Europa

Milano 190302 003.03.2019: Das "andere Italien" beginnt sich zu organisieren ++ 250.000 Menschen demonstrierten gestern (2.3.) in Mailand gegen Rassismus und soziale Unsicherheit ++ für Pepe Grillo (5-Sterne-Bewegung) eine Dummheit, denn Rassimus gebe es nur in den Medien ++ seit Jahren zum ersten Mal wieder ein so breites Spektrum von politischen und gesellschaftlichen Aktivist*innen, Kulturschaffenden, Intellektuellen und »normalen« Bürger*innen

 

Dreißig Organisationen, vom linken Kulturverband ARCI über die Gewerkschaften bis zu antirassistischen Organisationen, hatten für Samstag (2.3.) zu einer Kundgebung in Mailand aufgerufen. Mehr als 1.000 Verbände, Organisationen und Initiativen schlossen sich dem Aufruf »Die Menschen zuerst« an, um mit einer großen Kundgebung "zu sagen, dass wir eine Welt wollen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Politik der Angst und der Kultur der Diskriminierung wird systematisch verfolgt, um Hass zu schüren und Bürger der Kategorien A und B zu schaffen. Für uns ist der Feind stattdessen Ungleichheit, Ausbeutung, der Zustand der Unsicherheit".

Das Demo-Motto »Prima le persone« (Die Menschen zuerst) spielte auf den Slogan «Prima gli Italiani» (Italiener zuerst) von Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini an, der unter dieser Losung gegen Migrant*innen vorgeht und das Land spaltet.

"Das ist eine schöne, ruhige, friedliche, unaufgeregte Demonstration, man geht, man bleibt stehen. Es ist eine gute Botschaft für alle", sagte der italienische Schauspieler und Sänger Claudio Bisio während der unübersehbaren Demonstration, die sich von der Porta Venezia zum Piazza del Duomo bewegte - über zwei Kilometer Länge und zeitweise parallel in acht Straßen. Und trotzdem wartete die Menge noch an der Porta Venezia als auf der Piazza del Duomo die Kundgebung eröffnet wurde.

Claudio Bisio ist einer von vielen Kulturschaffenden und Intellektuellen, die sich gestern neben Gewerkschafter*innen, Politiker*innen, Aktivist*innen, Migrant*innen aus allen Teilen der Welt und »normalen« Mailänder*innen an der Demonstration beteiligten. Über 700 Gemeinden und Städte hatten Delegationen geschickt; auch aus Riace. Neben dem Verband italienischer Partisan*innen ANPI demonstrierten die Aktivist*innen von »Insieme Senza Muri«. »Meditarrenea« war mit einem neun Meter langen Schiff dabei, mit der Aufschrift: "Null Anlandungen, 6 Tote pro Tag: Im Mittelmeer ertrinkt Europa." Emergency, Amnesty International, Médecins sans frontières, Verbände, die sich mit der Rettung im Mittelmeer befassen wie Sea Watch und Open Arms, … die Demonstrierenden verkörperten die vielen Realitäten der italienischen Gesellschaft.

Ornella Vanoni: "Wir Künstler haben jetzt eine Verantwortung"

Und dann die berühmten Namen. Einige in der Spitze der Demonstration. Künstler*innen, Sänger*innen, Schauspieler*innen, Komiker*innen - Vecchioni und Bisio, Ornella Vanoni, Maria Amelia Monti, Malika Ayane Giobbe Covatta, Luca Bigazzi und Lella Costa.

"Wir Künstler haben jetzt eine Verantwortung", sagt die Schauspielerin und Sängerin Ornella Vanoni. "Diejenigen, die hierher kommen, tun es nicht zu ihrem Vergnügen. Es sind verzweifelte Menschen, die vor Krieg, Elend, Dürre und Vergewaltigung fliehen. Wir haben verwaiste Kinder, Kinder, die wir adoptieren sollten, nicht zurückschieben. Und sie kommen nicht auf bequemen Wegen hierher, sie sind bereit zu sterben." Vanoni befürchtet jedoch, dass die Wirkung der Demonstration begrenzt sein wird. "Viele wählen weiterhin die Lega."

Eine Kundgebung dieser Art gab es seit Jahren nicht mehr. Im Gegenteil, die breite Teilnahme an gemeinsamen Demonstrationen und Kundgebungen war fast zu einer Rarität geworden. Gestern in Mailand war es anders.

Das «andere Italien« zeigt sein Gesicht

250.000 Menschen demonstrierten gegen Rassismus, Abbau demokratischer Rechte und soziale Unsicherheit. Nachdem der faschistische Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini mit seiner rassistischen und demokratiefeindlichen Politik seit Wochen die Titelseiten und Schlagzeilen versorgt, zeigte am Samstag das «andere Italien« sein Gesicht.

Ein buntes und lebendiges Italien. Bürger*innen unterschiedlicher Herkunft und Richtung, aber massenhaft versammelt im Namen der Verteidigung demokratischer und humanistischer Prinzipien. Nicht zuletzt aufgeschreckt, durch den Erfolg der extremen Rechten bei der kürzlich stattgefunden Regionalwahl in den Abruzzen. Eine von Salvinis Lega angeführte Allianz mit ultrarechten und faschistischen Kleinparteien und Forza Italia, der Partei des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi, kam auf insgesamt 48 Prozent der Stimmen. Marco Marsilio von den offen faschistischen »Fratelli d'Italia« wurde neuer Regionalpräsident. Ein Tabubruch in der Nachkriegsgeschichte Italiens.

Peppe Grillo: Rassismus nur ein Phänomen in den Medien

Für Beppe Grillo ist die antirassistische Demonstration in Mailand nur eine Dummheit und Rassismus ein »Medien-Phänomen«. In seinem Blog schreibt der Guru der 5-Sterne-Bewegung: "In Mailand demonstrierten 250.000 Menschen gegen Rassismus, ein Rassismus, der ausschließlich in den Medien verbreitet wird … Wer ein wenig gesunden Menschenverstand hat, sieht keinen Rassismus, sondern nur wachsenden sozialen Egoismus. Also, was ist los? Es scheint, dass das Land sich seinen »echten Geistern« nicht stellen will."

Giuseppe Sala: Schrei einer Stadt nach Solidarität

Der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala antwortete mit einem Beitrag auf Facebook auf die Kritik an Beppe Grillo. "Von Beppe zu Beppe. Lieber Grillo, Du, der Du so viele Menschen verstehen lässt, was Partizipation ist, solltest wissen, dass, wenn Hunderttausende von Menschen auf die Straße gehen, um gehört zu werden, sie respektiert werden müssen. Es tut mir leid, dass Du, der Gründer der Partei, die den größten Teil der Regierung stellt, diese Realität mit Verachtung betrachtest."

Giuseppe Sala fügt hinzu, dass eine Sicht auf die Demonstration "als Demonstration nur gegen Rassismus zu sehen, sehr begrenzt" sei. "Das war mehr als das. Es war das Mailand der Menschenrechte .. es war der Aufschrei einer Stadt, die nicht an eine einzige Wahrheit und an die Simplifizierung einer bestimmten Vision der Gesellschaft glaubt. Vor allem aber war da der Stolz einer Stadt, die sich äußert, aber gleichzeitig begreift. Solidarität und Entwicklung sind durch einen doppelten Faden und gegenseitige Abhängigkeit verbunden."

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weitere Fotos: https://milano.corriere.it/foto-gallery/cronaca/19_marzo_02/people-marcia-contro-razzismo-546cfb92-3ced-11e9-a007-aa95ee5722e6.shtml


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