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Türkei Gezi-Park 05.2013 occupygezipics05.06.2013: Als der anfänglich bescheidene Protest 'Occupy Gezi' (Besetzt den Promenade Park) auf dem Istanbuler Taksim Platz am 31. Mai brutal von der Polizei angegriffen wurde und sich dann wie ein Buschfeuer in Istanbul und anderen Städten der Türkei verbreitete, nahm die türkische Linke mittendrin teil daran. Bereits in den Anfangstagen - die Protestaktionen begannen am 27.5. - legte sich der Regisseur und Journalist Sirri Süreyya Önder, ein Parlamentsmitglied für die Partei des Friedens und der Demokratie (BDP) zusammen mit anderen vor die Bagger und schweren Fahrzeuge, die den Park voller 70 Jahre alter Bäume zerstören sollten.

Gegenüber Medien äußerte er sich voller Wut über die vielen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters in Istanbul, die sich nun nicht zeigten, um dieses kleine grüne Kleinod im Herzen Istanbuls zu verteidigen. Und als die Polizei die Protestierenden am 31. Mai brutal angriff, legte sich Önder erneut vor die anrollenden Baufahrzeuge. Er war auch einer der ersten Verletzten, die im Krankenhaus behandelt und versorgt werden mussten.

Der inzwischen immer weiter um sich greifende Protest ist die jüngste Zuspitzung einer Bewegung, die schon seit einiger Zeit anwächst. Die auf dem Gelände des Promenade Parks geplante Einkaufsstraße (Mall) ist nur ein Teilstück der Pläne zur Umgestaltung des Taksim Platzes und seiner Umgebung in ein autofreundliches, an Touristenbedürfnissen ausgerichtetes und 'gereinigtes' Zentrum. So gab es auch erst vor kurzem Proteste gegen die Schließung des Istanbuler Wahrzeichens Emek Cinema in der vom Taksim Platz abgehenden Istiklal Avenue, die - welche Überraschung - auch in eine Einkaufsmeile verwandelt werden soll.

Der Taksim Platz ist Herz und Seele von Istanbul. Regelmäßig finden auf ihm kleine und große Protestaktionen zu der ganzen Bandbreite von Problemen statt, die die Volksmassen der Menschen in der Türkei bewegen: Beendigung des kurdisch-türkischen Konfliktes, Beendigung des Militärdienstes, wirtschaftliche Gerechtigkeit, Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern im frühen 20. Jahrhundert, Sexueller Gleichberechtigung usw. Im Jahre 2011 gab es dort einen Massenprotest zur Unterstützung eines freien und offenen Internets, an dem sich weit über dreißigtausend Menschen beteiligten.

Der Taksim Platz ist zudem Ort der in jedem Jahr am 1. Mai organisierten Massenproteste, die besonders an das dortige Massaker am 1. Mai 1977 erinnern. An jenem Tag eröffneten Mörder von den Dächern umliegender Gebäude Gewehrfeuer auf eine Menge von 100.000 mit roten Fahnen marschierende Menschen und töteten Dutzende von Arbeitern und Studenten. Bis heute ist dieses Verbrechen unaufgeklärt. Die türkische Linke ist überzeugt, dass die Täter aus antikommunistischen paramilitärischen Kreisen der NATO im Rahmen der 'Operation Gladio' kamen.

Seit jener Zeit versucht die türkische Regierung an jedem 1. Mai Demonstrationen und Kundgebungen auf dem Taksim Platz zu verhindern und es gab deshalb Hunderte von Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Am diesjährigen 1. Mai fiel die Polizei wieder gewaltsam über die Protestierenden her und versprühte dabei über 14 Tonnen mit Tränengas vermischten Wassers, wie der Innenminister auf eine spätere Anfrage eines Parlamentsmitglieds der Opposition der AKP zugab.

Als Ausdruck der Verbundenheit zwischen den Protesten am 1. Mai und den jetzigen Protesten hat die Konföderation Revolutionärer Gewerkschaften (auch bekannt unter der Abkürzung DISK und einer der größten Gewerkschaftsverbände der Türkei) ihre Mitglieder offiziell zur Unterstützung des 'Occupy Gezi' aufgerufen. Inzwischen rufen DISK und der andere große Gewerkschaftsverband KESK zu einem eintägigen Generalstreik auf.

