16.12.2025: Chile schlägt einen neuen Kurs ein: Die Linke der sozialen Revolte wird hinweggefegt, die Geister kehren zurück ++ Reaktionäre Internationale gratuliert
Es hat nichts gebracht, sich der Unterdrückung zu widersetzen, im Gefängnis zu landen, das Augenlicht oder sogar das Leben zu verlieren. Sechs Jahre nach dem sozialen Aufstand und fünf Jahre nach dem Plebiszit, bei dem fast 80 % der Wähler dafür gestimmt hatten, die Verfassung Pinochets zu verwerfen (um dann zwei Jahre später zu beschließen, sie doch beizubehalten), ist es tatsächlich die extreme Pinochet-Rechte, die zum ersten Mal seit dem Ende der Diktatur die Präsidentschaft erobert hat. "Chile despertó", Chile ist erwacht, riefen die Menschen damals auf den Straßen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis es wieder einschlief.
Der Aufschwung der Ultrarechten unter Kast ist auch darauf zurückzuführen, dass die linke Regierung unter dem amtierenden Präsidenten Gabriel Boric, die gewählt wurde, um die Geschichte des Landes neu zu schreiben, und die zu Beginn zwar gegen die Ungleichheit im Land angehen wollte, aber nur wenige Vorhaben umgesetzt hat.
So war die Wahl am Sonntag das Vermächtnis der Präsidentschaft Boric. Was sie an Gutem erreicht hat (Verkürzung der Wochenarbeitszeit, Erhöhung des Mindestlohns, Beginn der Rentenreform), ist vor allem der ehemaligen Arbeitsministerin und Kandidatin der Mitte-Links-Koalition Unidad por Chile, Jeannette Jara von der Kommunistischen Partei, zu verdanken. Aber das hat nicht gereicht.
Das Ergebnis der Stichwahl entsprach genau den Umfragen: José Antonio Kast, Kandidat der Partido Republicano, erhielt 58,2 % der Stimmen (damit ist er der Präsident mit den meisten Stimmen in der Geschichte des Landes), gegenüber 41,7 % für Jeannette Jara, die Kandidatin der Unidad por Chile: das schlechteste Ergebnis der progressiven Kräfte seit der Rückkehr zur Demokratie.
Kurz nach Mitternacht mitteleuropäischer Zeit gratulierte der scheidende Präsident Gabriel Boric dem Sieger (Jara hatte dies bereits vor ihm getan): "Auch du wirst erfahren, was die Einsamkeit der Macht bedeutet", sagte er ihm. Ein freundlicher Anruf, wie übrigens auch vor vier Jahren, als die Rollen vertauscht waren. Und Kast wollte seiner besiegten Gegnerin auch die Ehre erweisen, indem er ihren "Mut“ anerkannte und versicherte, dass Chile "nicht gespalten voranschreiten“ werde. Nichts könnte also weiter vom Stil des Argentiniers Mileis entfernt sein.
Doch hinter diesen versöhnlichen Tönen verbirgt sich nichts Beruhigendes. Kast, Sohn eines Nazis, wird der erste Präsident sein, der bei der historischen Volksabstimmung von 1988, die das Militärregime beendete, für Pinochet gestimmt hat und sich immer stolz zu dessen Erbe bekannt hat. Wäre der Diktator noch am Leben gewesen, sagte Kast im Jahr 2017, hätte er für ihn gestimmt.
2017 besuchte er ehemalige Mitglieder der chilenischen Geheimpolizei im Gefängnis, unter anderem Miguel Krassnoff, der wegen Erschießungen, Folter und anderen Delikten unter Pinochet zu mehr als 1.000 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. José Antonio Kast bekundete öffentlich seine Bereitschaft, den wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verurteilten, die in Punta Peuco inhaftiert sind, Vergünstigungen oder sogar Begnadigungen zu gewähren. Er führt humanitäre Gründe für diejenigen an, die krank oder hochbetagt sind.
Nicht einmal der verstorbene Sebastián Piñera mit all seinen Schandtaten, angefangen bei den systematischen und allgemeinen Menschenrechtsverletzungen während der sozialen Unruhen, war so weit gegangen.
Und es geht nicht nur um Kast - in der Wahlnacht feierten seine Anhänger mit Flaggen von Pinochet. Und mit Flaggen auf denen Miguel Krassnoff abgebildet war - ein Offizier der ehemaligen Geheimpolizei DINA, der für Folter und Mord verurteilt wurde.
