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USA Minneapolis 129.05.2020: Neue Proteste nach brutaler Ermordung von George Floyd durch Polizisten ++ Demonstranten stürmen Polizeistation ++ US-Gouverneur mobilisiert die Nationalgarde und verhängt Notstand über Minneapolis ++ US-Präsident Trump droht, das Militär zu schicken und auf Plünderer schießen zu lassen

 

Dramatische Szenen spielen sich in Minneapolis ab, nachdem die Polizei, viele der Beamten in Kampfausrüstung, mit Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die Menschenmassen in der Nähe der 3. Polizeiwache vorgehen. Das Polizeirevier war am Donnerstagabend von Protestierenden in Brand gesetzt worden. Vor dem Polizeigebäude in Minneapolis skandieren die Demonstrierenden »No Justice, No Peace« (»Keine Gerechtigkeit - kein Frieden«).

"I can’t breathe!"

USA Minneapolis Ermordung George FloydDie Proteste werden durch einen brutalen Polizeieinsatz hervorgerufen, bei dem George Floyd, ein 46-jähriger Schwarzer, ermordet wurde. George Floyd starb, nachdem ein weißer Polizist sein Knie mehrere Minuten lang auf Floyds Hals drückte. Eine Passantin filmte die Szene. Das Video zeigt ebenfalls, wie Floyd um Hilfe fleht und sagt, dass er nicht atmen könne. "I can’t breathe!" Der 46-Jährige sollte festgenommen werden, nachdem er mit einem gefälschten Geldschein in einem Supermarkt zu bezahlen versucht haben soll.

Der Beamte Derek Chauvin und seine drei beteiligten Kollegen wurden gefeuert, bisher aber nicht festgenommen. Gegen den Polizisten, der George Floyd tötete, gab es laut CNN bereits 18 Beschwerden durch Bürger*innen. Konsequenzen gab es für ihn nur einmal: eine Verwarnung in Briefform. Die Bundespolizei FBI und die örtliche Staatsanwaltschaft teilten am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme mit, den Ermittlungen und einer möglichen Anklage werde "höchste Priorität" gegeben. Bürgermeister Jacob Frey forderte ein Strafverfahren gegen den Polizisten.

   
 

Polizei verhaftet den CNN-Korrespondent Omar Jimenez und seine Crew live im Fernsehen, als sie die Proteste filmten. Der Gouverneur von Minnesota entschuldigte sich.

 

 

Der Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, erklärte am Donnerstag den Notstand für Minneapolis und umliegende Gebiete. Er forderte die Nationalgarde an. Rund 500 Nationalgardisten wurden in die Gegend rund um Minneapolis entsandt.

"Wenn die Plünderungen beginnen, wird geschossen"
US-Präsident Donald Trump

US-Präsident Donald Trump bezeichnete Minneapolis Bürgermeister Jacob Frey von der Demokratischen Partei als "linksradikal" und warf ihm vor, zu versagen. Er forderte ihn auf, die Stadt wieder "unter Kontrolle bringen". Trump droht, das Militär zu schicken und auf Plünderer schießen zu lassen. "When the looting starts, the shooting starts" (Wenn die Plünderungen beginnen, wird geschossen).

Inzwischen breiten sich die Proteste in den Vereinigten Staaten aus. Die Menschen protestieren gegen die rassistisch motivierte Brutalität der Polizei und fordern Gerechtigkeit für die Ermordung von George Floyd durch die Polizei.

   
  "George-Floyd-Protest" führt zu schweren Unruhen in Süd-Minneapolis  

 

 

Chauncey K. Robinson schrieb am 27.Mai in der Zeitung »People's World«:

"Ich kann nicht atmen!": Minneapolis explodiert im Protest nach Mord an George Floyd

Bürgerunruhen und Empörung haben die Stadt Minneapolis überrollt, da eine Gemeinde Vergeltung für den Tod eines weiteren Schwarzen durch die Polizei sucht. Anfang dieser Woche wurden Videoaufnahmen veröffentlicht, die vier weiße Polizeibeamte zeigen, wie sie exzessive Gewalt und ein nicht autorisiertes Fesselungsverfahren anwenden, um den 46-jährigen George Floyd zu verhaften. Trotz seiner Bitten um Hilfe und Rücksichtnahme verlor George am 25. Mai aufgrund der Handlungen dieser Offiziere sein Leben.

