27.02.2012: Nach mehr als einjähriger Auseinandersetzung gibt es nun ein Bündel von Sicherungsvereinbarungen, das bis Ende 2014 gilt und betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Und das, obwohl ein Abbau von rund 500 Arbeitsplätzen geplant war und die Fabrik nur rund zur Hälfte ausgelastet ist. Zu verdanken ist dies der klugen Strategie und Taktik des Käfertaler Betriebsrats, der Kampfbereitschaft der Belegschaft sowie der massiven Unterstützung durch andere ALSTOM-Standorte.
Die wichtigsten Ergebnisse für den Standort Mannheim-Käfertal:
- Statt geplanten 480 werden unterm Strich bis Ende 2014 "nur" rund 250 Arbeitsplätze abgebaut. Die Belegschaft des geschlossenen Bereichs "Gesamtkraftwerksplanung" geht in den neuen Bereich "Gesamtkraftwerksretrofit" über, der von Mannheim aus weltweit fungieren soll. Die Kolleginnen und Kollegen des zu schließenden Bereichs "Generatorkonstruktion" werden überwiegend vom Service aufgefangen. Der Behälterbau (APER) wird nicht geschlossen, sondern ausgebaut.
- Der Personalabbau läuft ohne betriebsbedingte Kündigungen ab über freiwillige Aufhebungsverträge, Versetzungen in andere Standorte, Vorruhestand und eine noch attraktivere, vorgezogene Altersteilzeit (ohne Rentenverlust).
- Es gibt keine Eingriffe in Tarifverträge.
- Es wird insbesondere in der Fabrik weiterhin Kurzarbeit möglich sein.
- Die Ausbildung wird nicht geschlossen, sondern mit insgesamt mind. 38 Lehrlingen und BA-Studenten pro Ausbildungsjahr weitergeführt. Bis Ende 2014 werden davon jährlich mindestens 68 % unbefristet, der Rest auf ein Jahr befristet übernommen.
- Es werden wieder Millionen in den Maschinenpark der Fabrik investiert.
- Leiharbeit ist nicht möglich; Werkverträge und Überstunden sind nur eingeschränkt bzw. bedingt möglich.
- Es wird eine Innovationsgruppe für neue Produkte am Standort gebildet, die personell, organisatorisch und finanziell im notwendigen Umfang ausgestattet wird.
Gemessen an den schlechten Ausgangsbedingungen (schlechte Auftragslage, Fabrikauslastung unter 50 Prozent, zweijährige Kurzarbeit) kann sich das Ergebnis insgesamt sehen lassen. Uns ist nicht bekannt, dass anderswo unter diesen Bedingungen bessere Ergebnisse erzielt wurden. Der Standort ist weiterhin arbeitsfähig und kann wieder (wie 2005 schon einmal geschehen) ausgebaut werden. Zu diesem Teilerfolg haben drei Dinge wesentlich beigetragen:
Zum einen waren es wieder die kluge Strategie und Taktik des Betriebsrats und der IG Metall unter Ausnutzung aller Möglichkeiten: Verhandlungen an den verschiedensten europäischen ALSTOM-Standorten wurden so verzögert und abgestimmt, um ein europaweites Solidaritätsnetzwerk zwischen den ALSTOM-Standorten zu knüpfen. Im europäischen und im deutschen Konzern-Betriebsrat war man sich einig, dass kein Standort sich auf Kosten eines anderen "saniert" und dass "Paketlösungen" gefunden werden müssen. Der Europäische Metallarbeiterbund (EMB) konnte deshalb im Vorfeld mit der ALSTOM-Konzernleitung eine Rahmenvereinbarung abschließen. In dieser wurde u. a. geregelt, dass Entlassungen nur der letzte Schritt sein können, nachdem zuvor z. B. Lastausgleich zwischen den Standorten und arbeitszeitverkürzende Maßnahmen vorgenommen wurden.
Zum zweiten war es die Standhaftigkeit und Kampfbereitschaft der Mannheimer Belegschaft selbst, die bei mehreren Aktionstagen unter Beweis gestellt wurde.
Und schließlich konnte der Konzernbetriebsrat in der entscheidenden Phase der Auseinandersetzung noch zwei Trümpfe ausspielen, was den Durchbruch brachte. Ende Oktober beschloss der deutsche Konzernbetriebsrat, ab dem 23.11.11 an allen Standorten die Überstunden abzulehnen. Außerdem schickten sich die Belegschaften der Kesselstandorte Neumark und Stuttgart an, dem vorgesehenen Betriebsübergang in das Kessel-Gemeinschaftsunternehmen ALSTOM/Shanghai Electric massenweise zu widersprechen. Erst jetzt unterschrieb die Konzernleitung in Paris auch den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Das hätten wir aus Mannheimer Kraft allein nicht hinbekommen. Deshalb ist dies ein Ergebnis überbetrieblicher Solidarität. So haben sich insbesondere die Standorte Salzgitter (Schienenfahrzeuge) und Stuttgart/Neumark (Kessel) für Solidarität revanchiert, die sie zuvor von Mannheim bekommen haben. Das zeigt, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist und sich lohnt.
Der Schutz vor betriebsbedingter Kündigung gilt mittlerweile auch für die Kraftwerkservice-Gesellschaft, nachdem der Konzernbetriebsrat ankündigte, dort die Überstunden abzulehnen.
Wie geht es weiter?
In den nächsten Wochen und Monaten geht es um die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen. Wachsamkeit vor faulen Tricks seitens der Fabrikleitung ist angesagt. Und ab April muss wohl wieder in die Hände gespuckt werden. Statt bisher 7 werden wohl 22 große Gasturbinen im neuen Geschäftsjahr gebaut werden. Mal sehen, wann die ersten Neuanstellungen fällig werden. Es mehren sich Anzeichen, dass es demnächst in weiteren ALSTOM-Geschäftsbereichen zu Gemeinschaftsunternehmen oder Fusionen kommt. Wie dem auch sei: auch in diesem Fall greifen unsere Sicherungsvereinbarungen. Wir haben gelernt, mit der Konzernleitung "französisch" zu sprechen. Auch asiatische Kampfstile sind erlernbar.
Aus der DKP-Betriebszeitung "Der Blitz" für Beschäftigte bei ALSTOM-Mannheim, Ausgabe Februar 2012.