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Ukraine Treff Ramstein 2022 04 2628.04.2022: "Koalition der Willigen" in Ramstein für Eskalation des Krieges ++ USA und transatlantisch, bellezistisch orientierte Fraktionen verstärken Druck auf "Zauderer" Scholz ++ Scholz macht einen Rückzieher: Deutschland liefert "Gepard"-Panzer und bildet Artillerie-Truppen aus ++ NATO ist jetzt Kriegspartei ++ Russlands Außenminister warnt vor drittem Weltkrieg ++ Diplomatie und Verhandlungen werden durch die Beschwörung ersetzt, vor Atomkriegen müsse man keine Angst haben

 

 

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte Minister und Militärs aus der ganzen Welt für Dienstag (26.4.) zu einer Konferenz zum Ukraine-Krieg auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein eingeladen. Es werde eine Zusammenkunft derjenigen, die daran interessiert seien, die Ukraine bei ihrem Widerstand "gegen die russische Invasion zu unterstützen", erklärte Pentagon-Pressesprecher John Kirby im Vorfeld der Veranstaltung. Ziel sei es, das ukrainische Militär zu modernisieren sowie sicherzustellen, dass es auch in Zukunft "schlagkräftig" sei.

Austins Botschaft für das Treffen war: "Die Ukrainer können gewinnen, wenn sie die richtige Ausrüstung haben." "Himmel und Hölle" wollen die USA in Bewegung setzen, damit Kiew auf dem Schlachtfeld siegt, sagte Lloyd Austin in seiner Eröffnungsrede, an dem Regierungsvertreter*innen und Militärs aus 40 Ländern, darunter auch Verteidigungsminister und Militär-Stabschefs von Staaten, die nicht der NATO angehören, teilnahmen.

Transatlantisch, bellezistisch orientierte Fraktionen verstärken Druck auf "Zauderer" Scholz

Dass sich die US-Regierung gerade Ramstein als Schauplatz für das Treffen ausgesucht hat, dürfte kein Zufall sein. Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, Drehkreuz für die US-Kriege und Relaisstation beim Einsatz von Killerdrohnen in Ländern seiner Wahl, auch Sitz einer Nato-Luftkriegszentrale, ist rechtlich, aber sonst nur theoretisch deutsches Hoheitsgebiet. Mit der Wahl Ramsteins als Ort der Konferenz hat die US-Regierung einmal mehr deutlich gemacht, wie weit es her ist mit der Souveränität von NATO-Mitgliedsländern.

Vor allem geht es der US-Regierung darum, sich in die innerdeutsche Debatte einzumischen und den Druck auf Berlin zu erhöhen, schwere Waffen zu liefern. Denn bislang bremste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und warnte vergangene Woche zum wiederholten Male, "Deutschland und die NATO" drohten in diesem Fall "Kriegsparteien in der Ukraine" zu werden. Auf Einwände wie die Äußerung von Bundesjustizminister Marco Buschmann, rein völkerrechtlich könne man mit Waffenlieferungen nicht zur Kriegspartei werden, erklärte Scholz, das sei realitätsfern: "Es gibt kein Lehrbuch für diese Situation, in dem man nachlesen könnte, ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden. … Das Buch" werde vielmehr "täglich neu geschrieben, manche Lektionen liegen noch vor uns". Man müsse alles tun, "um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden". Eine weitere Eskalation könne direkt "zu einem dritten Weltkrieg" führen, hielt Scholz fest: "Es darf keinen Atomkrieg geben."

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Während Scholz vor einem Dritten Weltkrieg warnte, verstärkten die transatlantisch, bellezistisch orientierten Fraktionen nicht nur der Opposition, sondern auch der Bundesregierung – unterstützt von einer verheerenden Medienkampagnen gegen den "Zauderer Scholz" - ihren Druck auf Scholz. CDU-Vorsitzender Friedrich Merz drohte, ihn im Bundestag mit Hilfe von FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu überstimmen will und die FDP-Militärpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stellte seine Kanzlerschaft in Frage.

Scholz knickt vor bellezistischen Transatlantikern ein

Die ungewöhnliche Ortswahl erfüllte die Hoffnung der US-Regierung und der bellezistischen Transatlantiker: Durch den unterschwellig aufgebauten Druck hat die Bundesregierung am Ende nachgegeben und der Ukraine nun doch die Lieferung von schweren Waffen wie etwa Panzern zugesichert – entgegen allen früheren und durchaus berechtigten Bedenken.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die sich von der Einladung "erfreut" zeigte und ihrem US-Amtskollegen Lloyd Austin für die Initiative zu der Zusammenkunft in Ramstein dankte, kündigte dort den Kurswechsel der Regierung Scholz öffentlich an. Die Bundesregierung habe "grünes Licht" für die Lieferung gebrauchter Flugabwehrpanzer vom Typ "Gepard" gegeben. "Das ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht, um den Luftraum vom Boden aus zu sichern", erklärte Lambrecht.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin reagierte denn auch begeistert. Deutschland sei "ein toller Freund und Verbündeter" der USA, sagte er zu der Entscheidung der Bundesregierung erstmals schweres Militärgerät aus westlicher Produktion nach Kiew zu liefern und nicht mehr nur Restbestände aus der DDR.

