Deutschland

23.02.2010: Schlecht gelaufen ist es die Tage für den amtierenden NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Elf Wochen vor den Landtagswahlen musste er seinen CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst in die Wüste schicken. Der ist „zurückgetreten“, weil er plötzlich zu der Einsicht gelangte, nicht mehr zum Erfolg der CDU bei den Wahlen beitragen zu können. Was war passiert?

Der Generalsekretär hatte potentielle Sponsoren zur Teilnahme am bevorstehenden Landesparteitag anwerben wollen. Für 20 000 Euro wurde Kunden ein sogenanntes „Partnerpaket“ für den Parteitag angeboten, das neben einem mehr als 15 Quadratmeter großen Stand auch „Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen“ versprach.

Für 14 000 Euro bot die CDU eine Ausstellungsfläche von 10 bis 15 Quadratmetern – eine vertrauliche Unterredung wurde dafür nicht angeboten, stattdessen ein „Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen“. Das jetzt bekannt gewordene Schreiben an die Sponsoren beginnt mit den Worten: „Die CDU Nordrhein-Westfalen bietet Ihnen wieder die Möglichkeit, sich mit Ihrem Unternehmen auf unserem Landesparteitag zu repräsentieren und mit Politik und Medien in einen Dialog zu treten.“ Generalsekretär Wüst bedauerte zunächst, dass mit dem Schreiben ein „falscher Eindruck“ einstehen könne. CDU-Bundestagspräsident Lammers, dem NRW-Landesverband zugehörend, äußerte in der „Saarbrücker Zeitung“, dass das Schreiben politisch selten dämlich sei.

Der Mann fürs Grobe war von Rüttgers nach dem Sieg bei den Landtagswahlen angeheuert worden. Hendrik Wüst war von 2000 bis 2005 bei einer Unternehmensberatung in Berlin tätig. Nebenher war er bis zu seinem Antritt als Generalsekretär der CDU im Jahre 2006 Landesvorsitzender der Jungen Union und enger „Kampfgefährte“ von einem Philipp Missfelder. Rüttgers brauchte diesen Mann, weil der – wie er bei dessen Antritt sagte – „beherzt Politik anpacken und durchsetzen“ könne. Während Rüttgers sich selbst wegen seiner 44 Prozent bei der Landtagswahl im Jahre 2005 zum Vorsitzenden der Arbeiterpartei kürte und inzwischen immer mehr die Rolle des Landesvaters spielt, ließ er seinen Wüst die wüsten Sachen machen.

Der sorgte für die Angriffe auf die Landtagsopposition und insbesondere auf die SPD. Er ließ sogar die öffentlichen Auftritte der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft per Video aufzeichnen, um daraus Wahlkampfmunition zu sammeln. Er sahnte auch kräftig selbst ab. Im Dezember 2009 flog auf, dass er doppelte Zuschüsse für seine private Krankenversicherung und sogar seine Pflegeversicherung kassiert hatte – einmal von der CDU und ein andermal vom Landtag. Das Verfahren wurde schnell eingestellt. Das zuviel eingenommene Geld hat er inzwischen zurückgezahlt. Die Abkassierungsmentalität ist jedoch ungebrochen, wie das „Partnerpaket“-Angebot zeigt.

Jürgen Rüttgers will Genaueres nicht gewusst haben. Jetzt suchte und fand er mit dem unverwüstlichen Wüst ein Bauernopfer. Übrigens: Die Praxis mit dem „Sponsering-Paket“ wird laut einer Recherche des Westdeutschen Rundfunks seit dem Herbst 2004 angepriesen. Damals war Wüst noch nicht im Amt – der Landesvorsitzende der CDU hieß Jürgen Rüttgers. Nicht nur für Landesparteitage, sondern auch für verschiedene Kongresse und Konferenzen wurden diese Deals ausgeschrieben. Und für März 2010, für den CDU-Landesparteitag, wurde ein besonderes Ereignis offeriert. Wörtlich heißt es in dem Wüst-Angebot: „Als besonderen Höhepunkt können wir auf die Teilnahme unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und auf Mitglieder der Bundesregierung verweisen.“

Der Herr Oppermann von der SPD-Bundestagsfraktion hat ja Recht, wenn er diese Machenschaften kritisiert: „Wenn CDU-Ministerkontakte käuflich zu erwerben sind, ist das nichts anderes als Anbahnung politischer Korruption.“ Seine SPD hat in NRW gegenwärtig keine Ministerposten, aber Sponsering- Angebote“ – allerdings ohne Politikerkontakt – offeriert auch sie bei ihren Veranstaltungen. Es kostet bei der SPD nur etwa die Hälfte.

Wie wird sich nun diese Praxis des Kaufs von Gesprächen mit Politikern auf die Stimmenergebnisse niederschlagen, bleibt die spannendste Frage. Bevor die CDU aufflog, ermittelten die Meinungsforscher, dass die CDU/FDP-Koalition in NRW keine Mehrheit mehr habe und das Wahlziel von Rüttgers, „40 Prozent Plus“, illusorisch sei. Und ob die Partei der Steuerbetrüger und Sozialbetrüger außer der eigenen Klientel Honig aus den Auftritten des Guido Westerwelle saugen kann, lässt die „Liberalen“ gegenwärtig um ihre Pfründe fürchten. Die SPD konnte in dieser Gemengelage bislang keinen Nutzen für sich daraus ziehen, sie steht bei den Umfragen immer noch hinter ihrem schlechten Ergebnis von 2005. Allein die Grünen wähnen sich schon auf der „Rolltreppe zur Staatskanzlei“. Ihr Wunschergebnis „FDP = Für Drei Prozent!“ Wenn ihr gegenwärtiger demoskopisch errechneter Höhenflug auch am Wahlabend Realität werden würde, stehen sie als Koalitionspartner bereit – sowohl für einen nach dem Strohhalm der Regierung greifenden Rüttgers, als auch für den „Wunschpartner SPD“. Dem letzteren raten sie genüsslich: „Der Genosse der Bosse ist kein Kanzler mehr, und Clement ist ganz ausgetreten. Ihr könnt wieder Arbeiterführer werden.“

Alle vier Landtagsparteien fürchten natürlich eines wie der Teufel das Weihwasser: Den Einzug der Partei „Die Linke“ ins Düsseldorfer Parlament. Unentwegt ist Rüttgers unterwegs und warnt vor der roten Flut: „Das ist eine Versammlung von Chaoten und Radikalen“, schimpft Rüttgers und wirft den Sozialdemokraten vor, das Verhältnis zur Linkspartei nicht geklärt zu haben. Ebenso gehässig schallt es von der SPD zurück: „Die sind weder koalitionswillig noch fähig.“ Und auch in den Medien wird die Partei „Die Linke” bis auf die Fünf-Prozent-Marke herunter geschrieben. Die Landtagsverwaltung hingegen geht schon mal vom Ernstfall aus, dem Einzug von Abgeordneten der Partei „Die Linke“ in den NRW-Landtag. Da diese Partei für Koalitionen offensichtlich nicht zur Verfügung steht, würde die Landtagsverwaltung sie deshalb auch gern in angemieteten Räumen außerhalb des Landtages unterbringen.

Text: Rolf Priemer (Vorabdruck aus UZ vom 26.02.2010)  Fotomontage: mami