Wirtschaft

Amazon Aktionstag2020 11 27 verdi30.11.2020: Pünktlich zum umsatzstarken "Black Friday" am 27.11. legten Amazon-Beschäftigte in vielen Verteilzentren rund um den Globus die Arbeit nieder ++ In Deutschland hatte die Gewerkschaft ver.di in sieben Versandzentren zu einem dreitägigen Streik aufgerufen ++ Neue "Internationale" gegründet ++ Gemeinsamer Aufruf von MakeAmazonPay: "Wir nehmen es mit dem reichsten Mann des Planeten und seinem internationalen Konzern auf"

 

 

Jeff Bezos, Gründer und oberster Chef von Amazon, ist der Krisengewinnler, wie er im Buche steht. Im dritten Quartal 2020 ist Amazons Umsatz im Vergleich zum Quartal des Vorjahres um 37 Prozent auf 96,1 Milliarden Dollar gestiegen, der Gewinn verdreifachte sich auf einen Rekordwert von 6,3 Milliarden Dollar. Kaum ein anderes Unternehmen hat in der Corona-Pandemie so gute Geschäfte gemacht. Und Bezos will in diesem Jahr noch höher hinaus. Bei der Veröffentlichung der Quartalszahlen Anfang November sprach er davon, dass Amazon im vierten Quartal mit einem "beispiellosen" Weihnachtsgeschäft rechne. Der Konzern könnte erstmals im Jahresschlussquartal die Umsatzmarke von 100 Milliarden Dollar reißen.

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Mit keinem Wort erwähnt Bezos diejenigen, die ihm diese Umsätze und Gewinne Tag für Tag, Jahr für Jahr einfahren. Es sind die rund 840.000 Beschäftigten, die inzwischen auf der ganzen Welt dafür sorgen, dass die Bestellungen, die über Amazon getätigt werden, möglichst schnell bei den Kunden ankommen.

Die Stundenzuschläge von zwei Euro, die Amazon Deutschland den über 20.000 in Deutschland Beschäftigten noch im Frühjahr während der ersten Corona-Welle zahlte, wurden im Sommer längst wieder gestrichen. Das war auch deshalb möglich, weil die Beschäftigten auch nach acht Jahren Auseinandersetzung und wiederholten Streiks immer noch keinen Tarifvertrag haben, und auch keine Betriebsvereinbarungen, die Zuschläge oder Tariferhöhungen für einen fest vereinbarten Zeitraum festschrieben. Und in Zeiten von Corona ist es den an fast allen Amazon-Standorten existenten Betriebsräten nicht einmal möglich, Betriebsvereinbarungen zu Kurzarbeitergeld oder Gesundheitsschutz abzuschließen. [1]

Der für Amazon zuständige ver.di-Sekretär Orhan Akman kritisiert: "Gleichzeitig macht der Konzern mit dem reichsten Mann der Welt an der Spitze durch Coronavirus-Pandemie, »Black Friday«, »Cyber Monday« und im Weihnachtsgeschäft riesige zusätzliche Milliardengewinne." Der Konzern opfere den maximalen Profitzielen die Gesundheit der Beschäftigten indem Schutzmaßnahmen in den Versandzentren missachtet werden, so Akman.

Nach Angaben von ver.di sind am Standort Graben bei Augsburg derzeit von den insgesamt 1.800 Beschäftigten rund 300 Beschäftigte an Covid-19 erkrankt. Von den ver.di-Mitgliedern unter den Infizierten liegen fünf auf der Intensivstation. Auch in Koblenz wurden bei einem ersten Massentest bei 800 von insgesamt 2.800 Beschäftigten 170 positiv getestet, beim letzten Test vor einer Woche noch einmal 130. Die komplette Nachtschicht musste für zwei Wochen in Quarantäne geschickt werden. Die zuständige Amtsärztin sagt, Amazon sei ein Corona-Hotspot, aber Amazon wolle das nicht eingestehen, berichtet Petra Kusenberg, die bei ver.di Rheinland-Pfalz-Saar für Amazon zuständig ist. "Du kannst dir gar nicht aus dem Weg gehen", sagen ihr immer wieder Beschäftigte.

