Aus Bewegungen und Parteien

Hambacher Wald 2018 10 06 107.10.2018: Wieder Zehntausende auf der Straße ++ 50.000 im Hambacher Wald: klare Absage an Braunkohle ++ Alexis Passadakis: "Fukushima-Moment der Klimabewegung" ++ RWE droht mit Arbeitsplatzvernichtung ++ München: 18.000 für saubere Luft, Klimaschutz und ökologische Landwirtschaft

50.000 Menschen kamen am Samstag (6.10.) zum Hambacher Wald. Ein starkes Signal für den Ausstieg aus dem Klimakiller Nr.1, der Braunkohle. Noch nie haben so viele Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren und politischen Parteien für den Kohleausstieg demonstriert.

Die VerteidiHambacher Wald 2018 10 06 3gung des Hambacher Waldes wurde zum Symbol des Widerstandes gegen den Klimawandel und zum Kristallisationspunkt ökologischer Proteste gegen die vom kapitalistischen Profitprinzip getriebene Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.

"Der heutige Protest ist eine klare Absage an die Braunkohle und darüber hinaus auch an ein auf Profitmaximierung ausgelegtes Gesellschaftssystem", meinte am Samstag eine Klimaaktivistin.

Alexis Passadakis (Attac) sagt über die politische Bedeutung der Demonstration: "Die vergangenen beiden Tage könnten so etwas wie der Fukushima-Moment der Klimabewegung gewesen sein. Durch die große Mobilisierung und auch die von der Bewegung erzwungenen juristischen Entscheidungen ist die Delegitimierung so groß geworden, dass der ganze Kohlekomplex endlich ins Rutschen kommen könnte. So etwas fällt aber nicht vom Himmel. Die Diskursverschiebung ist Ergebnis von acht bis zehn Jahren Bewegungsaufbau und transnationaler Vernetzung. Das Ganze ist ein komplexes Bewegungsphänomen, das jetzt Früchte trägt."

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"Ich bin glücklich über Zigtausende, die für Klimaschutz statt Kohle auf den Beinen waren beim Hambacher Wald - teils viele km: Abstimmung mit den Füßen. Die Niederlage für RWE und die Blamage für NRW sind schön abzusehen. Viel Rückenwind für sozialökologischen Gerechtigkeit!"
Sabine Leidig (MdB DIE LINKE, Vorstandsmitglied marxistische linke; auf dem Foto zweite von rechts)

 

 

Aufwind bekamen die Demonstrant*innen durch die krachenden Niederlagen, die RWE und die schwarz-gelbe Landesregierung am Freitag vor Gerichten einstecken mussten.

Vorläufiger Rodungsstopp

Zuerst verhängte am Freitagvormittag das Oberverwaltungsgericht (OVG) für Nordrhein-Westfalen in Münster einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Wald, bis eine Klage des Bundes für Natur und Umweltschutz Deutschland (BUND) entschieden sei. Das kann Monate, ja sogar Jahre dauern.

Das Gericht glaubte nicht der Erklärung von RWE, dass die Energieversorgung Deutschlands gefährdet sei, wenn der Wald nicht gerodet und die darunter liegende Braunkohle gefördert werden könne. Das OVG stellt dementgegen fest: "Die Bezirksregierung Arnsberg und die RWE Power AG hätten auch weder substantiiert dargetan noch durch entsprechende Unterlagen belegt, dass die sofortige Rodung zur Abwehr einer schwerwiegenden konkreten Gefahr oder als unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre. Daher sei es nicht gerechtfertigt, durch die Rodung des Hambacher Forsts vollendete Tatsachen zu schaffen, die zudem die unionsrechtlich geschützten Gemeinwohlbelange des Gebiets- und Artenschutzes irreversibel beeinträchtigen könnten." (Pressemitteilung Oberverwaltungsgericht Münster)

So könnte dieses Wochenende zu dem Tag werden, "an dem der Kohleausstieg der Bundesrepublik Deutschland besiegelt wurde". (Spiegel online)

RWE: PR- und Aktiendesaster

Für RWE ist die Gerichtsentscheidung ein Desaster. Der Börsenwert schrumpfte an einem einzigen Tag um fast eine Milliarde Euro. RWE verschickte umgehend eine Gewinnwarnung an seine Anleger. Von 2019 an könne es allein durch den Rodungsstopp zu einem jährlichen wirtschaftlichen Schaden von Hunderten Millionen Euro kommen, weil die an den Tagebau Hambach angeschlossenen Kraftwerke Neurath und Niederaußem nicht mehr mit Kohle beliefert werden könnten. Und natürlich warf der Konzern sofort die Angstmacher- und Spaltungsmaschine an: Die Arbeitsplätze von etwa 4.600 RWE-Beschäftigten stünden auf dem Spiel.

