Der Kommentar

alt20.12.2010:  Vom 3. bis zum 5. Dezember trafen sich Vertreter von 51 kommunistischen und Arbeiterparteien in Tshwane Südafrika, um über die Folgen der systemischen Krise des Kapitalismus, die Stärkung der Bewegung durch soziale Allianzen und eine anti-imperialistische Front, die für Frieden, Fortschritt und Sozialismus kämpft, zu diskutieren. Nachdem wir bereits kurz berichteten und die Abschlusserklärung der Konferenz veröffentlicht haben, schildert nachstehend Heinz Stehr, Leiter der Internationalen Kommission des Parteivorstandes der DKP, weitere Eindrücke, die er aus Tshwane mitgenommen hat:

Aus allen fünf Kontinenten wurden sowohl  Erfahrungen als auch politische Schlussfolgerungen für weitere Kämpfe dargestellt. Die Folgen der Krise sind weltweit ähnlich, besonders betroffen sind die Völker der sogenannten 3. Welt, hier geht es auch um Fragen des Überlebens, wenn z.B. die Preise für Nahrungsmittel angehoben werden. Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau, Verschärfung der Repressionspolitik des Staates die Verschlechterung der Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung sind die Folgen. In Südafrika betrifft die Arbeitslosigkeit 20% der werktätigen Bevölkerung und ihre Familien.

Der Widerstand gegen diese Situation ist sehr unterschiedlich entwickelt, in Ländern mit relativ starken Gewerkschaftsbewegungen, die z.B. in Europa antikapitalistische politische Position vertreten, wurden erfolgreiche Streiks und Aktionen entwickelt bis hin zu mehreren Generalstreiks – ohne das bisher die Kraft ausgereicht hätte, einen Politikwechsel für die Arbeiterklasse und die werktätige Bevölkerung durchsetzen zu können.

Thematisiert wurden ebenfalls die Besorgnis erregenden Entwicklungen zu mehr Kriegen und zu einer aggressiven imperialistischen Politik, die in den Beschlüssen der NATO-Gipfelkonferenz von Lissabon um Ausdruck kommt. Delegierte aus dem mittleren und nahen Osten verwiesen auf die katastrophale Situation in Palästina und im Irak. Afghanistan ist Ausdruck einer Politik neokolonialistischen Charakters, die auch in Regionen Afrikas, z.B. in Somalia festzustellen ist.

Der Delegierte der KP Kubas informierte über die Vorbereitungen des Parteitages. Die Anstrengungen zur Erneuerung der Wirtschaft sind eine Voraussetzung, um den Kampf für das sozialistische Ziel zu stärken. Angesicht des Kampfes vieler kubanischer Soldaten zur Befreiung von Angola, Mocambique und von Südafrikas Apartheidregime verwies er auf die Bedeutung der internationalen Solidarität, die heute zur Unterstützung Kubas aus Südafrika geleistet wird.

Der Genosse aus der USA informierte über die Formierung der Tea-Party-Bewegung, die, zunehmend durch jüngste Wahlergebnisse beflügelt, jedwede Ansätze zu Reformen der Obama Politik bekämpft. Die 'Deklaration von Tshwane' hat die Diskussion und Schlussfolgerung, sowie die Orientierung auf nächste Aktionen kommunistischer und Arbeiterparteien zusammen gefasst. Leider war es bei diesem Treffen auch aus Zeitgründen kaum möglich, hörbar unterschiedliche Positionen zu diskutieren.

Solche Diskussionsfragen sind aus meiner Sicht:

  • die Vertiefung der Analyse des neoliberalen Kapitalismus unter den Bedingungen dieser Krise.
  • die Herausforderung, aus dieser Krise im System eine Krise des Systems zu machen, wie es Jeremy Cronien, stellvertretender Vorsitzender der SACP es nannte.
  • Die notwendige Diskussion um die Rolle linker, nicht kommunistischer Politik und der sozialdemokratischen Kräfte heute.
  • Vorstellungen von Weg zum Sozialismus und für eine sozialistische Zukunft

Das 12. internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien war politisch auch durch die Entwicklungen im Gastland Südafrika beeinflusst. Präsident Jacob Zuma überbrachte die Grüße des ANC dessen Vorsitzender er ist. Er verwies auf drei wesentliche Felder seiner Politik:

  1. Die Einheit zwischen COSATU, ANC und SACP ist der Garant für eine erfolgreiche Politik. Er formulierte, die 3er Allianz sei eine Frage auf Leben und Tod.
  2. Südafrika nützt seine politische Position, um in der internationalen Politik für progressive Veränderungen zu werben.
  3. Solidarität mit Kuba, und Palästina - speziell auch mit den kubanischen Patrioten, die in den USA widerrechtlich eingekerkert sind.

