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Kiel 2020 02 20 BettinaRede von Bettina Jürgensen (marxistische linke) in Kiel am Abend des 20. Februar 2020

21.02.2020: Gestern Abend versammelten sich in dutzenden deutschen Städten Zentausende zu Mahnwachen und Kundgebungen, um der Opfer des rassistischen Terroranschlags in Hanau zu gedenken. Politiker*innen wie Innenminister Horst Seehofer (CSU), die selbst zu diesem Klima beigetragen haben, in dem sich Rechtsextremisten zu solch mörderischen Taten ermutigt fühlen, heucheln »Betroffenheit«. "Immer wieder zuerst das »Betroffensein«, dann das Aussitzen, das Nichtstun, das Nichtentscheiden darüber, wie den Faschisten und Rassisten in diesem Land beizukommen ist", sagte Bettina Jürgensen (marxistische linke) gestern bei der Mahnkundgebung in Kiel. Wir dokumentieren ihre Rede:

 

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,

ich bin Gewerkschaftssekretärin, Kommunistin und habe 2000/2001 den Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel mitgegründet. (Anm.: Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel und Aufstehen gegen Rassismus hatten die Kundgebung angemeldet.) Immer wieder zeigte sich in den vergangenen Jahren wie wichtig diese Arbeit gegen Nazis und Rassisten ist. Wir werden solche Bündnisse auch in der Zukunft brauchen, um gemeinsam gegen Rechts aktiv zu werden.

Horst Seehofer, Innenminister CSU, zeigte sich heute bei seinem Besuch in Hanau betroffen. Vor zwei Jahren war er es, der meinte: "Die Mutter aller Probleme ist die Migration", und er werde sich "bis zur letzten Patrone" gegen "eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme" wehren.

Bundeskanzlerin Angela Merkelwill wieder einmal alles dafür tun, die Morde aufzuklären. Sie spricht von und gegen Rassismus. Erinnern wir uns: das tat sie gegenüber den Familien der Opfer des NSU auch, aber wie weit ist der Prozess gegen den NSU gekommen? Wie wurde er beendet, auch weil Politiker*innen es zuließen, dass die Täter nicht konsequent verfolgt wurde, die Verbindungen zum Innengeheimdienst nicht aufgedeckt wurden, nicht aufgedeckt werden sollten.

Im Fernsehen wurde gestern bei Phönix die Frage diskutiert: »Rechter Terror – Neue Dimension der Bedrohung?«

Anlass: Eine Gruppe von 12 Rechtsextremisten wurde letzte Woche festgenommen – der 13. Mann ist bis heute gedeckt, weil er als V-Mann in dieser Gruppe war. Unklar ist den Medien nach, wie er in dieser Gruppe agiert hat, unklar ist, ob er wie so viele V-Männer/-Frauen vor ihm, Mittäter/-planer war?

Bei den Verbindungen der Rechtsextremisten zum Verfassungsschutz, dem deutschen Innengeheimdienst, ist es immer wieder das gleiche Lied, sind es immer wieder die gleichen Ausflüchte, mit denen vertuscht und unter den Teppich gekehrt wird.

Fast zeitgleich zur Sendung auf Phönix wurden in Hanau neun Menschen ermordet und sechs Menschen verletzt. Als sollte die Realität die Antwort geben. Alle haben einen »Migrationshintergrund« - allein diese Einsortierung von Menschen macht es mir schon schwer diesen Begriff zu verwenden.

Obwohl inzwischen die ultrarechte, rassistische Gesinnung des Mörders schon feststeht, wird er – wie so oft – als »Einzeltäter« eingestuft.

Nach all den Morden, wir müssen nur die der letzten Jahre sehen, nach all den Versprechungen und den Reden in den Parlamenten, immer das Gleiche: Immer wieder zuerst das »Betroffensein«, dann das Aussitzen, das Nichtstun, das Nichtentscheiden darüber, wie den Faschisten und Rassisten in diesem Land beizukommen ist.

Schlimmer noch – sie werden, wie gerade mit der AfD in Thüringen geschehen – noch als Teil in die demokratische Gepflogenheit eingebunden, wenn es der eigenen Wahl und der Macht nutzt.

Und die gleichen Leute, die noch am 5.2. über den Coup jubelten, dem mit den Stimmen der AfD gewählten Ministerpräsidenten gratulierten, bekunden nun ihre Trauer über die Toten in Hanau: von Lindner über Kemmerich bis zu Höcke - von verlogen über eklig bis widerwärtig! Widerwärtiger, ja menschenverachtender, geht es nicht!

 

 "Da hat einer geschossen in Hanau, danach sieht es aus, aber es waren viele, die ihn munitioniert haben und da gehört die AfD definitiv mit dazu."
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, ARD-Morgenmagazin, 21.2.20

 
 Kiel 2020 02 20 SPD Fahne


Wie in anderen Städten haben auch in Kiel Landtagsabgeordnete der SPD an der Kundgebung teilgenommen, darunter der Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner und die Landesvorsitzende Serpil Midyatli, die sich in einer kurzen Rede für die Organisation dieser Kundgebung bedankte.

 
  eingefügt von kommunisten.de  

 

Ich will hier nicht die Geschichte der BRD nachzeichnen, die deutlich macht, dass es seit dem Bestehen dieser Republik ein - oder aus Sicht der Herrschenden kein Problem - damit gibt, dass Faschisten in den Parlamenten sitzen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Lemke, Nazibürgermeister in Eckernförde und Schleswig 1933-1945 ist ein beredter Ausdruck dafür. Es ist aber wichtig auch diese Geschichte des Landes zu kennen, sich darüber zu informieren, dann sieht man die heutigen Aussagen aus Parteien unter einem anderen Licht.

