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Negev Summit 2022 03 27 Tln 231.03.2022: Regionalgipfel arabischer Länder und Israels in der Negev-Wüste ++ Unter der Führung von Tel Aviv und mit dem Segen der USA ist eine israelisch-arabische NATO im Entstehen begriffen ++ Palästinensische Autonomiebehörde blieb außen vor.

 

 

Auf Einladung des israelischen Außenministers Yair Lapid kamen seine Amtskollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Ägypten sowie der US-Außenminister Antony Blinken am 27./28. März zwei Tage lang in der südisraelischen Stadt Sde Boker zum regionalen Negev-Gipfel. Eigentlich sollten auch die sudanesischen Putschgeneräle, die für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Khartum und Israel eintreten und sich guter Beziehungen zu Tel Aviv, Kairo und Abu Dhabi rühmen, an dem Gipfel teilnehmen. Ihre Anwesenheit hätte jedoch den US-Außenminister Blinken in ziemliche Verlegenheit gebracht, obwohl Washington seine Verurteilung des Staatsstreichs in Khartum abgeschwächt hat.

Auch Saudi-Arabien, das die Abraham-Vereinbarung nicht unterzeichnet hat, nahm nicht an dem Gipfel teil, äußerte aber Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel. Saudi-Arabien sucht im Machtkampf mit dem Iran um die Rolle einer Regionalmacht nach Verbündeten.

Der jordanische Außenminister nahm ebenfalls nicht teil, obwohl Amman seit 1994 ein Friedensabkommen mit Israel hat. Der jordanische König Abdullah II. traf sich am Montag in Ramallah mit dem palästinensischen Präsidenten Abbas, nachdem er sich Anfang des Monats mit Israels Außenministers Yair Lapid getroffen hatte.

Iron DomeDer israelische Fernsehsender Channel 12, der der Regierung Bennett nahesteht, stellte den Gipfel als entscheidenden Schritt zur Schaffung einer regionalen Einheitsfront gegen den Iran dar. Der TV-Kolumnist Ben Caspit erklärte, dass Israel im Bereich der Militärtechnologie viel zu bieten hat und dass die Gipfelteilnehmer über ein regionales Raketenwarnsystem diskutieren werden. Die jüngsten Angriffe des Iran und seiner Stellvertreter auf die saudische Infrastruktur und andere Ziele im Nahen Osten haben die Koalition aus Israel und einer Reihe arabischer Länder in der Region zusammengebracht, um einen gemeinsamen Mechanismus zum Aufspüren und Abfangen von Raketen und unbemannten Flugkörpern zu entwickeln.

Ziel ist es, jedes Land des "Abrahamischen Abkommens" [1] zu verpflichten, die anderen Mitglieder zu verteidigen. Sollte Israel also den Iran und seine Kernkraftwerke angreifen, würden seine arabischen Verbündeten ihre Raketenabwehr in Gang setzen und damit eine erste Barriere gegen Teherans Reaktion bilden.

Ein zufriedener Yair Lapid erklärte am Dienstag, dass der Negev-Gipfel "der erste, aber nicht der letzte" sei. "Gestern Abend haben wir beschlossen, dass das Negev-Forum von Dauer sein wird... unsere gemeinsamen Fähigkeiten schüchtern unsere gemeinsamen Feinde ein und schrecken sie ab, allen voran den Iran und seine Gefolgsleute", sagte Lapid auf der Pressekonferenz am Ende des Forums. "Wir schreiben Geschichte und bauen eine neue regionale Architektur auf, die auf Fortschritt, Technologie, religiöser Toleranz, Sicherheit und nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit beruht", fügte er hinzu.

Unter der Führung von Tel Aviv und mit dem Segen der Vereinigten Staaten ist eine israelisch-arabische NATO im Entstehen begriffen.

Darüber hinaus ist Israel die Achse, die die Länder der Region mit den USA verbindet, da die Golfmonarchien den us-amerikanischen Rückzug im Mittleren Osten immer stärker wahrnehmen, der insbesondere von den Emiraten und Saudi-Arabien kritisiert wird. Um die Abkühlung der Beziehungen zum Weißen Haus zu signalisieren, hat Abu Dhabi den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt und nicht gezögert, sich mit den Spitzenpolitikern des Kremls zu treffen, mit denen es eine Reihe von Abkommen unterzeichnet hat.

Waren die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit die Brücke zwischen Israel und den Emiraten, so ist es nun Tel Aviv, das dazu beiträgt, die Beziehungen zwischen Washington und der Golfregion aufrechtzuerhalten.

