Aus Bewegungen und Parteien

United Demo 2018 09 29 201.10.2018: Auch an diesem Wochenende wieder Zehntausende auf der Straße ++ 30.000 in Hamburg gegen Rassismus und Ausgrenzung ++ Newroz Duman: "Die AfD, die Neonazis, das BAMF und Horst Seehofer können sich warm anziehen:" ++ Tausende in Berlin und Köln gegen Erdoğan ++ 20.000 beim Waldspaziergang im Hambacher Wald

Der "Herbst der Solidarität" nimmt Fahrt auf. Nachdem bereits am 15./16. September in verschiedenen Teilen der Republik Großdemonstrationen gegen Mietwucher und soziale Ausgrenzung, gegen Rassismus und die AfD, für den Ausstieg aus der Kohle und gegen die Abholzung des Hambacher Waldes stattgefunden hatten (siehe "Ein Wochenende der Bewegungen"), gingen dieses Wochenende wieder Zehntausende auf die Straße:

Hamburg: Flagge gegen Fremdenhass, Ausgrenzung und Rassismus

United Demo 2018 09 29 4Mehrere Zehntausende Menschen sind am Samstag dem Aufruf des bundesweite Netzwerks "We'll Come United" gefolgt und haben in Hamburg Flagge gegen Fremdenhass, Ausgrenzung und Rassismus gezeigt.

Newroz Duman, Sprecherin des Netzwerks "We’ll Come United" meinte nachNewroz Duman United Abschluss der Kundgebung, dass dieser Samstag ein "Aufstand der Solidarität und ein Tag des Widerstands“ gewesen sei. "Die AfD, die Neonazis, das BAMF und Horst Seehofer können sich warm anziehen: Ihr Rechtsruck muss mit unserem entschlossenen Widerstand rechnen", sagte sie.

Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich über 30.000 Menschen an der Parade, die Polizei spricht von rund 20.000. Zur Parade mit über 40 Trucks hatten über 450 Gruppen aufgerufen, eine bunte Mischung aus jungen und älteren Demonstrant*innen. Sogar die Fans von HSV und St. Pauli protestierten gemeinsam mit ihren Fahnen gegen Rechts.

United Demo 2018 09 29 5Mit dabei auch die "Omas gegen Rechts", wie schon bei der großen "Seebrücke-Demonstration". "Omas Gegen Rechts heißt nicht, dass wir alle links sind“, betonen sie. Aber "wir haben gerade ein ähnliches Klima wie 1928“, sagen sie. "Aber noch können wir hinausgehen und unsere Meinung sagen, diese Chance müssen wir nutzen.


Auffallend die vielen Migrant*innen: "Jetzt reden wir. Die Mikros denen, die sie brauchen - um zu sagen wie es ist: Das Problem heißt Rassismus. Kommt alle, sagt es allen. UNITED AGAINST RACISM", ist ihre Losung.

Ihre Forderungen:

"Wir fordern einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp – für Roma, für Afghan*innen, für Dublin-Abschiebungen und alle anderen! Wir fordern ein Bleiberecht für alle, die jetzt und heute hier sind und Familiennachzug für alle.
Wir rufen alle solidarischen Menschen auf zum Widerstand und zum Ungehorsam gegen Abschiebungen – im Flugzeug, bei den Nachbarn, im Bürgerasyl und anderswo! Wir rufen Länder, Städte und Kommunen auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Abschiebungen auszusetzen.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Migration lässt sich nicht aufhalten. Wir kommen, wir sind hier, wir leben hier, wir arbeiten hier, wir zahlen steuern. Unsere Kinder spielen hier. Wir backen den Kuchen, deswegen fordern wir unseren Anteil. Rechte müssen für alle gelten, unterschiedslos und ohne Abstufung, unabhängig von Pass und Status.
Wir fordern gleiche soziale und politische Rechte, Freiheits- und Menschenrechte für alle Anwesenden – unterschiedslos und in ganz Europa. (…)"