"Immenser Druck, ständige Leistungsverdichtung, permanente Leistungskontrollen, schlechte Führungskultur, unzureichende Erholungs-/Durchatmungszeiten und fehlende Wertschätzung, gepaart mit mangelhaften Infektionsschutzvorkehrungen: Das alles sind schlechte Arbeitsbedingungen, die bei Amazon häufig an der Tagesordnung sind."
Sylwia Lech, ver.di-Betreuungssekretärin Amazon Graben

Und so geht es ver.di diesmal neben dem seit acht Jahren währenden Kampf um die Anerkennung des Versandhandel-Tarifvertrages verstärkt um den Gesundheitsschutz. Um den Druck zu verstärken, hat die Gewerkschaft in sieben Versandzentren - Leipzig, Graben, Rheinberg, Werne, Koblenz, Brieselang und Winsen - zu einem dreitägigen Streik aufgerufen.

   


Neue internationale Bewegung »MakeAmazonPay«

Der globale Aktionstag am 27. November wurde durch eine neue "Internationale" organisiert, die gemeinsam für die Forderungen der Amazon-Beschäftigte eintritt - mit Streiks in Amazon-Lieferzentren und Solidaritätsaktionen auf der ganzen Welt. Der Koalition gehören bereits Millionen von Arbeiter*innen und Aktivist*innen aus verschiedenen Sektoren an: vom Internationalen Gewerkschaftsbund, dem weltweiten Gewerkschaftsbund der Industriegewerkschaften IndustriAll, dem internationalen Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften UNI Global Union, dem weltweiten Dachverband der Journalismusgewerkschaften und der globalen Gewerkschaftsföderation der Bauarbeiter*innen über die Amazon Workers International und Amazon Employees for Climate Justice bis hin zu Tax Justice Network, Oxfam, Data for Black Lives und momentum. Am Freitag hat sich auch die »Progressive International« [2] dem Bündnis von Amazon-Lagerarbeiter*innen, Gewerkschaften, Klimaaktivisten und sozialen Bewegungen auf der ganzen Welt angeschlossen.

   

 

 

Der gemeinsame Aufruf »MakeAmazonPay«[3]

Amazon Logo make amazon payWir sind Lagerarbeiter*innen, Klimaaktivist*innen und Bürger*innen aus der ganzen Welt. Wir nehmen es mit dem reichsten Mann des Planeten und seinem internationalen Konzern auf.

Amazon ist einer der mächtigsten Konzerne der Welt. An seiner Spitze steht der reichste Mann des Planeten, CEO Jeff Bezos.

Amazon ist im Laufe der COVID-19-Pandemie zu einem Billionen-Dollar-Unternehmen geworden. Sein Chef Bezos wurde der erste Mensch in der Geschichte, der ein Privatvermögen von 200 Milliarden Dollar anhäufte. Währenddessen setzten Amazons Lagerarbeiter*innen als essenzielle Arbeitskräfte ihr Leben aufs Spiel – und erhielten dennoch nur eine kurzlebige temporäre Lohnerhöhung.

In dem Maße, wie Amazons Firmenimperium expandiert, wächst auch sein CO2-Fußabdruck. Dieser ist schon größer als die Emissionen von zwei Dritteln aller Länder der Welt. Amazons wachsendes Liefer- und Cloud-Geschäft beschleunigt den globalen Klimakollaps.

Wie alle großen Unternehmen wäre Amazons Erfolg unmöglich ohne die öffentlichen Institutionen, die Bürger*innen über Generationen hinweg gemeinsam aufgebaut haben. Doch anstatt den Gesellschaften, die Amazons Wachstum ermöglicht haben, etwas zurückzugeben, der Konzern kaum Steuern zahlt. Im Jahr 2019 führte Amazon in den Vereinigten Staaten, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, nur 1,2% Einkommensteuer ab. In den zwei Jahren davor waren es 0%.

Amazon ist mit diesen Praktiken nicht allein, sondern steht im Mittelpunkt eines gescheiterten Systems, das die Ungleichheit, die Klimakatastrophe und den Verfall der Demokratie vorantreibt, die unser Zeitalter ohnehin schon heimsuchen.

Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie Amazon seine Gewinne vor das Wohl der Arbeitnehmenden, der Gesellschaft und unseres Planeten stellt. Amazon nimmt zu viel und gibt zu wenig zurück. Es ist an der Zeit, Amazon bezahlen zu lassen.

Wir sind Arbeiter*innen, Aktivist*innen und Bürger*innen aus der ganzen Welt, die sich zusammengeschlossen haben, damit Amazon seine Arbeiter*innen fair bezahlt, für seine Umweltkosten aufkommt und endlich seine Steuern zahlt.

Wir fordern, dass Amazon seine Politik und Regierungen ihre Gesetze ändern, um:

1. Die Arbeitsbedingung zu verbessern, indem:

  • die Löhne der Arbeiter*innen in allen Amazon-Lagerhäusern entsprechend dem wachsenden Reichtum des Unternehmens angehoben werden, einschließlich der Gefahrenzulagen und der Prämienzahlungen für Stoßzeiten;
  • angemessene Pausenzeiten ausgehandelt werden, um eine sichere Arbeit zu gewährleisten;
  • das strikte Produktivitäts- und Überwachungsregime ausgesetzt wird, das Amazon benutzt hat, um seine Arbeiter*innen bis zum Letzten auszuquetschen – und das ihre Rechte verletzt und ihre Sicherheit gefährdet;
  • der bezahlte Krankheitsurlaub auf alle Arbeiter*innen Amazons ausgedehnt wird, so dass keine Arbeitnehmerin mehr zwischen ihrer Gesundheit und ihrem Arbeitsplatz wählen muss;
  • den Beschäftigten in Betrieben ohne betriebliche Interessenvertretung die Möglichkeit gegeben wird, unabhängige Ausschüsse für Gesundheit und Sicherheit zu wählen, die mit Amazon verhandeln, um ein sicheres Arbeitstempo zu gewährleisten und so immer wieder auftretende Verletzungen zukünftig zu vermeiden;
  • die Vorgehensweise des Unternehmens zur Verfolgung und Meldung von COVID-19-Fällen sowie aktualisierte Listen von Infektions- und Todesfällen unter allen Arbeiter*innen in Amazon-Lagerhäusern offengelegt werden, aufgeschlüsselt nach Betriebsstätten.

2. Jobsicherheit für alle zu garantieren, indem:

  • alle Formen der Gelegenheitsbeschäftigung und Scheinselbstständigkeit oder des Status eines Auftragnehmenden beendet werden;
  • angemessene, transparente Verfahren eingeführt werden, über die Arbeitnehmende Bedenken und Kritik äußern können, ohne Angst vor Strafe oder Sanktionen haben zu müssen;
  • alle Arbeiter*innen wieder eingestellt werden, die entlassen wurden, weil sie sich zu Fragen der Gesundheit und Sicherheit von Amazon-Angestellten sowie Kund*innen geäußert haben; weil sie sich um die Organisierung von Kolleg*innen bemüht haben; oder aufgrund der selektiven Durchsetzung interner Richtlinien.

3. Universelle Arbeiter*innenrechte zu achten, indem:

  • eine Gängelung der Gewerkschaften („Union Busting”) unterlassen, das Recht der Arbeiter*innen auf Organisierung respektiert, sowie die Rechte von Gewerkschaften, für die Interessen der Arbeiter*innen einzustehen, geachtet werden; sowie unverzüglich auf alle Formen von Überwachung und Abhören jeglicher Arbeiter*innen und Organisator*innen verzichtet wird;
  • den Gewerkschaften Zugang zu den Amazon-Betriebsstätten gewährt wird, um die Beschäftigten über die Vorteile einer gewerkschaftlichen Organisierung zu informieren, so dass alle Beschäftigten frei wählen können, ob sie einer Gewerkschaft beitreten wollen, ohne Repressalien befürchten zu müssen;
  • Verhandlungen mit Gewerkschaften geführt werden, sofern sie vor Ort präsent sind, um Tarifverträge über die Lohn- und Arbeitsbedingungen von Amazon-Beschäftigten abzuschließen;
  • die Arbeitnehmer*innenrechte in allen Lieferketten von Amazon weltweit geachtet werden;
  • die Macht mit den Arbeitnehmenden geteilt wird, beispielsweise durch die Aufnahme von Vertreter*innen der Arbeiterschaft in den verschiedenen Management-Ebenen, die von ihren Kolleg*innen gewählt werden; und durch die Erweiterung der Möglichkeiten für Arbeitnehmende, nicht nur Aktien des Unternehmens, sondern auch Stimmrechte zu erhalten, so dass das Unternehmen sich auf ein Modell der demokratischen Führung zubewegt.