Ruestung GepardpanzerIm Einzelnen handelt es sich um 50 auf den neuesten Stand gebrachte Gepard-Flugabwehrpanzer, die von der Bundeswehr ausgemustert wurden. Zusätzlich ist Berlin auch bereit, den Rüstungskonzernen Krauss-Maffei und Rheinmetall zu genehmigen, 88 Leopard-1-Panzer des Typs A-5 und die rund hundert Marder-Panzer, die seit Wochen ganz oben auf der Wunschliste von Wolodymyr Zelenskij stehen, nach Kiew zu liefern. Das Angebot von Rheinmetall beinhaltet neben der Lieferung der Panzer auch die Ausbildung der Besatzung in Deutschland, Training für die Instandsetzung, Werkzeug, Ersatzteile, einen Servicestützpunkt und Munition.

Damit nicht genug, wird die Bundesrepublik zusätzlich zu den gepanzerten Fahrzeugen auch 100 Panzerhaubitzen an die ukrainische Armee liefern, denn - so Verteidigungsministerin Christine Lambrecht - "wir alle wissen, dass die Artillerie ein entscheidender Faktor in diesem Krieg ist". Mit den USA habe man sich zudem darauf geeinigt, ukrainische Truppen künftig an Artilleriesystemen auf deutschem Boden auszubilden, erklärte Lambrecht.

Der Gesamtwert des Kriegsaustauschs: etwa zwei Milliarden Euro, die von Deutschland oder der NATO zu zahlen sind.

Die Panzer werden mit ziemlicher Sicherheit über die üblichen Dreiecksgeschäfte geliefert, angefangen bei der direkten Lieferung der Hersteller an die ukrainischen Streitkräfte. Im Entwurf für einen gemeinsamen Antrag im Bundestag sprechen sich SPD, Grüne und FDP dafür aus, "die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtauschs zu erweitern, ohne die Fähigkeit Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden". Mit Ringtausch ist gemeint, dass NATO-Partner Waffen sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben, da deren Armee damit vertraut ist, und dafür von Deutschland Ersatz erhalten.

Doch der Trick, mit dem die Vergeltung Moskaus vermieden werden soll, funktioniert immer weniger: Die deutschen Panzer entsprechen genau den Waffen im Fadenkreuz des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der es nicht versäumt hat, den NATO-Ländern zu sagen, wo (laut Moskau) der Abgrund zum Dritten Weltkrieg liegt. Damit ist der Widerstand von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen eine Eskalation, der bis gestern unnachgiebig schien, beendet: Der sozialdemokratische Regierungschef hat sein Versprechen gebrochen, Deutschland aus einem Frontalzusammenstoß mit Russland herauszuhalten.

Scholz und Lambrecht müssen jetzt nur noch das Problem mit der Munition für den Marder-Panzer lösen, die in der Schweiz hergestellt wird. Die Regierung in Bern hat sich bereit erklärt, sich an den Sanktionen gegen Russland zu beteiligen, will aber nicht auf Putins Liste der Mitkriegsparteien landen. Berlin darf die Ukrainer nicht mit in der Schweiz gekaufter Munition beliefern, heißt es im Brief des Schweizer Wirtschaftsministeriums, das ein Exportverbot verhängt hat, weil "der Endempfänger ein Land ist, das in einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist, und unser Neutralitätsgesetz dies nicht zulässt". Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Regierung Scholz bereits einen Plan B vorbereitet: Die Geschosse für die 35-mm-Kanonen, die auf den Türmen der für Kiew bestimmten Marder montiert sind, werden von Brasilien geliefert.

NATO und Deutschland sind jetzt direkt am Krieg beteiligt

Die Bildung einer "Koalition der Willigen" in Ramstein und die Entscheidung, die Ukraine militärisch nun noch einmal erneut und erheblich durch schwere Waffen aufzurüsten, macht aus dem Krieg in der Ukraine nun einen Stellvertreterkrieg, aber auch einen, in dem die westlichen Länder - auch Deutschland - mit eigenem Personal - militärischen Beratern und Ausbildungspersonal - selbst beteiligt sind. Einen Krieg, der leicht auch zu einem Atomkrieg führen kann. Die Sache wird immer gefährlicher, weil Diplomatie und Verhandlungen immer weniger eine Chance haben und durch die Beschwörung ersetzt werden, vor Atomkriegen müsse man keine Angst haben.

Unterdessen warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag in einem Interview des russischen Fernsehens, die Gefahr eines dritten Weltkriegs sei "ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden".

