06.11.2013: Die Debatte um ein mögliches Asylangebot Deutschlands an Edward Snowden im Zusammenhang mit der Aufklärung der Ausspähprogramme der westlichen Geheimdienste nimmt weiter an Fahrt auf. Im aktuellen SPIEGEL setzen sich zahlreiche Publizisten, Schauspieler, Politiker und Sportler für den Whistleblower ein. Neben Oppositionspolitikern wie dem Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bekommt die Forderung Unterstützung auch von unerwarteter Seite: So kritisiert der Präsident der Fußball-Bundesliga, Reinhard Rauball "erhebliche Beeinträchtigungen der Menschenrechte" durch willkürliche Überwachung und lobt Snowdens Handeln.
Während Moderator Oliver Welke dem Amerikaner gern das Bundesverdienstkreuz verleihen würde, will sich Musiker Udo Lindenberg persönlich kümmern: "Im Atlantic-Hotel kann ich bestimmt ein Zimmer für ihn klarmachen - welcome Edward." Und Bernd Riexinger, Vorsitzender der 'Linken': Das Parlament müsse "der Bundesregierung auf die Sprünge helfen und sie per Beschluss dazu zwingen, dem Whistleblower Asyl und Gelegenheit zu einer Zeugenaussage zu geben". Im Bundestag stehe es "320 zu 311 für eine Aufnahme Snowdens."
Snowden lebt derzeit in Russland - allerdings mit einem befristeten Bleiberecht, Moskau hat ein vorübergehendes Asyl für ein Jahr gewährt. Der Enthüller der massiven US-Spähaktivitäten hatte sich bei einem Treffen mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele in der vergangenen Woche in Moskau grundsätzlich bereit erklärt, offiziell in Deutschland auszusagen; er will aber dafür die Garantie, nicht an die USA überstellt zu werden.
Die US-Regierung hat einen entsprechenden Auslieferungsantrag für alle Fälle bereits an die Bundesregierung übermittelt, die USA fordern die Auslieferung Snowdens. Diese suchen ihn per Haftbefehl und werfen ihm Landesverrat vor. Welche Angst die Herrschenden der USA vor den Enthüllungen Snowdens haben wird deutlich, dass es bisher kein EU-Staat wagt, Snowden politisches Asyl zu gewähren; und der Druck der USA reicht soweit, dass z.B. das Flugzeug eines Staatsoberhauptes, des Präsidenten Morales von Bolivien, durch das völkerrechtswidrige Zusammenwirken mehrerer europäischer Staaten zur Landung in Wien gezwungen wurde um zu untersuchen, ob Snowden an Bord sei.
"Man soll, man muss Edward Snowden einen stabilen Aufenthaltstitel für Deutschland geben. Man soll, man muss Edward Snowden freies Geleit gewähren. Das alles ist rechtlich möglich. Snowden braucht Schutz vor einer Auslieferung in die USA. Deutschland sollte ihm diesen Schutz versprechen und gewähren. Deutschland braucht Aufklärung über die umfassenden Lauschangriffe der USA. Dieser Aufklärung ist nur mit der Hilfe von Snowden möglich. Und Aufklärung ist der Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit."schreibt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung (1.11.13).
Das war auch die einhellige Meinung der 100 Informatiker_innen, die sich vom 25.-27.10.2013 an der Universität Siegen zur Jahrestagung des "Forums Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FifF) zusammengefunden hatten. Unter dem Motto "Cyberpeace" stand die Auseinandersetzung mit dem Einsatz der Informationstechnologie zur Kriegsführung, Spionage und Überwachung im Zentrum der Diskussion. Darüber hinaus befasste man sich aber auch mit ihrem emanzipatorischen Potential im Sinne der Aufklärung und politischen Willensbildung, der Schaffung einer kritischen Gegenöffentlichkeit und der Organisation von Protest.
Einig waren sich die Vortragenden darin: Die von den USA und anderen eingesetzten Programme zur militärischen und geheimdienstlichen Aufklärung stellen nicht nur einen massiven Eingriff in die Privatsphäre von TelekommunikationsnutzerInnen dar, sondern dienen eben auch der Ausspähung politischer Angriffsziele und der Vorbereitung digitaler Kriegsführung.
Kai Nothdurft, Mitglied des FIFF-Vorstandes, bedankte sich im Rahmen der Tagung bei dem Whistleblower Edward Snowden, für dessen Schutz sich das FIfF gemeinsam mit anderen bürgerrechtlichen Organisationen einsetzt. "Ohne diesen mutigen Menschen würde das, was wir bislang über das Ausmaß der weltweiten Telefon- und Internetüberwachung nur vermutet haben, wohl immer noch als paranoid gelten. Nun wissen wir, dass das tatsächliche Ausmaß unsere kühnsten Vorstellungen noch übersteigt."
Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion um "Asyl für Snowden" sei daran erinnert, dass schon Mitte des Jahres der Beauftragte für den Datenschutz in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sich dafür stark gemacht hatte, Snowden Asyl in der Bundesrepublik zu gewähren; dabei hielt er das nördlichste Bundesland für "außerordentlich gut geeignet", könne Snowden doch per Schiff durch russische und internationale dann in deutsche Gewässer nach Kiel gelangen.
Aus der Landespolitik erhielt Weichert seinerzeit Rückendeckung von dem SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner: "Wer wie Snowden schwerwiegende Grundrechtsverletzungen bekannt macht, hat Schutz verdient".
Und auch der Parteivorstand der DKP hatte auf seiner Tagung im Juni den Beschluss gefasst: Der Parteivorstand konzipiert eine Aktionsidee 'Asyl für Edward Snowden'. Angesichts der neu entflammten Debatte um diese Frage darf man gespannt sein, welche Initiativen die Kommunist_innen entfalten, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.
Text:gst Foto: Jakob Huber/Campact