21.11.2013: Max-Bahr-Mitarbeiter_innen wehren sich gegen das drohende Aus für die Baumarktkette und den Verlust ihrer Arbeitsplätze. In Reinbek in Schleswig-Holstein haben am Dienstag rund 400 Beschäftigte für den Erhalt ihrer bundesweit 3.600 Arbeitsplätze demonstriert; anschließend zogen sie zwei Stunden durch die Hamburger Innenstadt und machten mit Trommeln, Pfeifen und Transparenten lautstark und sichtbar auf sich aufmerksam.
Seit 2007 gehörte Max Bahr der Praktiker-Gruppe an. Als dann im Juli 2013 die Praktiker AG Insolvenz anmeldete schrillten auch bei den Max-Bahr-Beschäftigten die Alarmglocken obwohl von Unternehmensseite immer behauptet wurde, dass die Existenz der Bahr-Kette gesichert werden würde. Die Seifenblase platzte dann am 15. November, als der Insolvenzverwalter die Zahlungsunfähigkeit und Abwicklung der Bahr-Baumarkt-Kette bekannt gab, da die Übernahmegespräche mit dem Bieterkonsortium um den Baumarktbetreiber Hellweg für gescheitert erklärt wurden. Neben Hellweg hatte auch die Handelsgruppe Globus Interesse bekundet alle Baumärkte der Kette Max Bahr zu übernehmen und einen Großteil der Arbeitsplätze zu bewahren. Der Insolvenzverwalter hat nun eine Einzelvermarktung der Standorte angekündigt.
Gescheitert ist die Rettung von Max Bahr nicht nur nach Ansicht der Arbeitnehmervertreter an der Royal Bank of Scotland (RBS), einer der größten Banken der Welt. Sie ist der größte Gläubiger der insolventen Vermieter-Gesellschaft Moor Park, der ein Großteil der Max-Bahr-Märkte gehört. Die Mietgarantien für die Immobilien, die sie von den Käufern gefordert habe, seien „überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Ulrich Kruse. Auch Kaufinteressenten kritisieren, dass die Arbeitsplätze von Max Bahr für die Bank keine Rolle gespielt hätten, obwohl die RBS selbst mit einem der weltweit größten Rettungspakete für Banken überhaupt vom britischen Staat gerettet wurde und noch heute mehrheitlich dem britischen Staat gehört.
Zur Rettung ihres Unternehmens wollen die Mitarbeiter der von Zerschlagung bedrohten insolventen Baumarktkette Max Bahr erneut auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Sie seien bereit, gemeinsam mit den Kaufinteressenten Hellweg oder Globus eine Mietkaution für die Royal Bank of Scotland aufzubringen, sagte Gesamtbetriebsratschef Uli Kruse am Montag. Die Mitarbeiter hatten schon einmal im - letztlich vergeblichen - Sanierungsprozess des Mutterkonzerns Praktiker anteilig auf Gehalt verzichtet. Das wird aber nicht von allen Betriebsräten so gesehen. „Einen Gehaltsverzicht anzubieten, ohne dass es ein schlüssiges Konzept gibt, ist schlichtweg nicht sinnvoll.“ so z.B. die Betriebsräte im saarländischen Kirkel. Und die Erfahrungen mit der sog. “Praktiker-Sanierung” sollten für alle Interessenvertreter eigentlich ein abschreckendes Beispiel sein.
Der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei den Bahr-Baumärkten reiht sich zeitlich ein in die Tarifauseinandersetzungen bei Karstadt, im Einzelhandel und beim Internethändler Amazon, die sich jetzt schon monatelang hinziehen und bei denen die Konzernbosse offensichtlich auf eine Ermüdungstaktik gegenüber der Gewerkschaft und den Angestellten setzen. Ein sicht- und spürbares kämpferisches Signal der Gewerkschaften an die Unternehmer wäre jetzt vonnöten. Angesichts des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts könnte es sinnvoll sein, die Arbeitskampfmaßnahmen der einzelnen Breichen zu intensivieren und bündeln. Und warum sollten die Gewerkschaften nicht auch zu einer Großdemonstrationen aufrufen? Damit könnten die laufenden Arbeitskämpfe und Tarifauseinandersetzungen - die in den Medien weitgehend ignoriert werden – stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, den Druck auf die Konzerne erheblich erhöhen und ein sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Beschäftigten im Einzelhandel sein.
Text/Fotos: gst