Wirtschaft

24.11.2022: Zusammenstöße zwischen Arbeiter:innen und Sicherheitskräften in "iPhone-City", der Megafabrik, in der mehr als die Hälfte aller iPhones der Welt hergestellt wird. Grund für die Proteste sind die strengen Coronaauflagen in der Fabrik, nicht gezahlte Prämien und untragbare Arbeitsbedingungen. Videos von den Unruhen durchbrechen die Zensur und kursieren in den sozialen Netzwerken.

 

Die soziale Unzufriedenheit in China über die "Zero Covid"-Strategie ist inzwischen offenkundig und überschreitet sogar die Grenzen, die durch die strenge chinesische Zensur gesetzt sind. Jetzt ist die Megafabrik des taiwanesischen Auftragsfertigers Foxconn in der ostchinesischen Metropole Zhengzhou zum Schauplatz von Zusammenstößen zwischen Hunderten von Fabrikarbeiter:innen und Sicherheitskräften geworden. Nach gebrochenen Versprechen des Unternehmens, haben sich Beschäftigte mit den für die Wiederherstellung der Ordnung zuständigen Mitarbeitern geprügelt. Die Zusammenstöße wurden live auf der Kurzvideo-Plattform Kuaishou übertragen.

Auf Foxconn entfallen 70 % der weltweiten iPhone-Lieferungen. Der Großteil der Telefone wird im "iPhone-City" genannten Werk in Zhengzhou hergestellt, aber es gibt auch kleinere Produktionsstätten in Indien und Südchina. Seit Foxconn in China mit der Produktion der iPhones für Apple im Jahr 2007 begann, wurde das Unternehmen immer wieder mit Vorwürfen von schlechten Arbeitsbedingungen, miserablen sanitären Einrichtungen, Misshandlung von Arbeiter:innen und harten Strafen für Arbeiter:innen, die Fehler machen, konfrontiert. In den Jahren 2010 und 2011 gab es eine Welle von Suiziden unter den Foxconn-Beschäftigten, was dazu führte, dass Apple und Foxconn Veränderungen in den Fabriken durchführten. Der Bau der Megafabrik in Zhengzhou begann im Jahr 2010. In diesem Werk sind 250.000 Arbeiter:innen ständig beschäftigt. Wenn Ende Juni die Produktion für die Markteinführung des neuen iPhone im Herbst und die Produktion für das Weihnachstgeschäft hochgefahren wird, steigt die Zahl der Arbeiter:innen auf 350.000. "Die Gehälter sind niedrig, die Tage sehr lang, die Bedingungen ziemlich schlecht. Die Industrie überstrapaziert Arbeiter sehr schnell und rekrutiert pausenlos", heißt es in einem Bericht der Nichtregierungsorganisation China Labour Bulletin.

Die Foxconn-Fabrik in Zhengzhou war bereits zu Monatsbeginn ins Rampenlicht gerückt, als die Beschäftigten, die in Schlafsälen leben und auf dem Foxconn-Gelände essen, flohen, nachdem sich die Nachricht von einer Abriegelung der Megafabrik und der Einrichtung von Isolationsbereichen nach einem Covid-Ausbruch verbreitet hatte. Die Arbeiter:innen zogen es vor, nach Hause zurückzukehren, um die Quarantäne in der Fabrik zu vermeiden. Sie begannen ihre lange Reise zu Fuß, über Straßen und Felder, während sie Decken, Taschen und andere persönliche Gegenstände mit sich führten.

Um einen Produktionsstopp bei einem der meistverkauften Produkte während des Schwarzen Freitags und der Weihnachtszeit abzuwenden, bot Foxconn seinen Arbeiter:innen Bonuszahlungen an, um sie zum Bleiben zu bewegen. Das Unternehmen erklärte im Netzwerk WeChat, pro Anwesenheitstag 400 Yuan (55 Euro) auszuzahlen.

