es in Ungarn sehr schwer, antifaschistische Netzwerke aufzubauen, in denen verschiedene Organisationen, Vertretungen von Gruppen gemeinsamen Widerstand aufbauen.

Den Schlussbemerkungen der Podiumsteilnehmer*innen war gemeinsam, dass sie es als notwendig einschätzten, dass der Kampf um Arbeitsplätze, für bessere Löhne, für Gesundheit und andere soziale Fragen gestärkt und entwickelt werden muss. Dies ist eine der Herausforderungen an antifaschistische Arbeit heute.

Text: Bettina Jürgensen   Foto: Jochen Vogler, r-mediabase

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