Europa

26.11.2014: Die griechische Justiz ermittelt gegen Manager der deutschen Rüstungsfirmen Atlas und Rheinmetall wegen Korruption und Geldwäsche. Im Fall Siemens sollen 64 Beschuldigte vor Gericht kommen. Der griechische Finanzminister Gikas Chardouvelis gibt auf Anfrage von SYRIZA zu, dass die in der Schmiergeldaffäre geschlossene Vergleichsvereinbarung zwischen Griechenland und Siemens nach wie vor nicht erfüllt ist.


Deutschland ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Rüstungslieferanten Griechenlands. Allein zwischen 2001 und 2012 genehmigte Deutschland laut der Datenbank der Campaign Against Arms Trade (CAAT) Rüstungsgüterexporte im Wert von über zwei Milliarden Euro nach Athen – und zwar sozusagen alles, was die deutsche Rüstungsproduktion hergibt, insbesondere Fahrzeuge und Panzer, Kriegsschiffe, Sprengkörper, leichte Waffen und Artillerie. Eingefädelt wurden die Rüstungsdeals mit Bestechung, bezahlt mit Krediten.

Jetzt erhebt die Athener Staatsanwaltschaft Anklage gegen 13 Mitarbeiter von Rheinmetall und Atlas. Der Vorwurf: Beihilfe zur Bestechung bei Rüstungsgeschäften mit Griechenland.

Auch die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) steht im Visier von Ermittlungen. Auch hier gehe es um mögliche Schmiergeldzahlungen, aber auch um den Verdacht der Geldwäsche. Ein früherer Rüstungseinkäufer im griechischen Verteidigungsministerium hat einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge der Athener Staatsanwaltschaft gestanden, bei vielen Geschäften Schmiergeld kassiert zu haben, darunter auch beim Kauf der Panzerhaubitze PzH 2000. Der Rüstungskonzern hatte vor gut einem Jahrzehnt Panzerhaubitzen PzH 2000 für knapp 200 Millionen Euro nach Griechenland verkauft. Heute sieht KMW-Chef  Frank Haun als einzigen "Lichtblick für den Rüstungsbetrieb, die Ukraine-Krise, die das Interesse an Panzern wieder steigen lässt.“

Rheinmetall und Atlas: Schmiergelder von über 60 Mio. Euro
Im Zuge der Ermittlungen im Zusammenhang mit zwei Rüstungsprogrammen - U-Boot- Waffensysteme und das Flugabwehrsystem ASRAD – hat der Untersuchungsrichter für die Bekämpfung der Korruption, Gavriil Mallis, vor einigen Tagen an 13 deutsche Manager der Firmen Atlas und Rheinmetall AG Vorladungen für Dezember 2014 zugestellt. Sie sollen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen der Bestechung Stellung nehmen.

Die Anklageschrift umfasst Straftaten in Zusammenhang mit Bestechung und Geldwäsche. Es wird erwartet, dass noch wenigstens weitere 10 Funktionäre der beiden Rüstungskonzerne vorgeladen werden. Gemäß den von dem Untersuchungsrichter gesammelten Daten sollen wenigstens 38 Millionen Euro verschoben worden sein, während die Schmiergelder laut Einschätzungen der Justizbehörden insgesamt 60 Millionen Euro übersteigen. Aus der Öffnung der Bankkonten gehen sogar Indizien für den Rückfluss “schwarzer” Gelder nach Deutschland hervor. Es scheint, dass im Rahmen der als “Schmiergeld-Provision” charakterisierten Praxis ein Teil der Schmiergelder wieder an Deutsche zurückgeflossen ist.

Der griechische Fiskus tritt als Nebenkläger auf und verlangt von den deutschen Firmen 13 Millionen Euro als Entschädigung für seinen immateriellen Schaden; zusätzliche Schadenersatzforderungen behält er sich vor. Gegen 35 griechische Angeklagte wurden die Prozessakten bereits an den Staatsanwalt übermittelt.