Gipfel ohne Palästinenser

Für die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde ist das erweiterte Gipfeltreffen der Länder des Abraham-Abkommens ein Schlag in die Magengrube. Zwar erklärte das US-Außenministerium, dass sich Antony Blinken nicht nur mit den "destabilisierenden Aktivitäten des Irans" befasse, sondern auch mit Möglichkeiten zur Verbesserung der israelisch-palästinensischen Beziehungen. Blinken sagte, dass sich die USA für eine Zukunft in Wohlstand und Sicherheit für "Israelis und Palästinenser" einsetzen werden.

Aber das ist nur Schall und Rauch, um eine Tatsache zu verschleiern: Der Negev-Gipfel wurde nicht organisiert, um Frieden, Rechte und Stabilität in der Region zu fördern. Vielmehr diente er dazu, die militärische, strategische und nachrichtendienstliche Allianz zu festigen, die Israel ab 2020 mit den Unterzeichnerstaaten des Abraham-Abkommens verbindet, zu denen auch Ägypten gehört. Andernfalls wären die palästinensische Vertretung, die inzwischen selbst von arabischen Königen und Präsidenten vergessen wird, zum Gipfel eingeladen worden.

Antony Blinken traf sich mit Palästinenserpräsident Abu Mazen und anderen führenden Vertreter*innen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) außerhalb des Gipfels. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Abu Mazen, ein Führer, der in seinem Volk so gut wie keine Unterstützugn mehr hat, musste sich mit substanzlosen Gesprächen mit Bliken begnügen. Er konnte Blinken lediglich an die Heuchelei des Westens erinnern, der zwar bereit ist, der von Russland überfallenen Ukraine sofort und energisch zu Hilfe zu kommen, aber zu der seit 55 Jahren dauernden israelischen Besatzung und der Apartheid gegenüber den Palästinenser*innen zu schweigen.

"Die arabischen Normalisierungsgespräche (mit Israel) ohne ein Ende der Besetzung Palästinas sind nur eine Illusion, eine Fata Morgana und eine kostenlose Belohnung für Israel", kommentierte der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete Mohammed Shttayeh. "Israel ignoriert unser Volk, das zur Hälfte unter Besatzung steht und zur anderen Hälfte in Flüchtlingslagern, im Exil und in der Diaspora lebt", betonte er.

Protest Negev

Das Linksbündnis "Gemeinsame Liste" [2] prangert an, dass der israelische Wüstengipfel nicht nur die Palästinenser*innen ignoriert, sondern auch die Besatzung vertieft. Das politische Bündnis wies darauf hin, dass der Gipfel in der Negev-Region stattfindet, "wo die Regierung täglich Häuser zerstört und die beduinischen Araber ihres Landes beraubt. … Der heute im Negev stattfindende Gipfel ist kein Friedensgipfel, sondern ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des strategischen Ziels der israelischen Regierung, die palästinensische Frage an den Rand der Tagesordnung zu drängen".

 

 

Anmerkungen

[1] Als "Abraham-Abkommen" wird der "Vertrag des Friedens, der diplomatischen Beziehungen und der vollständigen Normalisierung" zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Staat Israel genannt, der am 15. September 2020 vor dem Weißen Haus in Washington, D.C. vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem Außenminister der Emirate Abdullah bin Zayid Al Nahyan in Anwesenheit von US-Präsident Donald Trump unterzeichnet wurde.
Zeitgleich erfolgte ein Friedensvertrag zwischen Israel und Bahrain durch Außenminister Abdullatif bin Raschid al-Sajani.
Im November 2021 hat Israel hat mit Marokko ein Verteidigungsabkommen geschlossen., das eine enge Kooperation der zwei Länder unter anderem in den Bereichen Geheimdienst, Industrie und militärischer Ausbildung beinhaltet. So liefert Israel an Marokko Kampfdrohnen für den Einsatz gegen die Westsahaurische Befreiungsfront Polisario, die gegen die Besatzung der Westsahara durch Marokko kämpft.

[2] Die "Gemeinsame Liste", ein Bündnis von drei Parteien der arabischsprachigen Bevölkerung Israels (Balad, Ta'al und Ra'am) und des von den israelischen Kommunist*innen initiierte Bündnis Hadash ("Demokratische Front für Frieden und Gleichberechtigung"), hat bei der Parlamentswahl im März 2020 15 Sitze gewonnen und stellt die drittgrößte Fraktion in der Knesset.
siehe kommunisten.de: "Israel: 'historischer' Wahlgewinn der Arabischen Allianz wird von Netanjahus Aufschwung überschattet. Schlechte Zeiten für Frieden in Nahost"