Deutschland

refugees mrz13 gst 00323.06.2013: Dem Elend der europäischen Flüchtlingspolitik soll ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden. Es geht um Ehsan Abri, 25 Jahre alt und Jurastudent. Seit Anfang Mai sitzt er im Rendsburger Abschiebungsgefängnis. Bundespolizisten hatten Ehsan Abri in einem Zug aufgegriffen. Der junge Mann, der im Iran wegen oppositioneller Tätigkeiten politisch verfolgt worden ist, wollte in Schweden Asyl beantragen. Den Boden Europas hat der Iraner jedoch in Ungarn betreten. Damit greift die Dublin-II-Verordnung, die besagt, dass das EU-Land für das Asylgesuch von Flüchtlingen zuständig ist, das sie zuerst betreten haben. Am kommenden Montag soll Abri nun abgeschoben werden.

Mehrere Bundespolizisten werden Ehsan Abri zurück nach Ungarn bringen. Durch diese Rücküberstellung wäre Ehsan Abri in mehrfacher Weise gefährdet: In Ungarn finden regelmäßig Abschiebungen in den Iran statt. Abri ist Mitglied der Kommunistischen Partei Irans und hat schon wegen seines oppositionellen Engagements in Teheran politische Haft erlitten. Die Bedrohung mit der Todesstrafe ist für Kommunisten nach erfolgter zwangsweiser Rückkehr in den Iran eine Realität.

In einer Presseerklärung des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein heißt es weiter: "Dass darüber hinaus in Ungarn erhebliche systemische Mängel herrschen, die einen Zugang des Betroffenen zu einem fairen Asylverfahren verunmöglichen, bestätigt ein Bericht von PRO ASYL vom März 2012. Flüchtlinge werden in Ungarn systematisch in gefängnisartigen Lagern inhaftiert. Das gilt auch für Familien mit Kindern. Ehemals inhaftierte Flüchtlinge berichteten über Zwangsverabreichungen von Medikamenten und schwere körperliche Misshandlungen. Aus der Haft entlassen, droht Flüchtlingen die Obdachlosigkeit und damit die erneute Inhaftierung. Trotzdem werden immer wieder, wie jetzt im Falle des Iraners Abri, Flüchtlinge insbesondere durch die Bundespolizei im Rahmen des Dublin- II-Verfahrens zurück nach Ungarn gezwungen. Dort werden weder ihre Asylanträge geprüft, noch gibt es einen Schutz vor der Ausweisung in Drittländer.

Der Flüchtlingsrat protestiert gegen die im Fall des Herrn Abri einmal mehr offenbare systematische Inhaftierungs- und Abschiebungspraxis der Bundespolizei in Schleswig-Holstein."

Die Bundespolizeidirektion für Schleswig-Holstein in Bad Bramstedt weist diesen Vorwurf zurück. "Die Bundespolizei arbeitet im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags - und ist nicht zuständig für die Prüfung der Sachlage, das ist Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge", erklärte deren Sprecherin  und betonte: "Kein Asylsuchender wird ohne eine gebührende Prüfung seines Schutzersuchens in ein anderes Land zurückgeschoben." Im Fall des Jurastudenten aus dem Iran gab es nach Recherchen der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung ( 22.6.13) zwar eine formale aber keine inhaltliche Prüfung. Sein Asylantrag wurde demnach vom Bundesamt mit der Begründung abgelehnt, es sei ein Zweitantrag gewesen - und der ist nach Dublin II eben nicht erlaubt. Der erste Asylantrag sei in Ungarn gestellt worden; inhaltlich hat man sich aber mit der Todesgefahr für den Flüchtling nicht auseinander gesetzt, die bei einer Rückführung nach Ungarn droht.

Den Fall des Jurastudenten haben Abgeordnete auf der jüngsten Landtagssitzung auch an Innenminister Andreas Breitner (SPD) herangetragen. Sein Sprecher sagte am Freitag : "Das Ausländerrecht ist Bundes- und Europarecht. Daran sind wir gebunden."

Text/Foto: gst

s.a.: Vom Elend der europäischen Flüchtlingspolitik