13.12.2014: Neunkirchen ist eine ehemalige Stadt der Montanindustrie, jetzt Stadt des bekanntesten Konsumtempels in der Region, 50 000 Einwohner. Traditionell sozialdemokratisch verwaltet, mit anhaltend rückläufiger Anhängerschaft, jedoch in einer „Stadtfront“ von der größten „Oppositionspartei“ CDU mitgetragen, hat die Stadt wie fast alle saarländischen Kommunen Geldsorgen. Und jetzt auch noch das Städtische Krankenhaus.
Erfolgreiche Kaputtsparpolitik
Die Gewerkschaft ver.di Region Saar- Trier sieht jedes zweite Krankenhaus im Saarland wegen wirtschaftlicher Probleme in Gefahr, auch das Städtische Klinikum Neunkirchen. In 2013 betrug das Defizit 1,5 Millionen Euro, für dieses Jahr wird ein Defizit von 3,1 Mio. Euro erwartet. Umfangreiche notwendige Sanierungsmaßnahmen werden auch in Zukunft den Klinikhaushalt belasten. Die CDU/SPD-Landesregierung hatte im Rahmen der „Kaputtsparpolitik“ (DKP) die Investitionszuschüsse für die Kliniken um die Hälfte gekürzt.
Zusätzlich belastet wird der Klinikhaushalt durch den Neubau einer „Komfortklinik für betuchte Selbstzahler“. 17,2 Mio. Euro kostete die Abteilung, 4,4 Mio. mehr als veranschlagt; die Amortisationsphase verlängert sich dadurch. Die Klinikleitung sieht in 160 000 Euro Überschuss bisher in diesem Jahr im VIP-Bau eine positive Entwicklung. Im Juli hatte die Klinikleitung angekündigt, die internistische Station jetzt zu schließen und den ambulanten Pflegedienst bis Ende des Jahres zu schließen. Damit fällt im Raum Neunkirchen der einzige ambulante Pflegedienst weg, der bei Betroffenen mit Abstand als der Beste gewürdigt wird. Die Klinikleitung erwartet, mit einem Einsparkonzept ab 2019 wieder kostendeckend zu wirtschaften.
Anfang Oktober überraschte die Stadtverwaltung Neunkirchen mit dem Konzept, das Krankenhaus zu verkaufen, zumindest einen Mehrheitseigner zu gewinnen. Eine „renommierte“ (Saarbr. Zeitung) Unternehmensberatungsgesellschaft soll Kaufinteressenten sondieren.
Das Städtische muss bleiben
In einer Entschließung wertet die DKP das Konzept der Stadtverwaltung als Ausdruck und Ergebnis der Kaputtsparpolitik im Saarland durch die Umsetzung der „Schuldenbremse“. Aus gesundheitspolitischen, aus sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Gründen wird eine Privatisierung abgelehnt. Private Krankenhauskonzerne, auch die in kirchlichen Trägerschaften, arbeiten in erster Linie gewinnorientiert. Zu erwarten ist eine Sanierung, die zu Lasten der Beschäftigten geht mit Verschlechterungen für die Versorgung von Patienten. Besonders problematisch wäre ein Verkauf an einen christlichen Träger. Neben den bekannten Einschränkungen sozialer und demokratischer Rechte für die Beschäftigten würde damit das letzte Krankenhaus in nichtkirchlicher Trägerschaft in den Landkreisen Neunkirchen und St. Wendel aufgegeben. Die DKP regte an, eine Kampagne zu entwickeln, um die kommunale Trägerschaft zu erhalten. Schon einmal, in den 80er Jahren, war die beabsichtigte Schließung der damaligen Kinderklinik verhindert worden.
Die ver.di-Betriebsgruppe protestierte auf gewerkschaftlichen Veranstaltungen gegen dieses Vorhaben. Mitte November ging die Betriebsgruppe mit einer spektakulären Aktion in die Öffentlichkeit. Auf dem Stumm-Platz, dem zentralen Platz in Neunkirchen, wird eine 24-stündige Mahnwache durchgeführt. Pavillons bieten Schutz, ein Feuerkorb, heiße Getränke und Solidarität wärmen; ein ausgedientes Feuerwehrauto dient jetzt als Lautsprecherwagen. Zum Auftakt der Mahnwache unterstützen Delegationen anderer Kliniken; Mitglieder der DKP, der Parteien Die Linke und Die Piraten sind solidarisch. Angehörige der Beschäftigten und Bürger/Innen protestieren gegen den Plan der Stadt.
