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Sudan Maertyrer 2019 06 03 1Opposition: Wir verhandeln nicht mit Mördern  
06.06.2019: Am heutigen Donnerstag (6.6.) veröffentlichte das Zentralkomitee der sudanesischen Ärzte (CCSD), dass über 40 Leichen aus dem Nil gezogen wurden. Sie waren entweder erschossen, mit Macheten verstümmelt oder totgeschlagen worden, bevor sie von den Milizionären der berüchtigten Schnellen Unterstützungskräfte (RSF) in den Fluss geworfen wurden. Damit seien 108 Menschen von den sudanesischen Regierungsmilizen getötet worden, so die Ärztevereinigung. Es sei davon auszugehen, dass noch weitere Leichen gefunden werden.

Am Montagmorgen hatten die Schnellen Unterstützungskräfte (RSF) die "Revolutionsmeile" vor dem Hauptquartier der Streitkräfte in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum gestürmt und das Feuer auf die Demonstrant*innen eröffnet. Seit zwei Monaten fanden dort friedliche Sit-in der Aufständischen statt - an manchen Tagen waren es Tausende, manchmal Zehntausende, zuweilen bis zu einer Million.

Sudan RSF with new AJBAN 440A from UAEAuch an den folgenden Tagen waren in Khartoum immer wieder Schüsse zu hören, die Milizionäre der Schnellen Unterstützungskräfte patrouillieren in ihren mit schweren Maschinengewehren bewaffneten Pick-ups und neuen AJBAN 440A 4x4 Militärfahrzeugen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (Foto) in den Straßen der Stadt.

Als "Schnellen Unterstützungskräfte (RSF)" werden seit einiger Zeit die aus dem Darfur-Krieg für ihre Kriegsverbrechen berüchtigten Janjaweed-Milizen genannt. Ihr Chef ist der Vizepräsident des Militärrates, Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti. Hemeti organisiert auch die Unterstützung Saudi-Arabiens durch sudanesische Soldaten für den Krieg im Jemen.

The Oppositionsallianz der Kräfte für Freiheit und Wandel (FFC) rief am Montag zu einem unbefristeten Generalstreik und den vollständigen zivilen Ungehorsam bis zum Sturz des Regimes auf. In zahlreichen Städten des Landes gingen aus Protest gegen das Blutbad noch am Montag tausende Menschen auf die Straße. In Khartoum bleiben die Geschäfte fast ausnahmslos geschlossen, Demonstranten errichteten Straßensperren, die von den Sicherheitskräften umgehend geräumt wurden.

"Die Generäle wollen keinen Wandel. Sie wollen die Macht für sich."

Über Wochen hatten die zivilen Oppositionskräfte mit den Generälen über die Bildung einer zivilen Übergangsregierung verhandelt. Sie einigten sich auf eine dreijährige Übergangszeit, die Bildung einer Regierung von Technokraten durch die FFC und ein Übergangsparlament. Doch die Gespräche brachen schließlich zusammen, weil die Militärs auf eine Mehrheit und den Vorsitz im Souveränitätsrat bestanden, der nach den Vorstellungen der Militärs zudem nicht nur repräsentative Funktion haben solle. (siehe: "Sudans Kommunisten warnen vor Konterrevolution")

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Sudans Kommunisten warnen vor Konterrevolution   

 

Am Montagmorgen suchten die Generäle eben dieses Verhandlungspatt auf ihre Weise zu lösen, indem sie mit Waffengewalt gegen die Opposition vorging. "Die Masken sind gefallen", meint der Khartumer Menschenrechtler Azaz Elshami: "Die Generäle wollen keinen Wandel. Sie wollen die Macht für sich."

Am Dienstag meldet sich der Chef des Militärischen Übergangsrats (TMC), General Abdel Fattah al-Burhan, mit einer Fernsehansprache zu Wort. Er beschuldigte die oppositionellen Kräfte für Freiheit und Wandel (FFC) für die entstandene Situation verantwortlich zu sein. Diese würden die anderen politischen und militärischen Kräfte ausschließen und ein neues totalitäres Regime "klonen" wollen, so der General. Er gab den Abbruch der Verhandlungen mit der zivilen Opposition bekannt und kündigte alle bisher getroffenen Vereinbarungen auf. Zudem wolle der Militärrat bis spätestens in neun Monaten Wahlen abhalten, sagte al-Burhan (in dem anschließend vom Militärrat veröffentlichten Text heißt es sieben Monate).

Die auf der Plattform "Erklärung für Freiheit und Wandel" zusammengeschlossenen Oppositionskräfte (FFC) - ein Bündnis diverser Gewerkschaften, Parteien, Aktivisten und Bauernverbände – lehnen einen so frühen Urnengang ab: Sie befürchtet, dass dieser von den Militärs und der Regierungspartei des vorherigen Diktators Al-Bashir, die immer noch den Staatsapparat kontrolliert, manipuliert wird. Sie verweisen auf den auf den Nachbarstaat Ägypten, wo sich Abdel Fattah al-Sisi nach seinem Putsch gegen die gewählte Regierung Mohamed Morsis bereits zweimal mit umstrittenen Wahlen als Präsident bestätigen ließ, zuletzt mit angeblich 98 Prozent aller abgegebenen Stimmen.

"nicht mit Mördern verhandeln"

Nur 24 Stunden später sagte Abdel Fattah al-Burhan in einer kurzen Fernsehansprache, dass der Militärrat bereit sei, die Verhandlungen mit den Oppositionskräften der FCC über "das nationale Interesse" wieder aufzunehmen. Vorangegangen war die Entscheidung der Afrikanischen Union, die Mitgliedschaft des Sudan auszusetzen, bis eine zivil geführte Übergangsregierung eingerichtet ist. Die FCC wiesen den zaghaften Vorschlag des Militärrates zurück und erklärten, dass sie "nicht mit Mördern verhandeln werden". Die FCC bekräftigten, dass sie sich " nicht vom Widerstand zurückziehen" werden. Zuvor hatte die Opposition zu einem Generalstreik und zivilem Ungehorsam im Land aufgerufen, um die Militärjunta zu stürzen.

Die sudanesische Opposition hat die Lektion aus dem arabischen Frühling gelernt und gibt sich nicht mit dem Sturz des Diktators zufrieden. Sie will einen tiefgehenden strukturellen, demokratischen Wandel. Dies stößt aber nicht nur im Sudan auf Widerstand. Die sudanesischen Militärs haben die Unterstützung aus Ägypten, den Arabischen Emiraten sowie Saudi-Arabien. Für diese war der Volksaufstand eine gute Gelegenheit, das Regime von jenen Islamisten zu säubern, die den Muslimbrüdern zugerechnet werden, wie auch den unbequem gewordenen Langzeitmachthaber Omar al-Bashir selbst. Übrig blieben Militärs, die in das sicherheitspolitische Konzept der Herrscher am Golf passen – die ja aus den gleichen Gründen bereits den Aufstieg Abdelfattah al-Sisis in Ägypten gefördert haben. Dorthin waren der Vorsitzende des Militärrates, General Abdel Fattah al-Burhan, und sein Stellvertreter Hemeti wenige Tage vor dem von den RFS angerichteten Blutbad gereist.

Aber auch die Europäische Union, die USA, Russland und China wollen es sich mit den neuen Machthabern im geostrategisch bedeutsamen Sudan nicht verderben.


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