Nach den Plänen für die Neugestaltung des Taksim Platzes werden die an allen Seiten befindlichen Zugänge für große Fußgängermassen zu Gunsten von Autotunneln entfernt, sodass der Platz für Proteste und Versammlungen ungeeignet wird. Er wird dann zu einem Ort des Fotografierens von Touristen gemacht, die sich '5 Minuten' auf ihm aufhalten und dann zum steuerfreien Einkauf begeben.

Ein anderer Hauptantrieb für die jetzigen Proteste war der geplante Bau einer dritten Großbrücke über den Bosporus in Instanbul. Zwei Tagen vor Beginn der Proteste hatte die linke Tgeszeitung Evrensel die Schlagzeile gebracht, dass transnationale Gesellschaften mit dem Bau der dritten Brücke in Istanbul zwischen Asien und Europa 300 Mio. Türkische Lira verdienen würden. An diesem Tag nahm Ministerpräsident Erdogan an der Grundsteinlegung für die Brücke teil. Evrensel berichtete zudem, dass das Brückenprojekt durch eine damit einhergehende Vernichtung des im Norden Istanbuls liegenden Belgrader Forsts 2,5 Mio. Bäume beseitigen würde.

Die dritte Bosporus-Brücke ist eines von vielen Beispielen für das von der regierenden AKP betriebene und auf Autoverkehr ausgerichtete 'Neu-Design' Istanbuls, welches die Lebensfähigkeit der Stadt hinsichtlich Ökologie und sozialem Leben völlig missachtet. Solche Besorgnisse wurden kürzlich in einer ausführlichen Dokumentation mit dem Titel 'ÖkoMonopolis: Stadt außer Rand und Band' beleuchtet, welche in der Istiklal Avenue für ausverkaufte Kinos sorgte.

Der Plan für das 'Neu-Design' des Taksim-Platzes ist Teil der allseitig neoliberalen Ausrichtung der Politik der von Ministerpräsident Erdogan geführten AKP und des dabei geplanten Umbaus von Istanbul.

Das Stadtzentrum von Istanbul unterlag bereits einem beschleunigten Prozess der Gentrifizierung, besonders in den historischen Stadtvierteln Sulukule, Tarlabasi, Tophane und Fener-Balat, wo die Armen, die Immigranten, die Kurden und die Roma wohnten. Das Ziel dieser sogenannten 'Stadterneuerung' ist es, Platz für mehr touristische Attraktionen zu schaffen oder die Wohnviertel zumindest zu 'säubern', indem die dort wohnenden und von Touristen ggf. als störend empfundenen Werktätigen vertrieben werden. Dahinter steht die Überlegung, dass dieses neue und 'verbesserte' Stadtzentrum ausländische Investitionen nach Istanbul bringen soll, welches dann zu einer finanziellen und kulturellen Drehscheibe an der Kreuzung von Europa und dem Nahen Osten entwickelt werden soll.

Der Widerstand gegen einen dritten internationalen Flughafen in Istanbul und weitere zerstörerische Entwicklungspläne der herrschenden islamischen Klasse für die Stadt - für viele eine Klasse von Plünderern - ist ebenfalls eine zentrale Aktivität der türkischen Linken.

Die türkische Linke ist hinsichtlich ökologischer Probleme sehr wachsam und sehr aktiv. Es gab hunderte von Demonstrationen von Dorfbewohnern gegen Staudämme, die von Linken angeführt wurden. Sogar in der Mitte eines Bürgerkriegsumfeldes haben kurdische Menschen sich gegen das Abbrennen von Wäldern durch das Militär - zur Verhinderung von Möglichkeiten des Versteckens der kurdischen Guerilla - organisiert.

Eine Wahlunterstützung von 53% hat die islamische Regierung überheblich und anmaßend gemacht. Sie ist auf die Ansichten der einfachen Menschen eingegangen, hat einige faschistische bzw. ihm ggf. durch Putsche gefährlich werdende Generale eingesperrt (ein Drittel der Generalität), Friedensverhandlungen mit der kurdischen Freiheitsbewegung begonnen und drei Wahlen nacheinander gewonnen.

"Die Entscheidung ist getroffen. Das Projekt [der Zerstörung des Gezi Parks] wird fortgeführt", sagt Tayyip Erdogan am letzten Wochenende. "Wenn ihr 200.000 zusammen bringt, werde ich [auf meiner Seite] eine Million aufbringen." Und am Montag setzt er geifernd hinzu, dass es sich bei den Protestierenden im Kern doch nur um Mitläufer von "Terroristen" handle.

