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VE Wahl202122.11.2021: Venezuela: Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) gewinnt 20 der 23 regionalen Gouverneursämter und das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Caracas ++ Chile: Stichwahl zwischen Linken und Pinochet-Rechten ++ Honduras: Wahlkampf beendet. Linkskandidatin ist Favoritin für die Präsidentschaft

 

Nach Auszählung der Stimmen in 90 Prozent der Wahllokale legte der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) das erste Ergebnis der Wahl vor: Bei einer Wahlbeteiligung von 41,8 Prozent gewann die um die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) gruppierte Wahlallianz Polo Patriótico 20 (+2) der 23 regionalen Gouverneursämter und das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Caracas.

VE Wahl2021 Ergebnis

 

Am Sonntag waren die 21.159.846 wahlberechtigten Bürger*innen Venezuelas an die Urnen gerufen, um die Gouverneure von 23 Provinzen, 335 Bürgermeister, 253 Abgeordnete des nationalen Parlaments und mehr als 2.471 Mitglieder von Gemeinderäten zu wählen.

Nach dreijährigem Boykott beteiligten sich auch die vier großen venezolanischen Oppositionsparteien an der Wahl und schlossen damit de facto das Kapitel des selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó ab. Als sich dieser im Januar 2019 mit Rückendeckung der US-Regierung zum Interimspräsidenten erklärte, zog noch die gesamte rechte Opposition mit. Heute wirkt Guaidó, der sich bis zuletzt gegen eine Wahlteilnahme ausgesprochen hat, weitgehend isoliert. Nach Verhandlungen mit moderateren Regierungsgegner*innen gehören dem fünfköpfigen Nationalen Wahlrat (CNE) seit Frühjahr zwei Mitglieder der Opposition an.

Internationale Beobachter*innen kehren zurück

Mit den Oppositionsparteien kehrten auch die internationalen Beobachter zurück. Die Regierung hatte rund 300 internationale Beobachter zur Überwachung der Ordnungsmäßigkeit der Wahlen eingeladen, darunter das US-amerikanische Carter-Zentrum, die Vereinten Nationen, den Rat der Wahlexperten Lateinamerikas(CEELA) und die Europäischen Union. Die EU hatte bei den zurückliegenden Wahlen die Einladungen ausgeschlagen. Dass sie jetzt etwa hundert Beobachter*innen nach 15 Jahren Ablehnung entsandte, wird als wichtiger politischer Sieg für die Regierung Maduro gewertet, auch wenn sie vom Hohen Vertreter für Außenpolitik Josep Borrell überschattet wurde, der trotz seiner Zusage, ein "streng unparteiisches Verhalten" beizubehalten, andeutete, dass das Ziel der EU-Wahlmission die Unterstützung der venezolanischen Opposition sei. Die OAS, deren Mission sich bei der Wahl in Bolivien ausschlaggebend für den Staatsstreich von 2019 erwies, war nicht eingeladen.

VE Wahl2021 CNEVor diesem Hintergrund wurde alles akribisch vorbereitet, um sicherzustellen, dass der Wahlprozess vor den Augen der Welt reibungslos verläuft. Die Funktionsweise des Wahlsystems, das vor, während und nach dem Wahltag kontrolliert wird, wurde mehrfach hervorgehoben: Nachdem die Wähler*in ihre Präferenz auf dem elektronischen Bildschirm ausgedrückt hat, erhält sie von der Maschine die Quittung für ihre Stimme und wirft sie nach Prüfung in die Wahlurne. Nach Schließung der Wahllokale werden die gedruckten Stimmen ausgezählt, die zu 100 % mit den elektronisch abgegebenen Stimmen übereinstimmen müssen.

Wahlbündnisse

Am Sonntag bewarben sich insgesamt 70.244 Kandidat*innen von rund 80 nationalen und regionalen politischen Organisationen um die insgesamt 3.082 Mandate.

Neben dem von der PSUV dominierten Regierungsbündnis "Großer Patriotischer Pol" (Polo Patriótico) traten drei weitere Parteienbündnisse sowie zahlreiche unabhängige, teils nur lokal verankerte Gruppierungen an.

Der Großteil des Oppositionssektors, der bisher hinter Juan Guaidó stand, vereint sich unter dem Namen "Tisch der demokratischen Einheit" (Mesa de la Unidad Democrática MUD). Bei der Parlamentswahl 2015 hatte der MUD als breites Bündnis seinen bisher einzigen Wahlsieg erzielt. Er wird von den vier größten rechten Oppositionsparteien Primero Justicia, Voluntad Popular, Acción Democrática und Un Nuevo Tiempo dominiert.