Die Polizisten wurden "von der Arbeit entfernt", doch Floyds Familie erhebt Anklage wegen Mordes gegen die Verantwortlichen und erklärt, dass Arbeitslosigkeit mit Sozialleistungen weit von der Strafe entfernt sei, die die betroffenen Polizisten erhalten müssen.

In dem bedrückenden Facebook-Video des Vorfalls, der sich am Montagabend ereignete, sieht man den Polizeibeamten Derek Chauvin aus Minneapolis, wie er auf dem Bürgersteig der Chicago Avenue in der Nähe der 38. Straße vor dem Lebensmittelgeschäft Cup Foods sein Knie in Georges Nacken drückt.

"Bitte, bitte, bitte, bitte, ich kann nicht atmen. Bitte, Mann", hört man George zu dem Beamten sagen. Der Offizier lässt seinen Druck auf Georges Nacken nicht nach. "Ich kann nicht atmen", fleht George weiter. "Mein Bauch tut weh, mein Nacken tut weh, alles tut weh", schreit er. Er bittet um Wasser und bekommt keins. Während all dies geschieht, liegt Floyd bereits am Boden und trägt Handschellen.

Man hört Beobachter*innen, wie sie die Beamten anschreien. Einige bitten sie, George medizinisch zu versorgen. Andere weisen darauf hin, dass es keinen Grund für Officer Chauvin gibt, sein Knie weiterhin auf Georges Hals zu drücken.

Chauvin hält sein Knie über fünf Minuten lang in Georges Nacken gedrückt. Georges Augen schließen sich schließlich. Er wird bewusstlos. Es wurde berichtet, dass George ins Krankenhaus gebracht wurde und dort kurze Zeit später verstarb.

Im Bericht der beteiligten Beamten hieß es, sie hätten auf eine ungefährliche Geldfälschung reagiert, als sie Floyd festgenommen hatten.

"Schwarzsein in Amerika darf kein Todesurteil sein."
Jacob Frey, Bürgermeister von Minneapolis

Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, hielt eine Pressekonferenz ab, kurz nachdem die Geschichte landesweit in die Schlagzeilen gekommen war, auf der er die Entlassung der beteiligten Beamten ankündigte, während die Untersuchung von Georges Tod weitergeht.

Frey behauptete, dass Officer Chauvin exzessive Gewalt angewendet habe, die keine sanktionierte Technik zur Festnahme von Personen sei. "Die Technik, die angewendet wurde, ist nicht erlaubt, ist keine Technik, in der unsere Offiziere ausgebildet werden", sagte Frey. "Es gibt keinen Grund, diese Art von Druck mit einem Knie auf den Nacken von jemandem auszuüben".

Frey nannte die Entlassung der Offiziere die richtige Entscheidung für die Stadt. Der Bürgermeister bemerkte auch: "Schwarzsein in Amerika darf kein Todesurteil sein."

Viele fordern, dass die beteiligten Polizisten nicht nur ihre Dienstausweise verlieren. Georges Familie will, dass sie wegen Mordes angeklagt werden.

In einem auf CNN ausgestrahlten Interview sprachen Georges Verwandte über seinen Tod. "Meinen Bruder zu kennen, bedeutet, meinen Bruder zu lieben. Sie hätten ihn mit einem Elektroschock betäuben können; sie hätten ihn mit Pfefferspray behandeln können", erklärte Philonise Floyd. "Stattdessen drückten sie ihm ihr Knie in den Nacken und setzten sich einfach auf ihn und machten dann immer weiter. Sie behandelten ihn schlechter, als sie Tiere behandeln."

Georges Familie hat die Hilfe des Bürgerrechtsanwalts Ben Crump in Anspruch genommen, um Gerechtigkeit zu erlangen. Crump hat viele Familien in ähnlichen Fällen vertreten, wie z.B. Trayvon Martin und derzeit Ahmaud Arbery und Breonna Taylor (Anm.: Breonna Taylor, eine 26-jährige schwarze Rettungssanitäterin, wurde am 13. März 2020 in ihrer Wohnung von Polzisten mit acht Schüssen ermordet).