„Wir erwarten vom Stadtrat und auch von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Fried, dass die Stadt die Trägerschaft beibehält und ihrer Verantwortung für eine ausreichende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung in Neunkirchen gerecht wird und damit der Sicherung aller Arbeitsplätze nachkommt“, so Lisa Summkeller, für das Städtische Klinikum Neunkirchen zuständige ver.di – Gewerkschaftssekretärin.
ver.di lehnt die Beteiligung von privaten oder kirchlichen Trägern im Städtischen Klinikum ab. „Darin sehen wir eine große Gefahr für die Kolleginnen und Kollegen wie auch für die medizinische Versorgung. Profitmaximierung auf Kosten der Menschen sowie die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten würden die Folge sein, dies werden wir nicht zulassen“, so Lisa Summkeller. Im Schichtdienst ziehen die Kolleginnen und Kollegen die Mahnwache durch, bis zum Beginn der Stadtratssitzung am nächsten Tag. In einem Protestzug ziehen sie vom Stumm-Platz zum Rathaus, den Hüttenberg hinauf, die traditionelle Demo-Strecke der ehemals kämpferischen Belegschaft des Neunkircher Eisenwerkes. Vor dem Rathaus werden die Forderungen und Argumente für den Erhalt als kommunales Krankenhaus wiederholt.
Die Arroganz der Volksvertreter
Die Demonstranten ziehen in den Ratssaal, die Zuschauertribüne ist völlig überfüllt. Das Thema der Demonstranten kommt erst im nichtöffentlichen Teil, wegen detaillierter Zahlen und Personalien. Die Fraktionssprecherin der Partei Die Linke beantragt, die allgemeinen Gesichtspunkte im öffentlichen Teil der Sitzung zu behandeln. OB Fried erklärt, er werde morgen eine Pressekonferenz abhalten, die Beschäftigten brieflich informieren und auf Betriebsversammlungen Rede und Antwort stehen. Die „Ratsfront“ von SPD/CDU lehnt den Antrag auf öffentliche Diskussion ab. Oberbürgermeister und Fraktionssprecher der „Stadtfront“ wollen sich ihren Auftritt anderntags nicht nehmen lassen. So könnten die Beschäftigten und Unterstützer eigentlich gehen. Sie bleiben und wirken als mahnende Kulisse.
Die Pressekonferenz, sie bringt nichts Neues. OB Fried und die Fraktionssprecher von SPD und CDU wiederholen Bekanntes, stellen die Beschäftigten und die Öffentlichkeit schon auf den zu erwartenden Sozialabbau ein und verteilen zugleich Beruhigungspillen. „Fried (OB), Schwender (SPD) und Albert (CDU) glauben aber, dass man den Käufer vertraglich verpflichten kann, die Rechte der rund 600 Beschäftigten weitgehend zu wahren. Dass der neue Betreiber einen gewissen Personalabbau anstrebt, um die Wirtschaftlichkeit des Hauses wiederherzustellen, das bezweifelte niemand.“ (Saarbrücker Zeitung, 22.11.14, Neunk. Rundschau, S. 1) Der Wochenspiegel (Ausgabe Neunkirchen, (Saarbr. Zeitung Verlag) titelte sogar: „Das Klinikum ist nicht gefährdet“ (26.11.) Die gewerkschaftliche Aktion wird völlig verschwiegen, mit keinem Wort erwähnt.
Druckempfindlichkeit
Das hatte wohl für interne Unruhe gesorgt. Der OB beeilte sich, tags darauf in einer Presseerklärung zu versichern, dass bei einer Übernahme alle Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen. Und es müsse klar sein, dass bei den Rechten der Belegschaft keine Nachteile entstehen dürften. Auch werde frühestens erst im Frühjahr 2015 über die Zukunft der Klinik entschieden.
Damit ist zunächst die Luft raus. Stadtverwaltung und Gesundheits-Profitgeier haben Zeit gewonnen. Aber auch ver.di und der Betriebsrat haben Zeit gewonnen. Diese sollte nicht ungenutzt bleiben.
In ihrer Entschließung hat die DKP angeregt: „Eine Privatisierung des Neunkircher Klinikums ist eine politische Entscheidung
- und dies kann verhindert werden, H wenn die Beschäftigten und der Betriebsrat, unterstützt von ver.di, sich dagegen wehren,
- wenn die anderen Gewerkschaften in der Region Neunkirchen dies unterstützen,
- wenn in der Öffentlichkeit eine Kampagne dazu entwickelt wird,
- wenn die Linken im Neunkircher Stadtrat, in den Gemeinden und im Kreistag Widerstand entwickeln. Die Mitglieder der DKP werden dies unterstützen.“
Text/Fotos: Rainer Dörrenbecher (dieser Artikel erscheint auch in der UZ vom 12.12.2014)