Das zweite Bündnis "Demokratische Allianz" ist ein Zusammenschluss moderater Oppositionsparteien, die sich im vergangenen Jahr von der Boykottstrategie der großen Parteien distanziert hatten und bei der Parlamentswahl einige Sitze gewinnen konnten.

Links von der PSUV treten die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV), die gewerkschaftsnahe Partei Heimatland für Alle (PPT) sowie weitere kleine linke Gruppen wie bei der Parlamentswahl erneut als Wahlbündnis "Revolutionär-Populäre Alternative" (APR) an. Das linke Bündnis hat nur Außenseiterchancen und könnte vor allem einige Abgeordnetensitze erlangen. Die Kommunist*innen sehen sich selbst von allen Parteien am stärksten benachteiligt. Unter anderem erteilte der Nationale Wahlrat 14 ihrer Kandidat*innen ohne ausreichende Begründung ein Antrittsverbot.

Sieg der PSUV

Nach Auszählung der Stimmen in 90 Prozent der Wahllokale legte der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) in der Nacht auf den heutigen Montag das erste Ergebnis vor: Bei einer Wahlbeteiligung von 8.151.793 Bürger*innen (41,8 Prozent der Wahlberechtigten) gewann die um die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) gruppierte Wahlallianz Polo Patriótico 20 der 23 regionalen Gouverneursämter und das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Caracas.
Zu den jetzigen Urnengängen entsandte auch die EU erstmals seit 15 Jahren wieder eine Mission von Wahlbeobachtern nach Venezuela. Die Chefin der EU-Beobachtermission Isabel Santos sagte, die Wahlen seien "ruhig" verlaufen. Sie will am Dienstag ihren Bericht vorstellen. Oppositionspolitiker sprachen hingegen erneut von Hinweisen auf Wahlbetrug.

Nach diesen Wahlen wird sich auch die Europäische Union neu positionieren müssen: entweder den Kurs der Sanktionen beibehalten oder wieder auf die Regierung Venezuelas zugehen, die mit diesen Wahlen deutlich an Legitimität gewonnen hat..


Chile: Stichwahl zwischen Linken und Pinochet-Rechten

Chile Boric KastNach Auszählung von über 97 Prozent der Wahllokale liegt der ultrarechte Pinochet-Anhänger José Antonio Kast mit rund 28 Prozent der Stimmen vor dem zweitplazierten Gabriel Boric mit knapp 26 Prozent. Am 19. Dezember wird eine Stichwahl entscheiden, ob Chile künftig von einem linken Präsidenten oder einem Pinochet-Anhänger geführt werden wird.

Bei der Wahl für das Präsidentenamt traten sieben Kandidat*innen an. Der in den USA lebende Franco Parisi von der "Partei der Menschen" (Partido de la Gente PDG) erhielt 12,88 Prozent der Stimmen. Sebastián Sichel von der rechten Renovación Nacional trat als unabhängiger Kandidat an und erreichte 12,71 Prozent. Sebastián Sichel war während der Amtszeit von Präsident Sebastián Piñera unter anderem Familienminister und Präsident der chilenischen Staatsbank. Die Christdemokratin Yasna Provoste vom mitte-links Bündnis "Nuevo Pacto Social" (Neuer Sozialpakt) kam auf 11,64 Prozent. In der Wahlallianz Nuevo Pacto Social haben sich die Sozialistische Partei, die Partei Por la Democracia, die Radikale Partei, Demócrata Cristiano, Ciudadanos, Liberale Partei und die Plattformen Nuevo Trato y Nuevo Chile zusammengeschlossen.
Marco Enríquez-Ominami von der Partido Progresista (eine Abspaltung der Sozialistischen Partei ) und der ultralinke Eduardo Artés kamen zusammen auf knapp acht Prozent.

Chile Aprueba Logo

Gabriel Boric ist der Kandidat des Linksbündnisses Apruebo Dignidad (Ich stimme der Würde zu). Apruebo Dignidad entstand im Zuge der Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung Chiles aus anderen linksgerichteten Koalitionen und besteht aus den Parteien Partido Comunista de Chile, Federacion Regionalista Verde Social, Partido Igualdad, Revolucion Democratica, Convergencia Social und Comunes sowie den Bündnissen Chile Digno, Verde y Soberano und Frente Amplio.

