Linke / Wahlen in Europa

TR Deniz Poyraz 2021 06 1718.06.2021: In Izmir ist gestern (17.6.) ein bewaffneter Angreifer in die HDP-Zentrale eingedrungen und hat eine Parteimitarbeiterin getötet. Die HDP geht von einem organisierten Anschlag aus und macht die Regierung und insbesondere Innenminister Süleyman Soylu dafür verantwortlich. Der kurdische Europaverband KCDK-E ruft zu Protesten auf.

 

Am gestrigen Donnerstag Vormittag (17.6.) wurde die 1983 in Mêrdîn (tr. Mardin) geborene Deniz Poyraz in der Zentrale des HDP-Provinzverbands Izmir von einem türkischen Faschisten erschossen. In dem Gebäude sollte heute eigentlich eine Vorstandssitzung stattfinden, die kurzfristig verschoben wurde. Obwohl die Parteizentrale rund um die Uhr von der Polizei überwacht wird, konnte sich der bewaffnete Täter unbehelligt Zutritt in das Gebäude verschaffen und nach dem Mordanschlag das Gebäude anzünden. Die HDP geht davon aus, dass dort ein Massaker geplant war und der Staat seine Finger im Spiel hatte.

Nach Angaben des Co-Vorsitzende der HDP, Mithat Sancar, war ein geplantes Treffen von 40 Parteifunktionären in dem Büro kurz vor dem Angriff abgesagt worden. ″Der Plan hier war klar″, sagte Sancar. ″Was sie wollten, war ein Massaker.″ Die HDP warf der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, mit ihrer oft scharfen Rhetorik gegen die HDP zu ″diesem brutalen Angriff″ angestiftet zu haben.

"Der Täter ist heute um 10.30 Uhr ganz offen mit einer Waffe in der Hand in das Gebäude gegangen. Hunderte Polizisten haben ihn ignoriert oder durchgelassen. Wir werden dafür mit juristischen Mitteln Rechenschaft einfordern und auf politischem Weg alle Provokationen scheitern lassen. Wir werden dafür sorgen, dass die Verantwortlichen dafür an der Wahlurne und auf allen Ebenen der demokratischen Politik zur Rechenschaft gezogen werden.“
Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar am 17.6.2021

Auch die Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Helin Evrim Sommer, machte Erdoğan für den ″feigen Terroranschlag″ verantwortlich. Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei 2016 habe die türkische Regierung die pro-kurdische Partei HDP ″systematisch kriminalisiert″, erklärte sie. Sie machte einen Anhänger der rechtsextremen Grauen Wölfe in der Türkei als Attentäter aus und forderte, die Bundesregierung müsse diese auch hierzulande verbieten.

  TR Attentaeter Izmir 2021 06 17  
  Bei dem festgenommenen Täter handelt es sich um einen offenkundigen Faschisten, der im Internet Fotos von sich aus Minbic und Aleppo in Nordsyrien gepostet hat.
Foto: ANF
 

 

"Freund Heiko" und "lieber Mevlüt"

Die linke HDP (Halkların Demokratik Partisi) ist die zweitgrößte Oppositionspartei in der Türkei. Die islamistisch-nationalistische Diktatur von Erdoğan geht seit Jahren hart gegen die Partei vor. Die meisten gewählten Bürgermeister wurden abgesetzt, viele ihrer Anhänger*innen und Vertreter*innen, darunter auch Parlamentsabgeordnete, sitzen im Gefängnis. Der ehemaliger Co-Vorsitzender Selahattin Demirtaş wurde im November 2016 verhaftet und sitzt seitdem in Edirne in einem Hochsicherheitsgefängnis in Untersuchungshaft. Die türkische Regierung ignoriert die Aufforderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass Demirtaş sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen sei.

Ungeachtet dieser Zustände unterhalten die Bundesregierung und insbesondere Bundeaußenminister Heiko Maas (SPD) freundschaftliche und enge Beziehungen mit der Regierung von Erdoğan. Als "sehr verehrter lieber Freund Heiko“ sprach der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu den deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) bei dessen Besuch in Ankara an. Maas bezeichnete seinen Amtskollegen mehrfach als "lieber Mevlüt“. Nur konsequent, dass die deutsche Regierung alle Sanktionsbestrebungen der Europäischen Union gegen die Türkei hartnäckig sabotiert. Freunde eben.

″In der Türkei ist keine Spur von Demokratie mehr vorhanden.″
aus einer Erklärung des kurdischen Europaverbandes KCDK-E

Eine Sprecherin der Frauenräte Viyan und Amara fordert die deutsche Bundesregierung dazu auf, ihre Appeasement-Politik gegenüber dem türkischen Regime zu beenden: ″Wir fordern vor allem die deutsche Bundesregierung dazu auf, ihre Appeasement-Politik gegenüber dem türkischen Regime zu beenden. An die internationale demokratische Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft appellieren wir, eine prinzipielle Haltung einzunehmen, die internationale Solidarität weiter zu stärken und gegen diese erbärmlichen politischen Schritte des türkischen Regimes zu handeln, die HDP zu verbieten und den Willen von Millionen von Menschen zu verleugnen.″

Der kurdische Europaverband KCDK-E verurteilt den Anschlag und ruft zu Protesten auf. ″Dieser Mord zeigt den Völkern der Türkei sowie der NATO und Europa, die Diktator Erdogan unterstützen, ein weiteres Mal das kurdenfeindliche, blutige und rassistische Gesicht des faschistischen türkischen Staates und seine AKP/MHP-Regierung. In der Türkei ist keine Spur von Demokratie mehr vorhanden. Die Menschen werden am hellichten Tag von Mördern getötet, die sich entspannt bewegen können. Verantwortlich sind die Regierungskoalition und der Mafiosi Süleyman Soylu, die ständig gegen die HDP hetzen″, erklärt der KCDK-E. Der Verband ruft für Samstag zu dezentrale Protestaktionen in Europa auf.

TR Frankfurt Soli 2021 06 17Der kaltblütige Mord an der HDP-Aktivistin Deniz Poyraz im westtürkischen Izmir erschüttert die demokratisch-kurdische Öffentlichkeit. In mehreren Städten der Türkei gingen Mitglieder und Anhänger*innen der HDP nach dem Anschlag auf die Straße. Auch inDeutschland fanden Proteste gegen den Mord und in Solidarität mit der HDP statt.

Für die Partei der Europäischen Linken verurteilte deren Präsident Heinz Bierbaum, ″den feigen Angriff auf das HDP-Büro in Izmir und die Ermordung der HDP-Mitarbeiterin und des HDP-Mitglieds Deniz Poyraz.″ Weiter heißt es: ″Unsere Solidarität und Unterstützung gilt der Familie von Frau Poyraz und der HDP. Der Angriff ist das Ergebnis der von Erdogans Regierung gepflegten Einschüchterungspolitik gegen demokratische Kräfte in der Türkei. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen auf die anhaltende Kampagne gegen die fortschrittlichen und demokratischen Kräfte in der Türkei reagieren.″