4. Nachhaltig zu wirtschaften, indem:

  • Null Emissionen bis 2030 angestrebt werden;
  • alle Amazon Web Services-Verträge mit Konzernen, die Öl- und Gasförderung beschleunigen, beendet werden;
  • Amazons Komplizenschaft im Umweltrassismus beendet wird, unter anderem durch den Übergang zu Elektrofahrzeugen zuerst in den Gemeinden, die am stärksten von der Umweltverschmutzung durch das Unternehmen betroffen sind;• jegliche Förderung von Klimawandelleugnung eingestellt wird;
  • Angestellte in einen Prozess für einen gerechten Übergang eingebunden werden: Die Angestellten haben ein Recht, sicher zu sein, dass ihr Arbeitgeber nachhaltig arbeitet.

5. Etwas der Gesellschaft zurückzugeben, indem:

  • Steuern komplett gezahlt werden, und zwar in den Ländern, in denen die tatsächliche Betriebsaktivität auch stattfindet; Steuerhinterziehung und -vermeidung durch Gewinnverschiebung, Schlupflöcher und die Nutzung von Steueroasen beendet werden; sowie vollständige Steuertransparenz gewährleistet wird;
  • wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken, die zu einer Monopolisierung führen, beendet werden;
  • die Zusammenarbeit mit Polizei- und Einwanderungsbehörden, die institutionell rassistisch sind, beendet werden;
  • Privatsphäre und Vertraulichkeit aller Internet of Things-Anwendungen und Software, die von Amazon produziert oder über Amazon verkauft wird, einschließlich Alexa/Echo-Geräten, Streaming- und Cloud-Diensten, gewährleistet wird;
  • die Entwicklung, der Einsatz und der Verkauf von Geräten und Software, die Massenüberwachungspraktiken ausweiten, wie z.B. der Amazon-Ring und Gesichtserkennungs-/Biometriesoftware wie Rekognition, beendet wird.

Unterzeichnende: 350.org, Aapti Institute India, Algorithm Watch, All India IT and ITeS Employees’ Union, Amazon Workers International, Amazon Employees for Climate Justice, Athena Coalition, Building and Wood Worker’s International, Berlin vs. Amazon, Campaign for a Commercial-Free Childhood, Canadian Center for Policy Alternatives, Centre for International Corporate Tax Accountability and Research, Data 4 Black Lives, Education International, European Arts and Entertainment Alliance, Focus on the Global South, Friends of the Earth France, Greenpeace, Global Labor Justice - International Labor Rights Forum, Hawkers Joint Action Committee, Industri All, IT for Change, International Federation of Journalists, International Trade Union Confederation, International Transport Workers’ Federation, International Union of Food, Agricultural, Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers’ Associations, Joint Action Committee against Foreign Retail and E-commerce (India) Model Alliance, Momentum, Our Revolution, Oxfam, Progressive International, Public Services International, Tax Justice Network, UNI Global Union, SOLIDAR, Sunrise Movement, The Leap, The Transnational Institute, War on Want, Workings Peoples’ Charter 

 

 

Anmerkungen

[1] ver.di, 25. November 2020: Beschäftigte streiken für gute und gesunde Arbeit
https://www.verdi.de/themen/geld-tarif/++co++7bd90586-2f21-11eb-aaf2-001a4a16012a

[2] https://progressive.international/members

[3] https://makeamazonpay.com/de/


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