Der 35-jährige ehemalige Studierendenführer Gabriel Boric hatte sich in einer internen Vorwahl gegen Daniel Jadue, Kandidat der Kommunistischen Partei und Bürgermeister von Recoleta, durchgesetzt.

Chile Gabriel Boric2021Gabriel Boric sagte am Sonntagabend, dass es nicht das erste Mal sei, dass die alternativen Sektoren hinten liegen. "Wir müssen für die Einheit der Demokrat*innen arbeiten, es ist nicht das erste Mal, dass wir von hinten anfangen und ich habe keinen Zweifel, dass wir mit Einheit den Sieg erringen werden". "Wir sind gekommen, um Sprecher der Hoffnung, des Dialogs und der Einheit zu sein. Die Kampagne, die wir in ganz Chile führen werden, soll die Angst besiegen. Ich bin zutiefst dankbar für das Vertrauen von Tausenden von Chilen*innen", sagte Boric.

Boric betonte, dass sein Projekt die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Würde verteidige: "Wir kommen aus einem langen Kampf, von denen, die gegen die Diktatur gekämpft haben, bis zu denen, die für den Umweltschutz kämpfen."

Das Wahlprogramm von Apruebo Dignidad verspricht die Umsetzung vieler sozialer Forderungen der vergangenen Jahre, etwa die Einführung eines solidarischen, öffentlichen Rentensystems und einer universellen Krankenkasse sowie die Abschaltung aller Kohlekraftwerke innerhalb einer Regierungsperiode. Deutlich zu erkennen ist der Einfluss der feministischen Bewegung, vor allem aus den Bereichen der progressiven und kommunistischen Linken, die in Borics Programm enthalten sind, das die Anerkennung der häuslichen Pflegearbeit vorsieht und über sexuelle und reproduktive Gesundheit spricht. Boric verspricht außerdem, die freie und allgemeine Abtreibung zu garantieren, obwohl er die feministische Kampagne für eine sichere, freie und kostenlose Abtreibung" nicht unterstützt, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nicht nur auf diejenigen ausdehnen würde, die Gewalt, Gefahr für das Leben der Frau und schwere Missbildungen des Fötus erlitten haben.

Spannend ist der Wahlkampf in Chile auch für die europäische Autoindustrie, denn in dem südamerikanischen Land liegt ein großer Teil der für die Produktion der Akkus von E-Autos so wichtigen weltweiten Lithium-Vorkommen. Während Boric auf ein neues zu gründendes staatliches Unternehmen zur Lithium-Gewinnung setzt, will Kast dies privaten Unternehmern übertragen.

Jetzt kommt es darauf an, wer bis zum 19. Dezember die Stimmen derjenigen gewinnen kann, die sich bisher noch für keinen der beiden Stichwahlkandidaten entschieden haben.

"Wir dürfen nicht in die Falle des Ignorierens oder der Provokation tappen, unsere Pflicht ist es, zuzuhören und zu verstehen, heute ist es unsere Pflicht, zu überzeugen, dass wir auf dem Weg sind, ein gerechteres Land aufzubauen", betont Gabriel Boric.

Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS), Alvaro Elizalde, rief nach Bekanntwerden der Ergebnisse seine Partei dazu auf, im zweiten Wahlgang für Boric zu stimmen, da die Gefahr bestehe, dass der Pinochettismus in die La Moneda zurückkehre: "Kast ist eine Bedrohung und eine Gefahr für das Leben der Chilen*innen", sagte er.


Honduras: Wahlkampf beendet

Am Sonntag endete der Wahlkampf in Honduras. Dort werden am 28. November der/die Präsident(in), 128 Mitglieder des Kongresses, 20 Mitglieder des zentralamerikanischen Parlaments, 298 Bürgermeister und 2.092 Stadträte gewählt.

HN Xiomara Castro 2021Auf den Stimmzetteln der Präsidentschaftswahl stehen 14 Namen, aber die Entscheidung wird zwischen der Kandidatin von der linken Libre (Libertad y Refundación), Xiomara Castro de Zelaya (Ehefrau des ehemaligen Präsidenten Manuel Zelaya), und der neoliberalen Kandidatin der regierenden Nationalen Partei, Nasry Asfura, fallen.

Umfragen deuten darauf hin, dass Xiomara Castro gewinnen könnte. Auf diese Weise würden die progressiven und linken Kräfte in Honduras an die Regierung zurückkehren, nachdem die Rechte mit Unterstützung der USA vor 12 Jahren den verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya gestürzt hat.