In einer Erklärung an die Presse sagte Crump: "Wir alle haben den schrecklichen Tod von George Floyd auf Video miterlebt, als Zeugen den Polizeibeamten anflehten, ihn in das Polizeiauto zu setzen und von ihm loszulassen. Diese missbräuchliche, exzessive und unmenschliche Gewaltanwendung kostete das Leben eines Mannes, der von der Polizei wegen der Befragung zu einer nicht gewalttätigen Beschuldigung festgenommen wurde. Wir werden Gerechtigkeit für die Familie von George Floyd suchen, da wir Antworten von der Polizei von Minneapolis verlangen. Wie viele 'Schwarze' Todesfälle wird es noch geben, bis die rassistischen Überprüfungen und die Geringschätzung des Lebens von Schwarzen durch die Polizei endlich ein Ende haben?"

Jamie Gulley, Präsident der SEIU Healthcare Minnesota (Anm.: Service Employees International Union, Gewerkschaft für das Gesundheitswesen) und des SEIU Minnesota State Labor Council, erklärte: "Wir sind der festen Überzeugung, dass wir weiterhin den systematischen Rassismus und die Verfolgung von Schwarzen bekämpfen müssen. Wir stehen allen, die verletzt werden, und allen, die bereit sind, für eine bessere Zukunft zu kämpfen, zur Seite".

Die Aussagen von Crump und Gulley beziehen sich auf die rassistische Schikanierung und Belästigung schwarzer Männer und Frauen, von der seit langem bekannt ist, dass sie häufiger auftritt als bei Weißen. Da sich viele Menschen im ganzen Land mit der neuen Normalität während der globalen Pandemie auseinandersetzen, müssen sich Schwarze, die unverhältnismäßig stark vom Coronavirus betroffen sind, auch mit der Diskriminierung, die mit Schutzmaßnahmen einhergeht, und den Hindernissen bei der Suche nach Gerechtigkeit auseinandersetzen.

USA Minneapolis 2Obwohl physische Distanzierungsmaßnahmen noch immer in Kraft sind, war Floyds Tod anscheinend ein Wendepunkt für eine Gemeinschaft, die über die Schikanierung durch die Polizei empört ist, da Hunderte von ihnen aus Protest auf die Straßen von Minneapolis gingen.

Die Demonstranten versammelten sich an der Kreuzung, an der Floyd am Dienstagabend verhaftet wurde. Laut CBS Minnesota verwandelte sich der Protest gegen 18.00 Uhr in einen Marsch in Richtung des Polizeibüros des 3. Bezirks, wo die an dem Vorfall beteiligten Beamten vermutlich arbeiteten.

Überall im Internet tauchten Fotos von Polizisten in Kampfausrüstung auf, die den Demonstranten gegenüberstanden, die Tränengas sprühten und Gummigeschosse in die Menge feuerten, was zu weiterem Zorn und Abscheu führte.

 

"Gummigeschosse und Tränengas auf unbewaffnete Demonstranten darf niemals toleriert werden."
Ilhan Omar, demokratische Kongressabgeordnete

Ilhan Omar, Kongressabgeordnete für Minnesotas 5. Bezirk, zu dem auch Minneapolis gehört, twitterte: "Gummigeschosse und Tränengas auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen, noch dazu wenn Kinder anwesend sind, darf niemals toleriert werden. Niemals. Was heute Abend in unserer Stadt geschieht, ist beschämend. Die Polizei muss Zurückhaltung üben, und unsere Gemeinde braucht Raum zum Heilen."

tief verwurzelte Ungleichheiten der US-amerikanischen Gesellschaft

Die Offensive der Polizei gegen die überwiegend schwarzen Demonstranten, die sich wegen des Mordes an jemandem aus ihrer Gemeinde in den Straßen versammelt haben, ist sehr viel aggressiver als die Reaktion der Polizei auf die Überfälle überwiegend weißer bewaffneter Milizen, die Gebäude der Landeshauptstadt überfielen und ihr Recht auf Haarschnitt, Pediküre-Termine und andere Dienstleistungen während des Lockdown wegen Corona einforderten. Der krasse Unterschied zeigt die tief verwurzelten Ungleichheiten der US-amerikanischen Gesellschaft, wenn unterschiedliche Gemeinschaften das suchen, was sie als Gerechtigkeit empfinden.

