28.07.2014: Unter diesem Motto luden am 22. Juli das Archiv der Münchner Arbeiterbewegung, die Lagergemeinschaft Dachau und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – BdA in die Münchner Seidl-Villa zur „Erinnerung an den immer noch vergessenen Münchner Widerstandskreis Hartwimmer-Olschewski“ ein. Dies solle kein Gegenstück zum 20. Juli sein, sagte Friedbert Mühldorfer von der VVN zu den etwa 100 Gästen bei der Eröffnung, vielmehr eine „Ergänzung“, eine Mahnung gegen das Vergessen und Ausgrenzen des Arbeiterwiderstands.
Der Historiker Ludwig Eiber vom Archiv der Münchner Arbeiterbewegung zeichnete die Enstehung und das tragische Scheitern der Widerstandsgruppe um Wilhelm Olschewski sen., Beppo Römer und Johann Hartwimmer nach. Die Gruppe formierte sich in den Jahren 1939 bis 1942, zum großen Teil aus entlassenen kommunistischen KZ-Häftlingen, die ihre gemeinsame Haft im KZ Dachau auch als Schule der Solidarität und des Widerstands erlebten. Interessant ist das Jahr 1939 aber auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt, wie Heike Bretschneider in ihrer Untersuchung „Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München 1933 bis 1945“ schreibt: „Hervorzuheben ist, dass die Anfänge dieser neuen Gruppe in das Jahr 1939 hineinreichen, also in die Zeit des Bündnisses zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass dadurch die Haltung dieser Gruppe gegenüber dem Nationalsozialismus beeinflusst worden wäre“.
Ein neues Moment beinhaltet auch die Zusammensetzung des Widerstandskreises, der in München fast 50 Menschen umfasste und in Fünfergruppen organisiert war. Mehrheitlich waren es KommunistInnen um Wilhelm Olschewski sen., Leutnant im Ersten Weltkrieg, der sich danach in der revolutionären Rätebewegung engagierte und anschließend zu sieben Jahren Festungshaft verurteilt wurde. Dagegen waren Johann Hartwimmer und vor allem der Hauptmann Dr. Josef (Beppo) Römer, Freikorps-Leute, die damals auf der anderen Seite der Barrikade standen und z.B. als „Freikorps Oberland“ zur Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik beitrugen. Über die KPD-Zeitschrift „Aufbruch“ (ab 1931) („Kampfblatt im Sinne des Leutnants a.D. Scheringer“), aber auch bereits durch vorherige Kontakte schlossen sie sich in den Zwanziger Jahren der KPD an. Jetzt kämpften sie gemeinsam mit den Kommunisten gegen den Hitler-Faschismus. Hauptmann a.D. Dr. Josef (Beppo) Römer verband die Münchner Gruppe mit dem reichsweiten Widerstands-Netzwerk von Robert Uhrig (Berlin).
Neu ist schließlich die Form des Widerstands: Es ging nicht mehr primär um die Verbreitung illegaler Flugschriften, sondern um subversive Arbeit in der Wehrmacht und den Aufbau eines Sabotagenetzes, vor allem in Rüstungsbetrieben. Dazu kam es allerdings im wesentlichen nicht mehr. Anfang 1942 gelingt es der Gestapo, den Münchner Widerstandskreis (und auch den Berliner Kreis um Robert Uhrig) aufzurollen. Es kommt zu Massenverhaftungen – in München werden 48 Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer festgenommen.
1944, also vor siebzig Jahren, folgten die Prozesse vor dem Volksgerichtshof. Im April 1944 wurden sieben Todesurteile ausgesprochen, gegen Hans Hartwimmer, Wilhelm Olschewski jun., seinen Schwager Otto Binder, Engelbert Kimberger, Karl Huber, Gustav Straub, Johann Reisinger. Die Hinrichtungen mit dem Fallbeil in Stadelheim erfolgten am 28. Juni 1944. Wilhelm Olschewski sen. wurde bereits in der Nacht zu 1. Mai 1943 im Gefängnis Stadelheim erschlagen. Beppo Römer wurde in Berlin hingerichtet. Weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.
