12.11.2013: Deutschland erlebt zur Zeit einen Höhepunkt der Bereicherung auf der einen und der Verarmung auf der anderen Seite. Die Wirtschaft wächst nur noch für die Reichen; der Mittelstand erodiert und der untere Teil der Bevölkerung gerät immer mehr unter die Räder. Das reichste Land der EU hat zugleich die meisten Armen. 2012 gab es in Deutschland erstmals mehr als eine Million Dollar-Millionäre: ihre Zahl war von 826.000 vor der Krise (2007) auf 1.015.000 im Jahr 2012 gestiegen: + 22,9% (Capgemini, World Wealth Report). Auf der Schattenseite war im Jahr 2011 jeder sechste Deutsche arm, wie aus der jüngsten Erhebung des Statistischen Bundesamtes „LEBEN IN EUROPA“ (EU-SILC) hervorgeht (destatis, 25.10.13). Insgesamt sind es 13 Millionen Menschen, 16,1% der Bevölkerung, 0,3% Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, die mit 980 Euro und weniger im Monat auskommen müssen.
Letzteres ist in Deutschland der Schwellenwert für Armut. Sozial- und andere Transferleistungen sind dabei schon eingerechnet. Und das trotz der vielgepriesenen Rekordbeschäftigung, Rekord-Steuereinnahmen, Rekord-Geldvermögen … Selbst Personen von Haushalten mit überwiegend Erwerbstätigen hatten ein Armutsrisiko von 7,8%: Arm trotz Arbeit! Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den hohen Niedriglohnsektor, in dem 2011 8,09 Millionen Beschäftigte (23,9% aller Beschäftigten) arbeiten mussten. Am stärksten armutsgefährdet sind Menschen, die in Haushalten von überwiegend Arbeitslosen leben; hier beträgt die Armutsrate 69,3%. Auch Haushalte von Alleinerziehenden haben eine weit überdurchschnittliche Armutsgefährdung von 38,8% sowie allein lebende Personen: 32,4%.
Nach derselben Methode wurden vom Statistikamt Eurostat auch in anderen EU-Ländern Armutsgefährdungsquoten erhoben. Sie sind aber noch nicht überall ausgewertet. In Griechenland stieg die Armutsquote 2011 gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 23 Prozent; in Portugal verharrte sie auf 18 Prozent in Frankreich betrug sie 14 Prozent in den Niederlanden 10 Prozent. Zu beachten sind die wesentlich niedrigeren Armutsschwellen in den südlichen Peripherieländern. In Griechenland liegt sie für Alleinstehende bei 5708 Euro Jahreseinkommen (476 Euro im Monat), in Portugal bei 4994 Euro (416 Euro im Monat). Nach EU-einheitlicher Definition gilt als arm – Armutsschwelle -, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens (mittleres Einkommen) des betreffenden Landes zur Verfügung hat. Das gibt einen Hinweis , wie niedrig die mittleren Einkommen in den europäischen Südländern inzwischen sind. Mehr noch, sie verringern sich im weiteren Verlauf der Krise. In Griechenland fiel die Armutsschwelle zwischen 2010 und 2012 von 7178 Jahreseinkommen auf 5708 Euro, also um fast 21 Prozent; in Portugal von 5207 auf 4994, ein Minus von 4 Prozent. Mit der Armut nehmen Hunger, Krankheiten und soziale Ausgrenzung zu.
Die Kluft wird größer und tiefer. In Europa gibt es mehr Millionäre als vor der Krise; insgesamt im Jahre 2012 3,4 Millionen (Dollar-) Millionäre mit einem Geldvermögen von 10,9 Billionen Dollar (Capgemini).
Text: Fred Schmid, isw Foto: mami