26.11.2013: Grün, weiß, orange, violett, ... Fahnen und Transparente in allen Farben, die die verschiedenen Sektoren des Protestes gegen die spanische Regierung kennzeichnen, gemischt mit dem Rot der Gewerkschaften und gemeinsam mit politischen Parteien zeigten die Breite der Mobilisierung gegen die Austeritätspolitik. Hunderttausende demonstrierten am vergangenen Wochenende (23./24.11.) in 70 Städten Spaniens gegen die spanischen Regierung und die Troika. Allein in Barcelona waren nach Angaben der Organisatoren mehr als 200.000 Menschen auf der Straße.
In Madrid beteiligten sich die Generalsekretäre der Gewerkschaften CCOO, UGT und USO an der Manifestation. An der Spitze der Demonstration gingen RepräsentantInnen von Sektoren, die von der Sparpolitik besonders betroffen sind - Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Telemadrid, öffentliche Dienste, Wissenschaft, Kultur, RentnerInnen - neben VertreterInnen der Straßenreinigung, die soeben einen langen Streik erfolgreich beendet haben.
Ignacio Fernández Toxo, Generalsekretär der CCOO, sagte, dass die von der Europäischen Union verordnete Austeritätspolitik immer mehr Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit produziere; ein Ausweg aus Arbeitslosigkeit und Krise jedoch die Aktivierung der Wirtschaft voraussetze. Er verwies in diesem Zusammenhang als "einzigem Gegenmittel gegen die Krise" auf den Vorschlag des Europäischen Gewerkschaftsbundes für einen europäischen Investitionsplan zum ökologischen Umbau und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Mit diesen Demonstrationen in 70 Städten Spaniens haben Hunderttausende Menschen ihre Kraft gezeigt, um Kürzungen, die Zerstörung des Öffentlichen und der Arbeiterrechte zu verhindern, meinte er.
Auch in Barcelona stellten die Demonstrierenden ihre Forderungen in Zusammenhang mit der Mobilisierung des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) für den Kampf um die eigenen Rechte und gegen die Kürzungspolitik unter das Motto "Benütze deine Stärke. Lasst uns Veränderungen erreichen. Verteidigen wir den Öffentlichen Dienst. Verteidigen wir die Menschen. Verteidigen wir unsere Pensionen". Gefordert wurde eine gerechte Lösung der Krise, die nicht zu Lasten der Bevölkerung geht, eine Lösung, in der der Mensch im Zentrum steht und die Öffentlichen Güter vorrang vor einer individualistischen Lösung haben.
Aufgerufen hatte hier der Dachverband Cumbre Social (Sozialgipfel), in dem rund 150 Organisationen vereinigt sind, unter anderem die Gewerkschaften CCOO, UGT und USOC. Die berühmte Passeig de Gracia im Herzen Barcelonas war überflutet mit Fahnen in allen Farben von sozialen Bewegungen, Stadtteilorganisationen, sozialen Einrichtungen und Organisationen wie z.B. Greenpeace, SOS Rassismus, den Komitees gegen Zwangsräumungen oder Rentnervereinigungen. Die Spitze der Demonstration wurde von einem Dutzend RollstuhlfahrerInnen gebildet, die die Auswirkungen der sozialen Kürzungen direkt zu spüren bekommen. In der Demonstration waren Blöcke von Betriebsbelegschaften wie z.B. von Alstom oder dem Automobilzulieferer Delphi.
Der Block der Vereinigten Linken Kataloniens ICV-EUiA - Mitglied der Partei der Europäischen Linken - wurde von deren Generalkoordinator Joan Josep Nuet (Generalsekretär der Kommunistischen Partei Kataloniens PCC) und den Abgeordneten der ICV-EUiA angeführt. Die Vereinigte Linke kritisierte, dass die linksnationalistische ERC bei dieser Manifestation für soziale Gerechtigkeit abwesend war, und dass die ERC vor zwei Wochen gemeinsam mit der nationalistischen Regierungspartei CiU einen Haushaltsentwurf in das Regionalparlament eingebracht hatte, der noch mehr Ungleichheit verursacht und die schwächsten Schichten der Bevölkerung vom Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen ausschließt.
Auffallend war, ähnlich wie bei Protesten in Deutschland, das hohe Durchschnittsalter der DemonstrantInnen. Dabei sind junge Menschen mit einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 56% in Spanien (Zahl von September 2013) von der Krise besonders betroffen.
In Auswertung der Demonstrationen stellte der Generalkoordinator der Vereinigten Linken Spaniens (IU), Cayo Lara, fest: "Dieser 23./24. November ist nicht nur eine Demonstration mehr. Mit dieser Mobilisierung wird eine gesellschaftliche und politische Strategie der Vereinigten Linken konkret, die auf eine Reihe von Mobilisierungen gegen die neoliberale Offensive setzt und die Zusammenarbeit und Einheit der verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren, Gewerkschaften und politischen Organisationen gegen die Troika und ihre neoliberale Politik befördert. Die Vereinigte Linke hat lange und intensiv für die Einheit der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaftsbewegung gearbeitet. Heute können wir sagen dass diese Arbeit Erfolg hatte. Mareas Ciudadanas (Bürgervereinigungen gegen Austerität und für echte Demokratie) und Sozialgipfel demonstrierten gemeinsam in Madrid und vielen anderen Städten für die Verteidigung der öffentlichen Dienste, der Renten und der Menschen."
Text: Kerem Schamberger
Fotostrecke aus Barcelona: Kerem Schamberger
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