Wirtschaft

muenchen amerzon okt 2014 122231.10.2014: „Es wird Zeit, dass wir den Konflikt auch dorthin tragen, wo die Entscheider von Amazon in Deutschland sitzen“, rief Verdi-Sekretär Hubert Thiermeyer den Streikenden vor dem Amazon-Logistikzentrum in Graben bei Augsburg zu. Am nächsten Tag kamen etwa 200 Amazon-Streikende aus Graben mit Transparenten und vielen Trillerpfeifen zur deutschen Amazon-Zentrale in München-Freimann. Die Protestkundgebung stand unter dem Motto „Gute Arbeit, gute Leute, gutes Geld“ und damit auch das US-Management kapiert, worum es geht, ein großes Transparent: „Work fair, have fun, make Tarifvertrag“.

Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber hatte sich am gleichen Tag zur Messe NEOCOM für E-Commerce, Multichannel und Marketing nach Düsseldorf abgesetzt, wo er als Eröffnungsredner auftrat. Streikende aus den beiden NRW-Versandhandelszentren Rheinberg und Werne waren nach Düsseldorf gereist und rückten ihm auf der Messe auf die Pelle. „Die Messebesucher sollen wissen, dass Amazon den Tarifvertrag ablehnt und Löhne und Arbeitsbedingungen einseitig und willkürlich festlegt“, erklärte Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied von Verdi (zuständig für Bereich Einzelhandel) bei der Kundgebung in München. „Und Herr Kleber muss wissen: Wenn er die Beschäftigten nicht in der Münchner Zentrale empfangen kann, reisen die Beschäftigten auch zu ihm nach Düsseldorf. Er sollte den Mut und die Entschlossenheit der Amazon-Beschäftigten nicht unterschätzen“, betonte die Gewerkschafterin.

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Das wurde auch deutlich aus den Äußerungen der Betroffenen. Eine Kollegin: „Wir wünschen uns, dass wir einen Tarifvertrag kriegen, wir wünschen uns faire Bedingungen, wir wünschen uns, dass wir nicht immer gegängelt werden“. Und ein Kollege: „Wir wollen endlich wie Mitarbeiter behandelt werden und dementsprechend was wir leisten auch bezahlt werden“. Eine Kollegin: „Ich muss sagen, dass die uns wirklich nur noch behandeln wie Roboter“. Und schließlich eine weitere: „Der Tarifvertrag ist ganz, ganz wichtig und die Pausenzeiten sind wichtig, damit die Leute ausruhen können und nicht ständig den Druck im Kopf haben“.

Nach Angaben des Augsburger Verdi-Sekretärs Thoma Gürlebeck, setzt Amazon seine Mitarbeiter so unter Druck, dass sie reihenweise krank werden. Und dann schickt ihnen das Unternehmen Abmahnungen ins Haus und kürzt die Löhne, weil sie angeblich unentschuldigt nicht zur Arbeit gekommen sind. „Dabei haben sie alle ordnungsgemäß ihre Krankmeldungen abgegeben, aber diese wurden einfach nicht bearbeitet“, so Gürlebeck. Sie verschwanden schlichtweg in Schubläden.

Seit 2013 versucht Verdi, Amazon zum Abschluss eines Tarifvertrages zu bewegen. Und zwar mit einer Bezahlung nach dem Einzelhandelstarif. Amazon lehnt das ab, sieht sich nicht als Einzelhandels- sondern Logistikunternehmen mit weit schlechteren Lohn- und Tarifbedingungen. Die Beschäftigten brauchen so einen langen Atem für ihren Kampf, den sie sich offenbar aber zutrauen. Insgesamt beteiligten sich 2000 Beschäftigte an den Standorten Graben (Augsburg), Bad Hersfeld (Hessen), Leipzig, Rheinberg und Werne (NRW) an den Streiks. Sie beschlossen spontan, die Arbeitsniederlegungen bis Freitag zum Schluss der Spätschicht fortzusetzen. Wenn Amazon auch weiterhin einen Tarifvertrag ablehnt, dann war dies die Generalprobe für Streiks während des Weihnachtsgeschäfts. Stefanie Nutzenberger: „Amazon hat es selbst in der Hand, dass Lieferversprechen und Weihnachtsgeschäft reibungslos laufen. Solange Amazon den Beschäftigten den Respekt und Schutz durch Tarifverträge verweigert, werden wir den Druck aufrechterhalten. Das gilt auch im Weihnachtsgeschäft“. Und Thomas Gürlebeck: „Weihnachten steht vor der Tür. Wir auch“.

Text: Fred Schmid       Fotos: ver.di