Aus Bewegungen und Parteien

DW enteignen Demo 2019 04 0607.04.2019: Bundesweit Demonstrationen gegen den Mietenwahnsinn ++ in Berlin startete Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ++ Debatte um Enteignung nimmt bundesweit Fahrt auf ++ Moody's will Berlin erpressen ++ FDP will Grundgesetz ändern: Art.15 ist "Relikt aus der Nachkriegszeit"  ++ Europäische Bürgerinitiative "Wohnen muss bezahlbar sein. Für alle!"

 

Am Samstag (6.4.) startete in Berlin das Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. Zum Start des Volksbegehrens gingen an die 40.000 Berliner*innen gegen den Mietenwahnsinn und für die Enteignung von Deutsche Wohnen, Vonovia, Akelius und Co. auf die Straße. Auch in Leipzig, Köln, Erfurt, München und vielen weiteren Städten in Deutschland und Europa demonstrierten Zehntausende für bezahlbare Wohnungen.

Demo in Berlin im Schnelldurchlauf


In Berlin unterschrieben bereits am ersten Tag Tausende Menschen das Volksbegehren (am Samstagabend waren es über 15.000). DW enteignen Demo 2019 04 06 3

In einer ersten Stufe müssen 20.000 gültige Unterschriften gesammelt werden, für die zweite Stufe sind dann 170.000 Unterzeichner*innen nötig. Danach kommt es zu einem Volksentscheid. Allerdings kam Artikel 15 Verfassungsrechtlern zufolge noch nie zur Anwendung, ein entsprechendes Gesetz wäre für Deutschland also ein Novum.

 

Novum. Enteignung nach Art. 15 des Grundgesetzes

Bei diesem Volksbegehren geht es nicht einfach nur um steigende Mieten, die Aktivist*innen stellen vielmehr offen die Eigentumsfrage. Sie fordern ein Menschenrecht auf Wohnen, "eine Welt, in der niemand mehr zwangsgeräumt werden und auf der Straße leben muss". Mit dem Volksbegehren geht es um die Enteignung aller privaten Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen. Die Enteignung soll gemäß Art. 15 Grundgesetz erfolgen. Ein Novum. Denn dieser Artikel kam in der 70jährigen Geschichte des Grundgesetzes noch nie zur Anwendung.

Deutsche Wohnen enteignen 2

 

Informationen zum Volksbegehren
https://www.dwenteignen.de/


"Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 15


Berliner*innen für Enteignung

DW enteignen Demo 2019 04 06 2Aber was anfangs als verrückte Idee aus der linken Szene belächelt wurde, hat sich zu einem ernsthaft diskutierten politischen Thema entwickelt. Rund 55 Prozent der Berliner*innen finden das Volksbegehren zur Verstaatlichung von Immobilienkonzernen richtig. Laut einer Umfrage von Civey vom 21. Dezember bis 7. Januar, stehen die Wähler*innen aller drei Koalitionsparteien eindeutig hinter dem Volksbegehren. 84 Prozent der Linken-Anhänger finden die Enteignungsaktion richtig, bei den Wählern der SPD sind es 72 Prozent und bei den Grünen 69 Prozent. Bei Wähler*innen von CDU und FDP findet das Volksbegehren immerhin bei einem Drittel Anklang (CDU: 33 Prozent, FDP: 37 Prozent).

Die Berliner Koalitionsparteien sind sich noch nicht ganz einig. Der Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) lehnt Enteignungen ab, seine Partei ist sich da noch nicht so sicher und ist in dieser Frage gespalten. In den Reihen der Grünen gibt es viele Sympathien.

DIE LINKE steht eindeutig hinter dem Volksbegehren. Umso kurioser ist der Vorwurf von Sahra Wagenknecht in der Osnabrücker Zeitung vom Samstag (6.4.), dass sich "Die Linke (hat sich) von den ärmeren Schichten teilweise entfremdet" habe - genüsslich aufgenommen von der Frankfurter Allgemeinen und anderen Medien. Sie nährt auch jetzt den lächerlichen Vorwurf, DIE LINKE würde sich als »Latte-Macchiato-LINKE« nur um ein akademisch geprägtes Milieu im Innenstadtbereich kümmern.

"Wenn's nach mir ginge, würde jeder Konzern 1 Euro kriegen. Aber das geht nicht. Also haben wir eine Kostenschätzung erarbeitet, die geht von einem Wert zwischen 7 und 13 Mrd. Euro, wovon das Land Berlin 20% Eigenkapital zuschießen müsste. Der Rest wird finanziert über einen Kredit, den die neue Wohnungsgesellschaft aufnimmt und über einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahre durch die Mieten abgezahlt wird."
Michael Prütz, Sprecher von "Deutsche Wohnen & Co. enteignen"

 

Deutsche Wohnen enteignen - vom Guerillakrieg zur Feldschlacht

 

Bundesweite Debatte um Enteignung der Wohnungskonzerne

Da die Mieten aber nicht nur in Berlin exorbitante Höhen erreicht haben, ist die Enteignungsdebatte inzwischen auch auf die Bundesebene übergesprungen. Ob Frankfurt, Köln oder Hamburg - in allen Großstädten ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt dramatisch. Die Zahl der Mieter*innen, die sich sorgen, die steigende Miete nicht mehr bezahlen zu können und die Wohnung zu verlieren, steigt unaufhörlich - während die Wohnungskonzerne Rekordgewinne vermelden.