Das Werk operierte weiter in einem so genannten "geschlossenen Kreislauf", in dem die Beschäftigten das Werksgelände nicht verlassen dürfen, sondern auf dem Gelände essen, übernachten und dort auch ihre Freizeit verbringen. Die Beschäftigten zahlen einen hohen Preis für die Erpressung durch ein Unternehmen, das das Ziel der Produktivität innerhalb einer "Gesundheitsblase" verfolgt.

Der Technologieriese hielt jedoch sein Versprechen nicht ein. Am Mittwoch (23.11.) machten die Beschäftigten ihrem Ärger Luft. Einige Videos, die in den sozialen Netzwerken kursierten und kurzzeitig die chinesische Zensur passieren konnten, zeigen Hunderte von Mitarbeitern, die mit Schutzanzügen bekleidet mit den Sicherheitskräften des Unternehmens aneinandergeraten oder die Barrieren niederreißen, die zur Abgrenzung der Isolationsbereiche errichtet wurden.

Der Grund für die gestrigen gewaltsamen Proteste scheint die Nichtauszahlung der versprochenen Prämien und die Ausbreitung der Infektion im Werk zu sein: Das Unternehmen soll die Bedingungen geändert haben und will die Beschäftigten zwingen, bis März im Werk zu bleiben und im Falle eines positiven Covid-Tests sollen sie ihre Vergütung verlieren. Neu eingestellte Arbeiter:innen beklagten sich in den sozialen Medien auch über die prekären Bedingungen des Zusammenlebens mit ihren älteren Kolleg:innen. Sie beschweren sich, dass sie gezwungen seien, Schlafsäle mit Kolleg:innen zu teilen, die positiv auf COVID-19 getestet worden waren. Aber es gibt auch Unzufriedenheit über die schwierigen hygienischen Bedingungen in der Fabrik und den Mangel an Lebensmitteln und anderen Grundbedürfnissen.

Das Unternehmen hat sich gegen die Anschuldigungen verteidigt und erklärt, dass es die Bedingungen für die Zahlung der Gehälter eingehalten und die Regeln für die Eindämmung von Covid beachtet hat. Um die gewalttätigen Proteste zu beenden, versprach Foxconn jedem eingestellten Arbeiter 10.000 Yuan (etwa 1.400 Dollar) für die Vertragsbeendigung zu geben, wenn er das Werk sofort verlasse.

Foxconn sprach offenbar auch denjenigen eine Entschädigung zu, die bei Protesten der vergangenen Tage und bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt worden waren. Ein Angestellter erzählte der Nachrichtenagentur AFP, dass Verletzte einen Bonus von 500 Yuan bekommen hätten. Wie berichtet wird, habe sich das Foxconn-Management bei den Arbeiter:innen entschuldigt.

Die Revolte zeugt von den enormen Widersprüchen der von der chinesischen Regierung verordneten "Zero Covid"-Strategie. China verfolgt unverändert eine strikte Null-Covid-Strategie mit Lockdowns, täglichen Massentests, strenger Kontrolle, Kontaktverfolgung und Zwangsquarantäne. Dies zieht nach wie vor einschneidende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen im ganzen Land nach sich.

Die Chines:innen haben zunehmend die Nase voll von den seit fast drei Jahren geltenden Restriktionen, und der Protest in der Foxconn-Fabrik in Zhengzhou kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Land einen sprunghaften Anstieg der Krankheitsfälle und der daraus resultierenden Schließungen erlebt: In den letzten 24 Stunden haben mindestens 29.000 Neuinfektionen die Regierung in Peking aufgeschreckt, die vor kurzem die Null-Covid-Politik überarbeitet hat, indem sie den lokalen Behörden vorschlug, die Einführung allgemeiner Schließungen zu vermeiden und weiterhin Massentests durchzuführen.

Gerade auch in der Stadt, in der sich die Megafabrik von Foxconn befindet, gibt es einen weiteren Rückschlag: Vom 25. bis 29. November führen die Gesundheitsbehörden in acht Bezirken Massentests auf Covid-19 durch, bei denen die Bewohner zu Hause isoliert werden müssen.