Deutschland

26.05.2010: Der Rücktritt des politischen Scharfmachers Roland Koch muss zunächst rundum begrüßt werden. Auch wenn es politisch wertvoller gewesen wäre, wenn die bereits erfolgte Abwahl durch die hessischen BürgerInnen vor knapp zwei Jahren parlamentarisch realisiert worden wäre.

Wer jedoch schreibt, Kochs Entscheidung sei souverän, verkennt die Lage. Dass Koch kaum eine Chance hatte, noch einmal eine Wahl in Hessen zu gewinnen, wusste er selbst am Besten. Frau Merkel wiederum mag ihn zu Zeiten geschätzt haben, nach Kochs jüngsten Provokationen hat sie mehr als deutlich gemacht, dass dieser von ihr jeden Posten haben konnte, nur keinen, den er wollte. Die Kanzlerin duldet neben sich keine eigenständigen Politiker. Da folgt sie dem Beispiel Kohls. Berlin blieb Koch so versperrt, Brüssel wollte er nicht.

Am Tage seines Rücktritts sagte Koch beziehungsreich, die Reaktionen darauf hätten ihn in seinem Schritt bestätigt. So redet niemand, der sich ohne Hintergedanken zurückzieht. Koch ist ein Mann mit gewissen Grundsätzen, auch wenn selbst das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen schreibt, er sei ein reiner „Durchzieher“ ohne inneren Bezug zu irgendwelchen Überzeugungen. Richtig ist, dass Koch wie sonst nur Westerwelle den Eindruck eisiger Kälte vermittelt, sodass bei beiden die Glaubwürdigkeit so ziemlich dahin ist.

Vor allem anderen jedoch ist Koch wie alle bürgerlichen Politiker ein Mann des Kapitals, dem er durch vielerlei Bande – soziale und ideologische – verpflichtet ist. Man weiß dort durchaus Nestwärme zu erzeugen. Und wenn sie aus einem warmen Nest im Tessin besteht. Oder einem lukrativen Pöstchen in der „Wirtschaft“.

So weit sind wir noch nicht ganz. Koch bleibt in der gegebenen Krisen-Situation eine Option auf eine andere, schärfere Variante bürgerlicher Herrschaft, falls es der Kanzlerin nicht gelingt, die Massen weiter zu schröpfen und gleichzeitig ruhig zu halten. Dass Koch auf einen solchen Ruf wartet, darauf weist auch das vorläufige Verbleiben im Amt hin.

Insofern ist sein Rücktritt als der berühmte Wurf des Hutes in den Ring zu verstehen. Klagen der konservativen Scharfmacher über seinen Verlust sind durchaus taktisch zu verstehen, zumal aus dem hessischen Stall von Koch noch andere wie die ultrakonservative Ministerin Köhler-Schröder in der Führungsreserve stehen. Entwarnung kann in keinem Fall gegeben werden. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Text: Adi Reiher (Vorabdruck aus UZ vom 28.05.10)  Fotomontage: © alles-schlumpf