Franz Alt meint: "Die Manager von RWE sind ihr Geld nicht wert. Sie haben mit ihrer unfassbaren Dummheit ihren eigenen Konzern vollends an den Abgrund geführt. Die RWE-Aktie kennt nur noch eine Richtung: gnadenlos nach unten. Wieder einmal hat sich gezeigt: Je höher die Gehälter, desto größer die Flaschen an der Konzernspitze.
70% der Deutschen sind gegen die Rodung, 92% wollen den raschen Umstieg auf erneuerbare Energien. Doch RWE wollte noch weitere tausende Menschen umsiedeln und sie ihrer Heimat berauben - wegen der Braunkohle, Politik aus dem letzten Jahrtausend.
In einer funktionierenden Demokratie steht der Wille des Volkes an erster Stelle. Stattdessen zelebrierte die CDU-FDP-Regierung in Düsseldorf ihre totale Abhängigkeit von RWE." (Franz Alt: "RWE verliert - die Demokratie gewinnt", heise, 6.10.2018)

Gericht hob Demo-Verbot der Polizei auf

Der zweite gerichtliche Erfolg für die Klimaaktivist*innen kam am Freitagnachmittag: Das Verwaltungsgericht Aachen hob das von der Aachener Polizei am Donnerstag ausgesprochene Demoverbot auf. Damit war der legale Weg an den Hambacher Wald geöffnet. 50.000 Menschen kamen. Die Demo und Kundgebung ein einziges Fest - und die Ansage an RWE und die Landesregierung: der Widerstand geht weiter! Kohlekraftwerke abschalten!

Die Berichterstattung der "Infozentrale" aus dem Hambacher Forst und Bilder von der Demo findet Ihr hier.

 

München: 18.000 für saubere Luft, Klimaschutz und ökologische Landwirtschaft

Mia hams satt 0Parallel zur Demo im Hambacher Wald fand in München die fünfte Großdemonstration dieses Jahres statt. Nur drei Tage zuvor waren 40.000 Menschen unter dem Motto: "Jetzt gilt’s! – Gemeinsam gegen eine Politik der Angst" auf die Straße gegangen. (siehe auf kommunisten.de: "Das widerständige Bayern zeigt Gesicht")

Am Samstag kamen 18.000 Menschen aus allen Regionen Bayerns nach München, um für eine "ökologische, tiergerechte und bäuerliche Landwirtschaft und gesundes Essen. Für saubere Luft, lebenswerte Städte und den Erhalt unserer wunderschönen, vielfältigen Kultur- und Naturlandschaft" zu demonstrieren. (Aufruf "Mia ham's satt") 

Über 80 Organisationen hatten zu der Demo aufgerufen. Der Bund Naturschutz, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL, der Landesverband für Voglschutz und das Aktionsbündnis "Artgerechtes München" gehören ebenso dazu wie zum Beispiel der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, das Umweltinstitut München und die Startbahngegner von "aufgeMUCkt".

Angeführt von 20 Traktoren und dem Block der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft zog die Demo durch München - mit vielen selbstgemalten bunten Plakaten, in Tier-Kostümen und mit Transparenten.

Eine Woche vor der Landtagswahl machten die Teilnehmer*innen ihrem Unmut Luft: über die Agrarpolitik der CSU, die die agrarindustrielle Produktion mit Massentierhaltung und Umweltzerstörung an erste Stelle setzt; über die Zubetonierung der Landschaft; über das Artensterben durch den genehmigten Einsatz von Glyphosat und Insektenkillern.

"Wir lassen Bayern nicht verSödern", "Nicht mein Ministerpräsident", "Bauernhöfe statt Agrarfabriken, "Das ist nicht das Bayern, das wir wollen", stand auf den selbstgemalten Schildern. Eine Kindergruppe traf mit ihrem Slogan "Sägt am Horst, und nicht am Forst!" die Stimmung haarscharf. Und so war immer wieder zu hören "Hambi bleibt!" Begleitet wurde die Demo von zahlreichen Motivwagen– unter anderem einer riesigen Betonwelle, einem Megastall-Laster und einem Pestizidsarg.

"Es geht um viel: um das Weiterbestehen der Bauernhöfe als Existenzgrundlage der bäuerlichen Familien, um die Lebensgrundlagen, Bodenfruchtbarkeit, Trinkwasser und gesunde Lebensmittel für die ganze Bevölkerung, und um faire Bedingungen und Chancen für die Menschen auf den anderen Kontinenten", sagte der Vertreter der AbL, Josef Schmid.

"Kurz vor der Wahl machen wir klar, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit Priorität haben müssen. Die BürgerInnen wollen keine Pestizide, keine Megaställe, keine Betonwüsten und keinen Smog. Was wir brauchen ist eine zukunftsfähige und umweltverträgliche Agrar- und Verkehrspolitik, die Artenvielfalt, bäuerliche Landwirtschaft und Natur schützt", rief Chris Methmann von Campact den Tausenden auf dem Königsplatz zu.

Mit Riesenapplaus wurde die Nachricht aufgenommen, dass sich am Hambacher Wald 50.000 Demonstrant*innen versammelt haben.

Zahlreiche Musiker*innen unterstützten den Protest und spielten für die Demonstrant*innen und ein besseres Leben in Bayern und der Welt: Schmidbauer & Kälberer, dicht&ergreifend, Hundling, Hans Well mit den Wellbappn und die Folkshilfe.

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Fotos 1, 2 und 3: Umweltinstitut München