Aber Erdogan kam in letzter Zeit ins Straucheln. Sein Versuch, Abtreibungen zu verbieten, löste heftige Gegenwehr aus. Seine Vision einer religiösen türkischen Jugend wurde breit abgelehnt. Dümmlich schlug er vor, dass Ayran (ein wässriges Joghurtgetränk) an Stelle von Raki (der beliebte Anisschnaps) "Nationalgetränk" werden solle, und er führte ein Gesetz ein, welches den Verkauf von Alkohol zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens verbietet. Seine Aktionen zur massenhaften Inhaftierung von unliebsamen Journalisten sind ebenfalls unbeliebt.

Als er in der letzten Woche den Grundstein für die dritte Brücke über den Bosporus legte, kündigte er an, dass sie nach Sultan Selim benannt werden soll. Nun war Selim ein ottomanischer Herrscher im 16. Jahrhundert, der Tausende von Aleviten abschlachtete, um sicher zu gehen, dass die Türkei von sunnitischen Moslems beherrscht werde und bleibe. So ignorierte er die Gefühle von etwa 20 Mio. Aleviten in der heutigen Türkei. Seine Unterstützung der terroristischen 'Rebellen' in Syrien schafft ihm in dieser Volksgruppe und den Grenzgebieten zu Syrien ebenfalls Widerstand und Gegenwehr.

Die vom Gezi Park sich in der ganzen Türkei ausbreitenden Proteste und Erhebungen versetzen der Arroganz des Ministerpräsidenten kräftige Schläge. Zum ersten Mal befand er sich politisch in der Defensive und bat die Protestierenden öffentlich und "ernsthaft" darum, sich zurück zu ziehen. Allerdings nur kurzfristig. Während Staatspräsident Gül am Wochenende davon sprach, dass man die Botschaft der Demonstranten verstanden habe - er verglich die Proteste zudem direkt mit den westlichen 'Occypy-Bewegungen' - wollte Erdogan gegenüber Journalisten von solch einem Verständnis nichts wissen und lässt die Polizei und Staatsgewalt weiter ihre Schlägerarbeit gegen die Proteste verrichten.

Der Widerstand gegen die Zerstörung des Gezi-Parks hat in der linken Opposition die so sehr benötigte türkisch-kurdische Zusammenarbeit gefördert. Kurdische Städte haben mit solidarischen Protestaktionen ihrer Unterstützung Ausdruck gegeben. In den Zusammenstößen und bei der Abwehr der brutalen Polizeieinsätze haben sich Kurden, Türken, Sozialdemokraten, Nationalisten und Nicht-Religöse zusammen geschlossen. So etwa hat sich der Gemeinderat der südtürkischen Stadt Antalya geweigert, der Polizei Wasser für ihre Wasserwerfer-Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, mit denen gegen Demonstranten vorgegangen wird, wie die Zeitung 'Hürriyet Daily News' berichtete. Die türkische Linke hat in den Protesten - auch wegen ihrer politischen Leidenschaft für den Taksim Platz - führend mitgewirkt.

Die Medien der Herrschenden versuchten, die Proteste vollkommen zu verschweigen - ein beispielloses Vorgehen. Aber das rückte linksgerichtete Medien in den Vordergrund. Das linke Hayat Fersehen brachte ununterbrochen und 'life' Berichte über und von den Protestaktionen. Es gab zudem auf den Straßen Proteste gegen den nationale Nachrichtensender NTV und sein Ignorieren der Proteste und Demonstrationen. Wer jedoch nicht in Istanbul war, keine Nachrichten im Internet lesen konnte und auch Hayat nicht sehen kann, hatte weitgehend keine Ahnung von dem, was sich dort ereignet.

Der Widerstand gegen die Zerstörung des Gezi-Parks könnte einen Wendepunkt im Emanzipationskampf der Menschen in der Türkei bilden. Erstmals seit vielen Jahrzehnten fühlen sie wieder ihre Macht. Und die Linke erkennt, dass sie dabei durchaus eine führende Rolle einnehmen und sich erkämpfen kann.

Text: hth  /  Quelle: Green Left Weekly u.a.  /  Foto: occypygezipics.tumblr

siehe auch die Erklärung des Verbandes der Studierenden aus Kurdisten – YXK

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
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Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
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