Es verwies auf komplizierte Probleme in dieser Zeit und erhoffte sich positive Antworten von Kommunisten, die ja immer Antworten hätten – so formulierte er es, verbunden mit einem feinsinnigen Lächeln.

Der Vorsitzende von COSATU begrüßte ebenfalls die Delegierten, er verwies auf die Tatsache, dass die Ernährung der Weltbevölkerung möglich ist, zugleich jedoch Menschen sterben müssen, weil z.B. die Kosten für das Grundnahrungsmittel Reis gestiegen sind. Er analysierte, dass das Kapital die Schlacht in dieser Krise gewonnen hat und nur über eine breite Gegenwehr der Neoliberalismus zu stoppen ist. Er lud eine Delegation, der auch ich angehörte, zur Feier des 25. Jahrestages von COSATU am nächsten Tag ein. In einem Stadion von Johannesburg waren tausende Aktivisten versammelt, die diesen Jahrestag immer wieder auch durch eigene Gesänge und Tänze mitgestalteten. Jeder Redner, so auch Jacob Zuma muss zunächst singen und tanzen, bevor die Rede startet.

Hör- und erkennbar wurde auf zunehmende Klassenunterschiede im Lande verwiesen: 70% der Beschäftigten haben keine festen Arbeitsverträge, zunehmende Arbeitslosigkeit und deren soziale Folgen, niedrige Löhne und hohe Preise. Es kommt zu mehr Streiks im Lande. Diese Situation ist kompliziert für die regierende 3er-Allianz. Der ANC definiert sich als klassenübergreifende Organisation, SACP und COSATU als Partei bzw. Gewerkschaft, die Klasseninteressen vertreten.

Daraus resultiert eine nicht einfach zu lösende Herausforderung, die vor allem eine große Verantwortung für die SACP ist. Blade Nazimande, Generalsekretär der SACP verwies u.a. auf nächste Aufgabenfelder:

  • Die Interessen der Arbeiterklasse müssen bestimmend werden für politische Lösungen.
  • Zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Bewegung darf es keinen Grundwiderspruch geben.
  • Die Arbeitslosigkeit muss vorrangig bekämpft werden, auch durch Reformen der Wirtschaft.
  • In einem Prozess muss der aktuelle Kampf zur Verbesserung der Lebensbedingungen mit dem Kampf um eine sozialistische Perspektive verbunden werden.
  • Dies erfordert auch eine stärkere Internationale  Vernetzung derjenigen Kräfte, die für Sozialismus stehen.

Die SACP hat erste Treffen von kommunistischen und linken Kräften in Afrika durchgeführt, ein linkes Forum ist gegründet. Durch diese Zusammenarbeit soll auf dem Kontinent politisch für progressive Entwicklungen geworben werden. In diesen Tagen war sehr oft ein Lied zu hören: Meine Mutter war ein Hausmädchen – mein Vater war ein Gartenhelfer – aber ich bin ein Kommunist – ein Kommunist – ein Kommunist! Auch dieser Gesang unterstreicht die Rolle und Popularität der 150.000 Mitglieder starken SACP.

Der Wandel in diesem Land, (ich kenne es noch aus der Zeit der Apartheid), ist beeindruckend und ermutigend. 16 Jahre nach dem Sieg konnten wir das konkret in Soweto bei einem Besuch in Gedenkstätten und in vielen Gesprächen erleben.

Das 12. internationalen Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien war voller interessanter Informationen, Eindrücke und Erlebnisse, das 13. Treffen in Athen wird jetzt für den Dezember 2011 durch eine Arbeitsgruppe vorbereitet.

Text:  Heinz Stehr  /  Foto: Jacob Anikulapo (streikende südafrikanische Arbeiter)