Unter anderem hatten die Flüchtlingsräte aller Bundesländer zur Teilnahme an der antirassistischen Parade aufgerufen. Anlässlich ihrer gemeinsamen Konferenz in Stuttgart Anfang September erklären die Flüchtlingsräte ihre Besorgnis über die zunehmenden rassistischen Mobilisierungen und die medialen Debatten über Geflüchtete. Rechte Hetze dominiert die Migrationspolitik in Deutschland und Europa. Politik und Behörden setzen zunehmend auf Repressionen gegen Geflüchtete. Die von Bundeskanzlerin Merkel als gescheitert bezeichnete Dublin-Regelung wird dennoch brachial umgesetzt: Um Menschen abzuschieben, werden dabei elementare Freiheitsrechte eingeschränkt oder gar abgeschafft.

United Demo 2018 09 29 3Die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Sabine Leidig und Martina Renner, übergaben einen Scheck über 10.000 Euro als Fahrtkostenzuschuss vom Fraktionsverein der LINKEN, damit viele Geflüchtete in Hamburg dabei sein konnten.

Unübersehbar auf dieser Demo: Gegen die Stimmungsmache in Teilen von Politik und Gesellschaft haben sich viele selbstorganisierte Gruppen gemeinsam mit Geflüchteten zusammengefunden, die jenseits von politischen Parteien und Organisationen praktische Solidarität üben. Bereits am 13. Oktober 2018 bietet sich die nächste Gelegenheit, für eine solidarische Migrationspolitik Flagge zu zeigen: Das Bündnis #unteilbar solidarisiert sich mit Geflüchteten und organisiert eine Großdemonstration in Berlin.

Fotos von der Demo auf https://www.flickr.com/photos/162273904@N05/sets/72157701892702085


Berlin und Köln: Tausende gegen Erdoğan

Erdogan not welcome Demo 2Am Freitag zogen in Berlin 8.000 Demonstrant*innen, angeführt von einem starken Frauenblock, vom Potsdamer Platz zum Großen Stern. Weiter durfte sich die Demonstration dem Schloss Bellevue, in dem der türkische Staatschef mit dem Bundespräsidenten festlich dinierte, nicht nähern.

Auf der Abschlusskundgebung sprachen unter anderem ein Vertreter der exilierten "Akademiker für den Frieden" und der ehemalige HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız. Sie alle verurteilten die Zusammenarbeit mit dem Erdoğan-Regime scharf.

Sarıyıldız hob hervor, dass Deutschlands Unterstützung den Diktator in der Türkei zu noch brutalerem Vorgehen ermutige. Er verglich die Gleichschaltung von Justiz, Polizei und Armee mit dem Vorgehen der Nazis.

Yüksel Koç vom kurdischen Dachverband KCDK-E forderte die sofortige Einleitung eines Friedensprozesses und Freiheit für den "Architekten des Friedens Abdullah Öcalan". Statt Waffen zu liefern, müsse die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass in der Türkei ein Friedensprozess eingeleitet wird.

Rebecca von Seawatch und Welcome United kritisierte den staatlichen Rassismus scharf und sagte, dass Deutschland durch seine permanenten Waffenexporte immer wieder neue Fluchtursachen schaffe.

Rainer Braun vom Friedensbüro rief zu gemeinsamem Einsatz für den Frieden auf. Er sagte: "Erdoğan, der Verantwortliche für Kriege und Unterdrückung wird in Berlin empfangen – ihm wird der rote Teppich ausgerollt. Anstelle eines Staatsbanketts für Erdogan wäre eine Zelle in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof der richtige Platz. Erdoğan – you are not welcome!"

