Deutschland

weiler schaut hin23.04.2013: Am 10. April 2011 fand der brutale, feige, hinterhältige, rassistische Brandanschlag auf ausländische Migranten in Winterbach, Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg, statt. Im zweiten Winterbach-Prozess hat nun das Landgericht elf rechtsradikale Angeklagte zu Haftstrafen bis zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass diese sich an der Hetzjagd auf mehrere türkische und italienische Migranten beteiligt hatten. In ihrer Todesangst flüchteten die Gejagten in eine Gartenhütte, die kurz darauf Feuer fing. Nur in letzter Sekunde konnten sie aus der Hütte flüchten und somit dem Feuertod entrinnen. Die Vorsitzende Richterin Hess sagte dazu. Die Migranten „hatten Todesangst; sie hatten Angst in der Hütte zu verbrennen oder bei der Flucht zusammengeschlagen oder umgebracht zu werden.“ Sie mussten um ihr Leben rennen. Bei der anschließenden Hetzjagd wurden acht Menschen zum Teil schwer verletzt, mit bleibenden körperlichen und psychischen Schäden.

Ungeklärt blieb beim Prozess wer von den Angeklagten die Hütte tatsächlich angezündet hat. In diesem zweiten Prozess wurde weiter „gemauert, verschleiert und gelogen bis sich die Balken bogen“, wie es im Urteilsspruch des ersten Prozesses heißt. Mehr noch, die Täter, wer sie auch gewesen seien, wurden gedeckt. Gericht und Staatsanwaltschaft wurden von den Verteidigern der Anklage, die teils selbst wie Steffen Hammer aus dem rechtsradikalen Spektrum kommen, verhöhnt und mit Häme und Spott übergossen. Die Verteidiger versuchten die rassistische Straftat zu einem Streit unter alkoholisierten Jugendlichen herunter zu spielen und die Opfer zu Tätern zu machen. Der Brand der Hütte sei weder den Angeklagten noch den anderen Gästen der rechtsradikalen Party zu unterstellen, so ihre Argumentation.

Auch im zweiten Prozess der über acht Monate ging mit 40 Verhandlungstagen konnte nicht geklärt werden ob es vorsätzliche Brandstiftung, Mordversuch oder „nur“ Körperverletzung war. Dies sei auch auf Pannen bei den polizeilichen Ermittlungen zurück zu führen. Das Bündnis Rems-Murr Nazifrei stellt dazu fest, die Polizei hätte manche Spur „recht oberflächlich“ verfolgt und nicht jede polizeiliche Vernehmung sei „optimal“ gelaufen. Ob dies Pannen, Fehler, Versäumnisse, Versagen oder ob System dahinter stecke war nicht Gegenstand des Prozesses. Doch für das Gericht war klar es handle sich hier um einen extrem ausländerfeindlichen Anschlag.

Anlässlich dieses brutalen neofaschistischen menschenfeindlichen Übergriffs auf unsere ausländischen Mitbürger gab es bei nicht wenigen ProzessbeobachterInnen Unverständnis über dieses Urteil. Es ist unbefriedigend. Dem Kommentator der Stuttgarter Nachrichten vom Freitag dem 19. April 2013 ist zuzustimmen. Der Prozess „Winterbach 2 … ist mit einem unbefriedigenden Urteil zu Ende gegangen. Wer … die Hütte tatsächlich angezündet hat bleibt ungeklärt. … Nicht wegen versuchten Mordes oder Brandstiftung ergingen die Urteile, sondern lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung. Es bleibt ein schaler Beigeschmack.“

Ob die ganze Wahrheit des Winterbacher Mordanschlags jemals ans Licht kommt ist ebenso ungewiss wie beim anstehenden Prozess gegen den NSU. Was bleibt ist die lückenlose Aufklärung und Bestrafung solcher Verbrechen und ihren TäterInnen. Notwendig ist, dass sich Antifaschisten gemeinsam und aus den unterschiedlichsten Beweggründen den Faschisten in den Weg stellen. Den Stiefelfaschisten ebenso wie ihren Hintermännern und Ideologen. Notwendig ist Aufklärung und Wachsamkeit gegenüber dem latenten Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft.

Text: Dieter Keller   Foto: Initiative Rems-Murr