Deutsche Wohnen enteignen 3
Rekordgewinne durch Spitzenmieten

Deutsche Wohnen und Vonovia mit Rekordgewinnen
Steigende Mieten, sprudelnde Dividenden bei Blackrock & Co

 

In München haben sich die Jusos von der Idee anstecken lassen. Sie fordern ein entsprechendes Landesgesetz, mit dem die Kommunen schrittweise enteignen und so "die Stadt nach und nach zurückkaufen" können. Die Münchner Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke (DIE LINKE) findet, dass eine Initiative wie in Berlin auch in einer Großstadt wie München sinnvoll wäre. "Sonst ändert sich nichts an der Lage. Und bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Wohnungen gehören in städtische und gemeinwohlorientierte Hand und nicht ins Portfolio profitorientierter Aktienunternehmen", so Nicole Gohlke.

Europ Buergerinitiative Wohnen 1

Wohnen muss bezahlbar sein.
Für alle!

Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Handelsware. Wir fordern die EU auf, die Rahmenbedingungen für bezahlbares Wohnen zu verbessern.
Unterstützt die Europäische Bürgerinitiative:
https://www.housingforall.eu/de/wohnen-muss-bezahlbar-sein-fuer-alle/

 

Deutschland: Fast jeder Zweite unterstützt Enteignungen im Immobiliensektor

Mit dieser Forderung weiß Gohlke die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland hinter sich. Denn fast jeder Zweite (49 Prozent) spricht sich für Enteignungen aus, um die Preisentwicklungen am Immobilienmarkt in den Griff zu bekommen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Kölner Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag des Handelsblatts vom Freitag (5.4.) hervor. 22 Prozent der Befragten hatten zu dem Thema noch keine Meinung gebildet und nur ein knappes Drittel (29 Prozent) hält Enteignungen nicht für nötig.

Wirtschaft ist alarmiert

Diese Entwicklung alarmiert die Wirtschaft und deren Vertreter*innen. Allein die Diskussion ist für diese Kräfte ein "Tabubruch". Sie rasten geradezu aus.

"Mit dem beigefügten Schreiben rufe ich Sie auf, unsere Initiative gegen die Pläne zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen zu unterstützen", schreibt der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Axel Gedaschko. Und weiter: "Ich bin der Auffassung, dass es dafür höchste Zeit ist. Wir versenden diese E-Mail an einen breiten Adressatenkreis in Politik, Verbänden, Ministerien und anderen Organisationen, weil wir der Auffassung sind, dass allen klar sein muss, dass die Enteignung von Wohnungsunternehmen keine Lösung des Wohnraumproblems darstellt. …"

DW FAZ 2019 04 06Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ malt mit dem Volksbegehren schon die "Rückkehr des Sozialismus" an die Wand. Die Berliner Regionalpolitiker würden alles tun, "um Geldgeber und Vermieter zu vergraulen". "Haben sie vergessen, welche Ruinen der eigentumsfeindliche Sozialismus hinterlassen hat?", fragt der kluge Kopf hinter der FAZ.

Moody's droht Berlin mit Abstufung

Mit diesen Fragen hält sich die US-amerikanische Ratingagentur Moody’s erst gar nicht auf. In Manier des US-Botschafters Richard Grenell setzt sie Berlin die Pistole auf die Brust. Sie sieht die künftige Bonität des Landes Berlin als Kreditnehmer gefährdet und droht, die Bonität des Bundeslandes herunterstufen. Für Berlin würde es bei einer schlechteren Bewertung durch die Ratingagenturen teurer, Kredite zu bekommen, weil Banken und andere Geldgeber sich zusätzliche Risiken durch höhere Zinsen bezahlen lassen. Die Überlegungen, die Deutsche Wohnen und weitere große Wohnungsunternehmen zu enteignen, würden Berlins Fähigkeit schwächen, Investoren anzuziehen, vor allem für die besonders benötigten Investitionen in den Wohnungssektor, begründet Moody's die Erpressung. 

Die Verfassungsfeinde

Marco Buschmann

 "Relikt aus der Nachkriegszeit" aus dem Grundgesetz entfernen
Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion

 

Die FDP setzt sich an die Spitze der Verteidiger des Eigentums und schlägt eine Grundgesetzänderung vor, um das leidige Thema zu begraben. "Eine Streichung des Artikel 15 GG würde die Achtung des Gesetzgebers vor dem Eigentum dokumentieren", sagte Michael Theurer, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, dem "Handelsblatt" vom Freitag (5.4.)

Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, ist der Artikel 15 "der Blinddarm des Grundgesetzes" und ein "Relikt aus der Nachkriegszeit", das aus dem Grundgesetz entfernt werden solle. (Berliner Morgenpost, 5.4.2019: "FDP: Möglichkeit zu Enteignungen aus Grundgesetz streichen")

Vielleicht sollte Marco Buschmann daran erinnert werden, dass nicht Art. 14 und 15 Relikte aus der Nachkriegszeit sind, sondern dass die FDP damals das Relikt der NSDAP war. In die FDP traten jene Altnazieliten und Kriegskonzernherren ein, denen die CDU mit ihrem kurzzeitig erstarkten christlich-sozialen Flügel und dem Ahlener Programm zu sozialistisch war.


mehr zum Thema Wohnen und zur Berliner Wohnungspolitik auf kommunisten.de

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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