  USA Minneapolis Zwei Demonstrationen  
  Fotos: Zwei verschiedene Demonstrationen, zwei radikal verschiedene Reaktionen der Polizei. Als schwer bewaffnete rechte " anti-lockdown"-Protestler und Milizionäre in den letzten Wochen die Hauptstädte stürmten, zeigte die Polizei äußerste Zurückhaltung und handelte nur selten, um die Extremisten einzuschränken. In Minneapolis, wie in so vielen anderen Fällen von Polizeigewalt gegen Farbige, wurde den Demonstranten mit übermäßiger Gewalt begegnet.  

 

Studien haben gezeigt, dass Schwarze im ganzen Land mit starken Vorurteilen im Strafrechtssystem konfrontiert sind. In Minneapolis ist das nicht anders, denn aus den Daten der Stadt geht hervor, dass Schwarze mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere von der Polizei angehalten und durchsucht werden und dass sie auch die Ziele polizeilicher Gewaltanwendung sind. Floyds Tod ähnelt auf erschreckende Weise dem eines anderen schwarzen Mannes, der infolge polizeilichen Fehlverhaltens starb, Eric Garner.

Garner wurde getötet, als ein Polizeibeamter aus New York City, Daniel Pantaleo, ihn in einen illegalen Würgegriff nahm, der zu seinem Tod führte. Der Offizier wurde nie angeklagt.

Genauso wie Officer Pantaleo bereits Beschwerden über sein Verhalten hatte, bevor er Garner angriff, so ist auch Officer Chauvin beschuldigt worden. Gegen Chauvin wurden während seiner zwei Jahrzehnte als Polizist mindestens zehn Beschwerden eingereicht. Er hat im Laufe seiner Karriere mindestens eine Person erschossen und getötet.

Es hat sich gezeigt, dass es ein langer, harter Kampf ist, nach polizeilichen Übergriffen Rechenschaft einzufordern oder irgendeine Form von Strafanzeige, geschweige denn Verurteilung, zu erreichen. Wiederholt wurden Polizeibeamte nicht strafrechtlich angeklagt, obwohl vernichtende Beweise ihre Verantwortung für die Tötung einer schwarzen Person belegen. Wenn etwas nicht als kriminell angesehen wird, wird es standardmäßig als legal bezeichnet.

Der einzige Polizeibeamte aus Minneapolis, der im Dienst zu einer tödlichen Schießerei verurteilt wurde, war der ehemalige Polizeibeamte Mohamed Noor, ein Schwarzer, der 2017 die Weiße Justine Ruszczyk erschoss und tötete.

George Floyd ist nun zu dieser tragischen Liste hinzugekommen, und seine Community scheint die Geduld zu verlieren und fordert Reformen und Strafanzeige.

"Sie haben meinen Bruder ermordet", sagte Bridget Floyd, Georges Schwester, gegenüber NBC News. "Er schrie um Hilfe. Ich möchte nicht, dass sie suspendiert werden und in einem anderen Staat oder einem anderen Bezirk weiter arbeiten können. Ihre Lizenz sollte ihnen entzogen werden. Man sollte ihnen ihre Arbeitsplätze wegnehmen, und sie sollten wegen Mordes ins Gefängnis gesteckt werden."

Die Untersuchung des Todes von George Floyd ist im Gange, da das FBI aufgrund der rassistischen Dynamik des Falles zur Unterstützung des Minnesota Bureau of Criminal Apprehension hinzugezogen wurde.

Quelle: People' World, 27.5.2020: ‘I can’t breathe!’: Minneapolis erupts in protest after George Floyd murder
https://www.peoplesworld.org

eigene Übersetzung