Wie auch die Frage: Wann endlich werden wir in diesem Land einen antifaschistischen Grundkonsens haben? Einen, in dem NIE WIEDER auch wirklich NIE WIEDER heißt? In dem rassistische und faschistische Äußerungen umgehend und mehrheitlich abgelehnt werden, in dem diejenigen, die zündeln, Hass säen und Gewalt gegen »alles was anders ist« ausüben, die Konsequenzen dafür tragen. Und zwar sofort.

Und wieder wird diskutiert, was wir denn tun können, alle gemeinsam tun müssen, um dem rechten Terror, den Morden, der Gewalt, aber auch schon der Gewaltandrohung, dem verbalen Rassismus etwas entgegenzusetzen.

Ich erlebe es in meiner Arbeit als Gewerkschaftssekretärin, wie wichtig es ist, sich klar und eindeutig gegen Nazis zu verhalten. Wenn über die Morde und die Gewalt geredet, wenn, ja auch Betriebsräte den Raum verlassen, weil sie nicht die Aussagen gegen ihre rechte, völkische bis faschistische Gesinnung hören wollen. Aber es ist doch unsere Aufgabe und unser politischer Wille, die Beschäftigten zu einen, ihnen die Stärke des gemeinsamen Handelns deutlich zu machen; des geeinten Handelns all derjenigen, die nicht ausgrenzen, die gemeinsam arbeiten, leben und für ihre Rechte kämpfen wollen - ohne Fragen nach Herkunftsland, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache und anderem. Keine Gemeinsamkeit kann es mit völkischem Denken, faschistischen Ideologien und sogenanntem Alltagsrassismus geben, der sich möglicherweise nach Feierabend bei der AfD oder Pegida und anderen rechten Organisationen fortsetzt.

Einbeziehen müssen wir vermeintlich Unbeteiligte, wenn z.B. jemand drohend meint "Du bist Antifa – ich bin AntiAntifa!" und ein Kollege dabeisteht und sagt "Nun streitet euch doch nicht". Da gilt: "Es geht hier nicht um Harmonie! Ich erwarte von dir, dass du klar Stellung beziehst – für seine oder meine Position!" Dies ist nur ein kleiner Beitrag, nicht immer einfach in der täglichen Arbeit, aber er ist ein notwendiger Schritt gegen Rassismus und Faschismus im Betrieb. Und in den Gewerkschaften ebenso.

An diesen Schritten müssen wir anknüpfen, weitermachen und vor allen Dingen: Wir müssen mehr werden! Viel mehr!

Wir müssen die Deutungshoheit darüber bekommen, dass genau dies Demokratie ist »Mit Faschist*innen rede ich nicht! Nirgendwo!«

Und wie sagte eins der kluge Kopf Bertolt Brecht: "Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen!"

Deshalb zitiere ich aus der leider immer noch sehr aktuellen Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus von 2001:
"… Offener und organisierter Neofaschismus ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Rassistische Erklärungsmuster und Orientierungen entstehen in der Mitte der Gesellschaft. … Solidarisches Verhalten und Zivilcourage bis hin zu zivilem Ungehorsam tun not. … Nicht zuletzt, wo Mitmenschen von Nazis angegriffen werden, wo wir selbst Faschisten gegenüberstehen, … In diesem Sinne sind alle Bürgerinnen und Bürger, auch die politischen Verantwortungsträger*innen, aufgefordert, »Gesicht zu zeigen«. Nur so kann sich eine demokratische Gesellschaft behaupten und weiterentwickeln, die Demokratisierung von Staat und Wirtschaft vorangetrieben und damit gleichzeitig auf allen Ebenen den Faschisten der Nährboden entzogen werden.
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Leisten wir Widerstand gegen Neonazis, rechte Skinheads und alle neofaschistischen Organisationen und Parteien!"
Dazu: Lasst uns immer wieder treffen, reden, demonstrieren und blockieren – gegen Faschisten und Rassisten! Das sind wir den Ermordeten und der Zukunft schuldig!

  "... Und ja, vermutlich hatte er einen schweren Dachschaden - so wie der Attentäter, der 1968 Rudi Dutschke niederschoss. Wie viele Tote brauchen die Deutschen, um den Zusammenhang zu begreifen zwischen den Hetzreden der Schreibtischtäter und den oft wirren, vereinzelten Vollstreckern, die aber in einem geistigen Zusammenhang mit ersten stehen? Und wie oft noch müssen Portale von AfD-Gliederungen in den 'Hassketten' auftauchen, bis auch dieser Zusammenhang endlich offengelegt wird?"
aus einem Kommentar auf facebook
 
  eingefügt von kommunisten.de  

 


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Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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