03.12.2012: Besser konnte der „Tag der internationalen Solidarität mit dem palästinensischen Volk“ dieses Jahr kaum begangen werden: Genau an diesem Tag, dem 29. November, beschloss die UNO-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit die Zulassung Palästinas als Staat mit Beobachterstatus zu allen UNO-Gremien und damit die internationale Anerkennung der Existenz des Staates Palästina. Mehr als zwei Drittel der UNO-Mitgliedsstaaten, 138 von 193, darunter auch die meisten Staaten Europas, so Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Österreich, die Schweiz, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Schweden und Finnland sprachen sich dafür aus. Nur noch neun Stimmen kamen für die Front der Ablehnung unter Führung der USA und Israels zusammen. Nur Kanada, Tschechien und Panama sowie die Pazifik-Inselstaaten Marshallinseln, Mikronesien, Nauru und Palau haben sich ihnen noch anschlossen.
Zur Gruppe der 41 Staaten, die sich zwischen dem politischen Druck der USA und Israels und der Einsicht in die Legitimität und politische Vernünftigkeit des palästinensischen Antrags der Stimme enthielten, gehörten neben der deutschen Regierung u. a. Großbritannien, die Niederlande, Polen, die Slowakei, die Balkanstaaten Ungarn, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, FJR Mazedonien, Albanien, Rumänien und Bulgarien, die baltischen Staaten Litauen. Lettland und Estland sowie Südkorea und die DR Kongo. Fünf UNO-Staaten, darunter die Ukraine, haben an der Abstimmung nicht teilgenommen.
Die Entscheidung ist weltweit als ein „historischer Tag“ und großer Erfolg für Palästina gewertet worden. Palästina-Präsident Abbas nannte sie einen „wichtigen Schritt auf dem Weg zur palästinensischen Unabhängigkeit“ und die „Geburtsurkunde der Realität des Staates Palästina“. Auch der führende Hamas-Politiker Al Rishk anerkannte das Ergebnis als einen „Sieg für alle Palästinenser“.
Auch wenn Palästina damit noch nicht Vollmitglied in der UNO mit Stimmrecht geworden ist, hat die „Völkergemeinschaft“ damit dem seit vielen Jahren geführten Kampf der Palästinenser für ihre nationalen Rechte und die Gründung eines eigenen souveränen Staates eine große politische Anerkennung und Unterstützung gewährt. Dies ist in erster Linie ein Erfolg des nicht nachlassenden Kampfes der Palästinenser selbst, ihrer unbeugsamen Entschlossenheit, sich mit dem völkerrechtswidrigen israelischen Besatzungsregime nicht abzufinden, vor Druck und Gewalt nicht zu kapitulieren und keinem „Arrangement“ mit den Machthabern Israels unterhalb der staatlichen Unabhängigkeit zuzustimmen. Es ist ein Erfolg auch der internationalen Solidaritätsbewegung, die an der Seite der Palästinenser dazu beitrug, in vielen Ländern der Welt auf die herrschenden politischen Kräfte Druck auszuüben, damit sie sich von der Bevormundung durch den USA-Imperialismus frei machen und zu der Erkenntnis durchrangen, dass die Anerkennung Palästinas als Staat für eine Friedenslösung im Nahen Osten zwingend notwendig ist.
Dass der deutsche Außenminister Westerwelle im Einverständnis mit Kanzlerin Merkel sich für eine Stimmenthaltung bei dieser wichtigen UNO-Abstimmung und damit ein weiteres Mal für eine isolierte Position nicht nur innerhalb der Weltgemeinschaft, sondern auch innerhalb der EU entschied, kann nur als gravierender politischer Missgriff und mangelndes Begreifen der erheblichen Veränderungen bewertet werden, die sich in den letzten Jahren in der Welt vollzogen haben. Die Begründung dieser Stimmenthaltung mit einem „besonderen Verhältnis“ Deutschlands zu Israel ist Irreführung. Denn was Westerwelle und Merkel damit praktiziert haben, ist nicht Unterstützung für Israel, sondern am Gängelband der Nahostpolitik der USA Unterstützung für die reaktionärste und verständigungsfeindliche Rechtsregierung unter Netanjahu, die es seit der Gründung des Staates Israels je gegeben hat.