"Es sind nicht 30 Pesos, es sind 30 Jahre“, lautete der Slogan, der 2019 bei den Demonstrationen skandiert wurde und sich einerseits auf die x-te Erhöhung der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel und andererseits auf die drei Jahrzehnte seit dem Ende der Diktatur bezog, die von derselben sozialen Ungerechtigkeit geprägt waren.
Und wenn Boric so regiert hatte, als könne sich alles auf eine Frage von "30 Pesos“ reduzieren, wird Kast sicherlich noch viel weiter gehen: Die vier Jahre seiner Amtszeit kündigen sich noch härter an als diese 30 Jahre, und die 30 Pesos werden in den nächsten 18 Monaten – so hat es der gewählte Präsident versprochen – zu 6,5 Milliarden Dollar an Kürzungen werden.
Gegen Abtreibung und die Ehe zwischen Homosexuellen und für Initiativen wie die Abschaffung des Frauenministeriums, hat der katholische Kast, Vater von neun Kindern, es vorgezogen, sich auf die Themen zu konzentrieren, die einer Wählerschaft, die über den Anstieg der Mordrate besorgt ist, die sich in den letzten zehn Jahren sogar verdoppelt hat, heute am meisten am Herzen liegen: Ordnung und Sicherheit, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Massenausweisung illegaler Einwanderer, auch durch den Bau von Grenzmauern und Hochsicherheitsgefängnissen im Stil des Regierungschefs von El Salvador, Nayib Bukele. Es ist kein Zufall, dass Chile laut dem Gallup Global Safety Report 2025 nach Ecuador das lateinamerikanische Land ist, in dem sich die Bevölkerung am unsichersten fühlt, obwohl die Realität dort sicherlich weniger kritisch ist als anderswo.
Zuwachs für die Reaktionäre Internationale
"Herzlichen Glückwunsch José Antonio Kast - Señor Presidente de Chile! Rechts schlägt links. Wir gewinnen. Überall", jubelt die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.
Wie sie freuen sich viele über den Sieg von Kast; die Reaktionäre Internationale hat ein Land mehr unter ihrer Kontrolle.
Argentiniens Präsident Milei drückte seine "große Freude" über dessen "überwältigenden Triumph" aus, und nicht weniger groß war die Zufriedenheit der italienischen Regierungschefin Meloni, die sicher ist, dass mit dem "großen Erfolg" ihres "Freundes" die bilateralen Beziehungen zwischen Italien und Chile "noch stärker werden, angefangen bei Themen wie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Bekämpfung der illegalen Einwanderung", und die des stellvertretenden Ministerpräsidenten Matteo Salvini, der die "gemeinsamen Kämpfe" für "Freiheit, Identität und Sicherheit" lobte.
Aus den USA kamen Glückwünsche von Außenminister Marco Rubio, der zuversichtlich ist, dass Chile nun "gemeinsame Prioritäten wie die Stärkung der öffentlichen Sicherheit, die Eindämmung der illegalen Einwanderung und die Wiederbelebung unserer Handelsbeziehungen vorantreiben wird". Ein weiterer schöner Punkt für die Trump-Regierung.
Israels Außenminister Gideon Sa'ar zeigte sich erleichtert über den Sieg des Rechtsextremisten Kast: "Ich habe ihm gesagt, dass sein Sieg wichtig für Chile ist und auch Bedeutung für die Beziehungen zwischen Israel und Chile hat, die sich während der Amtszeit von Präsident Boric leider verschlechtert haben. Wir vereinbarten, zusammenzuarbeiten, um die Beziehungen zwischen Israel und Chile zum Wohle beider Nationen wieder auf den richtigen Weg zu bringen", so der Israeli auf X.
Für den gesamten Subkontinent südlich des Rio Bravo ist die Wahl von Kast ein schlechtes Zeichen. Der Cono Sur (Chile, Argentinien, Paraguay, Bolivien) wird somit von rechtsextremen oder rechten Präsidenten regiert. Vor allem ein schlechtes Zeichen für das zunehmend isolierte Kuba und für Venezuela, wo die Regierung Maduro von einer bewaffneten Intervention der USA bedroht ist.