Am Samstag reiste Erdoğan zur Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee nach Köln. Auch dort erwarteten ihn massive Proteste. Mehrere tausend Menschen versammelten sich an der Deutzer Werft und skandierten: "Du bist nicht willkommen, Mörder Erdoğan".

  zum Thema
Erdoğan und Merkel: Lass uns wieder Freunde sein
 

Das Blut tausender Menschen klebe an den Händen dieses Diktators, der ein Kriegsverbrecher sei, sagte der Hamburger Völkerrechtsexperte Prof. Norman Paech und kritisierte die Bundesregierung scharf für den Empfang des türkischen Staatspräsidenten. Es sei eine Schande, dass die Bundesregierung Erdoğan zu einem Staatsempfang einlade; in der Türkei befänden sich unter der Erdoğan-Diktatur zahlreiche Akademiker, Journalisten und Politiker im Gefängnis. Paech unterstrich in seiner Rede auch den Krieg des türkischen Staates gegen die Bevölkerung Nordkurdistans, insbesondere von Cizîr (Cizre), Sûr (Sur) und Nisêbîn.

Yüksel Koç vom kurdischen Dachverband KCDK-E, sagte: "Erdoğan ist der Feind aller Völker der Welt und Freund des menschenverachtenden Islamischen Staates. Angela Merkel hat sich mit dem Empfang des türkischen Diktators zur Mitschuldigen gemacht." Koç sprach auch die erschwerte Isolationshaft des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan an und sagte: "Dieses Zustand akzeptieren wir nicht. Öcalan ist der Repräsentant des kurdischen Volkes. Für seine Freiheit werden wir uns weiterhin aktiv einsetzen".
(Quelle: ANF)

Logo Herbst der Solidaritaet
lesen Sie auch

Bewegungen rufen zum "Herbst der Solidarität"

 


Hambacher Forst: 20.000 Demonstranten beim Waldspaziergang

Hambacher Waldspaziergang 2018 09 30Der Hambacher Wald ist inzwischen zum herausragenden Symbol des Kampfes gegen den Klimawandel und für den Widerstand gegen die Arroganz der Herrschenden geworden. 20.000 Menschen (die Polizei spricht von mehr als 10.000) protestieren am Sonntagmittag in einem "Waldspaziergang" unter Führung des Aachener Waldführers Michael Zobel gegen die Rodung des Hambacher Forstes für den Braunkohletagebau. "Rettet den Wald vor der Profitwirtschaft", "Für Braunkohle haben wir Alternativen! Für unsere Erde nicht", lauteten einige der Losungen.

In verschiedenen Reden wurde die Wut der immer größer werdenden Bewegung über die Landesregierung und über RWE deutlich. Antje Grothus von der Initiative "Buirer für Buir" sprach von einer "unwürdigen Stimmungsmache" des Innenministers Herbert Reul (CDU), der seit Monate vor den kriminellen Aktivisten im Wald warne. "Dass es friedlich geblieben ist, passt der Landesregierung nicht ins Konzept", sagte sie, weswegen Reul immer weiter Öl ins Feuer kippe. Dirk Jansen, Geschäftsführer des Bundes für Natur und Umweltschutz (BUND), erklärte, es seien mittlerweile nicht mehr nur "ein paar Ökos", die gegen die Rodung des Hambacher Forstes protestieren, sondern Tausende ganz normale Bürger.

Hambacher Wald Demo LogoMichael Zobel ist sich sicher, dass der Druck aus der Bevölkerung für die Landesregierung und RWE zu groß wird: "Der Wald wird stehenbleiben." Auch der Schriftsteller Peter Wohlleben äußerte: "Ich bin tief davon überzeugt, dass der Hambacher Wald noch zu retten ist." "Es wird Zeit, dass die Politik das Recht der Bevölkerung über den Profit eines Unternehmens stellt", sagte er. Und weiter: "Dass das so eskaliert, zeigt, dass es ein Umdenken in der Gesellschaft gibt. Ähnlich wie bei den Protesten gegen die Atomwirtschaft, hat sich das auch hier immer mehr gesteigert. Wir sind an einem Kipppunkt. Es fehlt nicht mehr viel, bis RWE in seine eigene Grube fällt."

Die nächste Steigerung könnte am kommenden Samstag (6.10.) erfolgen. Es werden bis zu 50.000 Menschen für die angekündigte Demonstration "Wald retten - Kohle stoppen" erwartet.

Infos:
https://www.stop-kohle.de/
https://www.facebook.com/BuirerFuerBuir/