Beeindruckend waren bei der Veranstaltung die Portraits von fünf Mitgliedern der Widerstandsgruppe, die von verschiedenen Sprechern gezeichnet wurden.
Friedbert Mühldorfer setzte sich abschließend mit der Frage nach den Ursachen des Verdrängens und Diffamierens des Arbeiterwiderstands und insbesondere des kommunistischen Teils auseinander. Da sei einmal das antikommunistische Feindbild, das insbesondere mit dem Kalten Krieg und dem Verbot der KPD neu aufgebaut und verbreitet wurde. So wie die KPD ausgegrenzt und als „gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes“ (Staatssekretär Ritter von Lex am 5. Juli 1955 bei der Begründung des Verbotsantrags gegen die KPD) diffamiert wurde, so wurde auch der Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten diskriminiert, als ferngesteuert hingestellt und so wird er auch heute noch ignoriert und verdrängt.
Zweitens wird der Widerstand bewusst auf Eliten reduziert, was vor allem im Umgang mit dem 20. Juli sichtbar wird. Mühldorfer: „Der Normalbürger wird letztlich nicht als kompetent eingeschätzt, zu erkennen und zu handeln, sondern es herrscht die elitäre Auffassung vor: Kompetenz besitzen nur Angehörige der Eliten, die verstehen können und aufgrund ihrer Funktion im Machtapparat auch Machtveränderungen bewirken können“. Die „Kleinen Leute“ dürfen nach dem Willen der Herrschenden nicht auf die Idee kommen, dass sie „politische Beurteilungskompetenz“ besäßen und sich engagieren könnten und müssten. Deshalb wird der Widerstand der Kleinen Leute missachtet und ausgegrenzt.
Dafür werde den normalen „Durchschnittsbürgern“ Entlastung für ihr Mitläufertum zuteil. Wenn der Widerstand auf Eliten und Einzelkämpfer reduziert werde, die aus höchster moralischer und religiöser Kompetenz, gleichsam aus „Eingebung“ handelten, dann werde der breiten Bevölkerung keine unmittelbare Konfrontation mit dem eigenen Verhalten abverlangt. Sie brauchen sich nicht der Frage stellen, „wie würde ich mich in einer solchen Situation verhalten?“
Schließlich war der Arbeiterwiderstand, also der Widerstand von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern immer mit der Sozialen Frage und der Rolle der Arbeiterschaft im Staat verbunden. Es war die Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen des Faschismus, aber vor allem der Rolle der Arbeiterschaft bei einer Neugestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft, und zwar nicht mehr nur als Objekt staatlichen Handelns. „Die Reduzierung des Widerstands auf den 20. Juli erlaubte dagegen die Konzentration auf die Ebene von Rechtsstaat und Institutionen, machte eine Ausblendung der Sozialen Frage möglich.
Friedbert Mühldorfer rief am Schluss dazu auf, den Münchner „Platz der Freiheit“ jährlich würdig zu gestalten. Der Gedenkstein auf diesem Platz trage die Inschrift: „Den Opfern des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“. Es gebe in ganz Deutschland lediglich in einer Stadt – Bielefeld – einen „Platz des Widerstands“. In Italien habe fast jede Stadt einen solchen Platz.
Text: Fred Schmid Fotos: F. Mühldorfer
Eine Aufzeichnung des Widerstands der Hartwimmer-Olschewski-Gruppe findet sich – neben Portraits anderer Münchner Widerstandskämpfer - in der Broschüre „Die wieder gefundene Liste“, die 1998 von der DKP München herausgegeben wurde. Anlass war das wieder Auftauchen einer von Otto Huber (sein Bruder Karl wurde als Mitglied der Olschewski-Gruppe 1944 hingerichtet) nach dem Krieg angefertigten Liste, mit 60 Kommunistinnen und Kommunisten, die „Vom Faschismus für ihre Treue zum Kommunismus im festen Glauben an ein sozialistisches Deutschland in München ermordet“ wurden. Soweit recherchierbar, wurden in der Broschüre Portraits der Widerstandskämpfer erstellt. Die Broschüre kann für 4 Euro + 2 Euro Versand bestellt werden, bei: Fred Schmid, Mainzerstr. 21, 80804 München;