Siemens: Anklage in Athen wegen Schmiergeldzahlungen
Wie am Montag (24.11.2014) bekannt wurde, will die Staatsanwaltschaft in Athen 64 Angeklagte wegen Korruption beziehungsweise Geldwäsche vor Gericht bringen. Darunter sind 19 frühere Siemens-Manager, 14 ehemalige Beschäftigte der nationalen griechischen Telefongesellschaft OTE sowie Mittelsleute. Bei den 19 ehemaligen Siemensbeschäftigten handelt es sich um 13 Deutsche und sechs Griechen. In dem Prozess soll geklärt werden, wer bei einem Milliardengeschäft zwischen Siemens und OTE bestochen hat, bestochen wurde oder als Mittler fungierte. Siemens hatte ab Ende der neunziger Jahre von Deutschland aus hohe Schmiergeldbeträge gezahlt, um einen Milliarden-Auftrag für die Modernisierung des griechischen Telefonnetzes zu bekommen.

Gegen den Ex-Konzernchef Pierer hatte bereits die Münchner Staatsanwaltschaft geprüft, ob ihm strafrechtliche Vorwürfe zu machen seien. Am Ende kam aber nur ein Bußgeld über 250.000 Euro wegen der Vernachlässigung interner Aufsichtspflichten heraus.

Zeitgleich wurde bekannt, dass die zwischen Griechenland und dem Siemens-Konzern geschlossene Vergleichsvereinbarung nicht erfüllt wurde.

Vergleichsvereinbarung nicht erfüllt
Im August 2012 war mit der Unterschrift des Finanzministers Giannis Stournaras der bereits im März 2012 beschlossene außergerichtliche Vergleich zwischen Griechenland und Siemens auch offiziell besiegelt worden. Der Vergleich beinhaltet die Verrechnung von Forderungen von Siemens gegenüber dem Fiskus, die Finanzierung diverser Programme und Träger sowie auch Investitionen, welche neue Arbeitsplätze schaffen werden. Außerdem wird die Firma für eine Periode von bis zu drei Jahren in ein Anti-Korruptionsprogramm unter einem von dem griechischen Staat bestimmten Kommissar eingegliedert. Die griechische Linke SYRIZA kritisierte diesen Vergleich massiv.

Die Regierung argumentierte, dass „der griechische Staat einen signifikanten volkswirtschaftlichen Nutzen und Vorteil für die reale Wirtschaft mittels positiver Aktionen und einer Reihe von Leistungen“ erzielt. Siemens würde in einem Zeitraum von fünf Jahren 90 Millionen Euro zur Finanzierung von Einrichtungen zur Bekämpfung der Korruption, des Betrugs und der Geldwäsche, für wissenschaftliche Forschungsprogramme, Stipendien und medizinische Ausrüstung bezahlen. Um die Weiterarbeit von Siemens Hellas zu gewährleisten und die mehr als 600 Arbeitsplätze abzusichern, wird Siemens 100 Millionen Euro im Jahr 2012 investieren. Zusätzlich werden 60 Millionen Euro für den Aufbau einer neuen Produktionsanlage in Griechenland investiert, die zur Beschäftigung von mehr als 700 Personen führen wird.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Griechenland infolge der Bestechungen griechischer Entscheidungsträger durch Siemens zur Erlangung öffentlicher Aufträge ein Schaden von mindestens zwei Milliarden Euro entstanden ist. Dies wurde in dem einstimmig genehmigten Bericht des zur Aufklärung der Schmiergeldaffäre eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses festgestellt.

Jetzt haben 17 Abgeordnete von SYRIZA nachgefragt, wie es um die Erfüllung der Ansprüche aus dem Vergleich steht. Aus der Antwort des griechischen Finanzministers Gikas Chardouvelis geht konkret hervor, dass die Investition, mit der die Errichtung einer neuen Fabrik vorgesehen ist, nicht realisiert worden ist, da nicht einmal ein Plan eingereicht wurde; als Investition wurde von Regierungsseite die Rekapitalisierung bestehender Gesellschaften anerkannt.

Troika macht Druck für weitere Kürzungen
Derweilen verhandelt die griechische Regierung mit der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank über weitere Finanzhilfen. Finanzminister Gikas Hardouvelis muss darlegen, welche Fortschritte Griechenland bei der Umsetzung der „Reform-Agenda“ gemacht hat. Der Druck wächst, weil die Rendite zehnjähriger griechischer Staatsanleihen auf  über 8 Prozent angestiegen ist. Im September waren es nur 5,5 Prozent gewesen. Am Freitag hat die Regierung dem Parlament einen Haushaltsentwurf für 2015 zugeleitet, der zuvor nicht von der Troika genehmigt wurde. Die Troika moniert eine Lücke im Haushalt 2015 in Höhe von mindestens 2,5 Milliarden Euro und fordert Kürzungen unter anderem bei Renten.

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foto: sisyphus