Selbst der frühere israelische Ministerpräsident Olmert und die ehemalige Außenministerin Livni aus dem Lager der bürgerlichen Liberalen, beide durchaus entschiedene Interessenvertreter bürgerlich-kapitalistischer Klasseninteressen, hatten sich vor der UNO-Abstimmung öffentlich dafür ausgesprochen, dass Israel dem palästinensischen Antrag in der UNO zustimmen sollte. Von der vielgestaltigen israelischen Friedensbewegung, die für eine Verhandlungslösung mit den Palästinensern auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung aktiv ist, gar nicht zu reden.
Westerwelles „Zweifel“, dass die UNO-Entscheidung zu Palästina zum jetzigen Zeitpunkt dem Friedensprozess nicht dienlich sein“ und eher zu „Verhärtungen“ führen könnte, verdreht die Tatsachen. Er weiß ebenso wie die Kanzlerin genau, dass die „Verhärtungen“, die die Verhandlungen zwischen Israel und Palästina seit Monaten blockieren, aus einer ganz anderen Quelle kommen. Es ist das provokative Festhalten der Netanjahu-Regierung an der Ausdehnung ihres Staatsgebietes durch Siedlungsbau auf palästinensischem Territorium und generell der Unwille der derzeitigen israelischen Machthaber, das Besatzungsregime über Palästina aufzugeben und die einschlägigen UNO-Resolutionen zu akzeptieren, was die Verhandlungen torpediert.
Dies wird auch durch die jüngste Entscheidung der israelischen Regierung noch einmal unterstrichen, als „Vergeltungsakt“ für den Uno-Beschluss den Bau von 3000 neuen Wohneinheiten im palästinensischen Westjordanland zu genehmigen. Zugleich verkündete der israelische Finanzminister, daß als weiterer Racheakt die Steuereinnahmen, die der palästinensischen Autonomiebehörde laut Vereinbarung zustehen, von Israel nicht mehr überwiesen werden. Der zweifelsfrei provokative Charakter dieses Netanjahu-Vorgehens zeigt sich darin, dass der Siedlungsbau damit erstmals auch in der „Zone E 1“ zwischen der israelischen Großsiedlung Maale Adumim und Jerusalem betrieben werden soll. Die Bebauung dieser Zone würde den Zusammenhang zwischen dem Norden und dem Süden des Westjordanlands zertrennen und damit eine weitere Zerstückelung des palästinensischen Staatsgebiets in unzusammenhängende Territorien bedeuten.
Es ist sicher zu begrüßen, dass selbst US-Außenministerin Clinton ebenso wie die Außenminister Großbritanniens und Frankreichs inzwischen öffentlich gegen die Verwirklichung dieses Netanjahu-Beschlusses Stellung bezogen haben. Es muss sich allerdings erst noch zeigen, ob dies ausreicht, um die derzeitigen Machthaber Israels, die hoffen, aus ihrem forschen Vorgehen Vorteil für ihren Wahlkampf zu ziehen, zum Einlenken zu bewegen.
Auf jeden Fall zeigt der Vorgang, dass der Kampf um eine Friedenslösung in Nahost mit dem jüngsten Uno-Beschluss noch nicht zu Ende ist. Es gilt, weiter Solidarität zu üben mit dem Verlangen des palästinensischen Volkes nach einem international anerkannten souveränen Staat Palästina in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt, wie er ihm nach den einschlägigen UNO-Resolutionen 242, 338 und 478 zusteht. Dies liegt auch im Interesse der Bevölkerung Israels, denn einen anderen Weg zum Frieden für beide Völker gibt es nicht.
Text: Georg Polikeit
Photo: Hansine Korslien/NorwayUN.
President Abbas left the stage reccieving a standing applause, and touched his heart to thank the United Nations crowd.