Deutschland

31.05.2010: Zum überraschenden Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel:

Wenn Bundespräsident Köhler wegen seiner umstrittenen Äußerungen über die Bundeswehreinsätze sein Amt niederlegt, dann hat das eine gewisse Konsequenz. Seine Interviewäußerung vor gut einer Woche, wonach es deutschen Interessen entspräche, wenn die Bundeswehr zum Schutz von Handelswegen in Auslandseinsätze geschickt werden könne, war vielleicht ein zu offenes Wort zur falschen Zeit.

Die Kritiker aus den etablierten Parteien, die ihm das Wort übel genommen haben, müssten aber wissen, dass der Sachverhalt selbst längst zum Kernbestand der offiziellen Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik gehört. Die Rohstoffsicherung und das Freihalten von internationalen Handelswegen waren bereits in den Verteidigungspolitischen Richtlinien vom November 1992 (ähnlich wiederholt in den VPR vom Mai 2003) sowie in den Verteidigungs-Weißbüchern 1994 und 2006 als Aufgabe der Bundeswehr zugewiesen worden. Köhler plapperte auf seine unnachahmliche schlichte Art nur aus, was andere eleganter formuliert hatten - und was die Bundeswehr seit langem praktiziert, auch wenn die Kriege gegen Jugoslawien oder in Afghanistan anders begründet werden.

Der Rücktritt trifft also den richtigen, aber eben leider nicht alle potenziellen Kandidaten. Bundeskanzlerin Merkel (aber auch schon ihr Vorgänger Schröder), Verteidigungsminister zu Guttenberg (aber selbstverständlich schon die Amtsvorgänger Scharping, Struck und Jung) müssten ihren Hut bzw. ihr Barett nehmen. Denn was sie an Militäreinsätzen befohlen haben und immer noch befehlen, ist weder vom Völkerrecht noch vom Grundgesetz gedeckt. Wer daran denkt, einen Krieg aus wirtschaftlichen Gründen zu führen, verstößt gegen das allgemeine Kriegsverbot. Im Grundgesetz heißt es hierzu: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." (GG Art. 26,1)

Der Rücktritt Köhlers nährt den Verdacht, als sollte sich jemand, der sich nur ungeschickt ausgedrückt hat, selbst aus dem Verkehr ziehen, damit die anderen ungestört ihre Kriege weiter betreiben können. Etwa nach dem Muster: So etwas sagt man nicht, so etwas tut man.

Horst Köhler weint die Friedensbewegung keine Träne nach. Ihr kommen vielmehr die Tränen, wenn sie an diejenigen denken, die noch in ihren Ämtern verbleiben.

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag: Peter Strutynski (Sprecher)

Foto: (cc) tgoldkamp (vom Kirchentag in München 2010)