Trotz der Warnungen vor einer atomaren Eskalation verteidigt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Entscheidung der Bundesregierung, der Ukraine nun doch schwere Waffen zu liefern. Welche weiteren Schritte Russland in dem Krieg noch gehen werde, liege allein im Ermessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, entgegnete die Grünen-Politikerin am Mittwoch im Bundestag auf die Frage, welche Rolle bei der Entscheidung die reale Gefahr eines Atomkrieges gespielt habe. "Deswegen können wir auch nichts komplett ausschließen", ergänzte sie.

Soldaten in Ukraine KiesewetterUnd die Eskalationsspirale dreht sich immer weiter. Schon jetzt haben der polnische Präsident Andrzej Duda, CDU/CSU-Oppositionsführer Friedrich Merz, PEN-Präsident Deniz Yücel, der Historiker Karl Schlögel und eine Journalistin in DIE WELT die direkte Beteiligung von NATO-Truppen, d.h. den Beginn eines Dritten Weltkriegs, ausdrücklich gefordert oder als Möglichkeit in den Raum gestellt - ob aus grenzenloser sicherheitspolitischer Naivität, zynischer politischer Taktiererei oder emotional aufgepeitschtem Irrsinn, sei dahingestellt.

Ziel: Regimewechsel in Russland

Nach den Äußerungen us-amerikanischer Abgesandter in Kiew in den letzten Tagen war nun London an der Reihe, die wahren und langfristigen Ziele der Militärhilfe für die Ukraine anzudeuten: nicht nur die russische Armee zurückzuschlagen - eine legitime Option, wenn man bedenkt, dass Russland in ein souveränes Land eingedrungen ist -, sondern einen Regimewechsel in Russland zu versuchen, genau das, was Biden bei seinem Besuch in Polen gesagt hatte und was dann von seinem Pressebüro hastig korrigiert wurde. Doch was die westlichen Verbündeten befürworten, scheint genau in diese Richtung zu gehen.

Premierminister Boris Johnson unterstütze am Dienstagabend (26.4.), nach dem Treffen in Ramstein, ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland. "Sie werden von russischem Territorium aus angegriffen. Sie haben ein Recht, sich zu schützen und zu verteidigen", sagte Johnson dem Sender TalkTV.

Zuvor hatte der Staatssekretärs im britischen Verteidigungsministerium, James Heappey, gesagt, er halte einen Einsatz britischer Waffen durch ukrainische Streitkräfte gegen russisches Gebiet nicht grundsätzlich für problematisch. Es sei "vollkommen legitim für die Ukraine", Ziele in Russland anzugreifen, um die Logistik der russischen Armee zu stören, sagte Heappey. Wenn dabei aus Großbritannien gelieferte Waffen zum Einsatz kämen, sei das "nicht unbedingt ein Problem". Warnungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, westliche Länder würden durch Waffenlieferungen an die Ukraine Öl ins Feuer gießen, wies Heappey im Gespräch mit dem Sender Radio BBC 4 zurück. Die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung zwischen Russland und der NATO sei "verschwindend gering".

"Europa muss sich glaubwürdig von denjenigen innerhalb der NATO distanzieren, die nicht auf einen Kompromiss hinarbeiten, sondern mit der militärischen Unterstützung der Ukraine andere Ziele verfolgen. Die Hauptverantwortung für das, was geschieht, liegt bei Russland, aber das Ziel der NATO, insbesondere der USA und des Vereinigten Königreichs, läuft Gefahr, nicht zu einem Waffenstillstand und einem Kompromiss, sondern zu einem Regimewechsel in Moskau zu führen. Wo bleibt die politische und diplomatische Arbeit, um die Voraussetzungen für einen für beide Seiten akzeptablen Frieden zu schaffen?"
Stefano Fassina, Abgeordneter des italienischen Parlaments und Teil der Regierungskoalition

RUS Maria SacharowaWenn die Regierung in London es für legitim hält, dass Kiew vom Westen erhaltene Waffen einsetzt, um "tief in Moskaus Nachschublinien" auf russischem Territorium einzuschlagen, könnte Russland - als Antwort darauf - es für ebenso legitim halten, "tief in die ukrainischen Nachschublinien" zu zielen, bis hin zu "jenen Ländern, die Waffen an die Ukraine liefern", die ebenfalls "Tod und Zerstörung" produzieren, antwortet die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

"Die Armee ist bereit, Vergeltungsangriffe durchzuführen, wenn Russland mit westlichen Waffen angegriffen wird", wird das Moskauer Verteidigungsministerium von der Nachrichtenagentur Tass zitiert. In Anbetracht der jüngsten Explosionen von Ölförderanlagen auf russischem Gebiet und auf der gegenüberliegenden Seite, d.h. in Transnistrien, scheint der Krieg in der Ukraine eine Eskalation zu erleben, die schließlich zu einem weltweiten Konflikt mit leider katastrophalen Folgen für alle führen würden.

Die internationale Staatengemeinschaft einschließlich der Bundesregierung schlittern trotz aller gegenteiligen Ansagen geradezu schlafwandlerisch immer tiefer in die Beteiligung an dem Krieg um die Ukraine und in einen dritten Weltkrieg, ja in eine nukleare Auseinandersetzung, hinein.


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