23.05.2014: Für den 20. Mai hatte das Aktionsbündnis „We expect better“ zu einer Demonstration vor der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom AG in Berlin aufgerufen. Das Bündnis von deutschen und US-amerikanischen Gewerkschaftern von CWA (Communication workers of America) und ver.di unterstützt seit Jahren den Kampf der Arbeiter und Angestellten bei der Telekomtochter T-Mobile USA um elementare Beschäftigten- und Gewerkschaftsrechte. Mit den Kolleginnen und Kollegen vor allem aus dem Fachbereich 9 (Telekommunikation und Informationstechnologie) sollen auch die Delegierten des in dieser Woche in Berlin tagenden Internationalen Gewerkschaftsbundes gegen die antigewerkschaftlichen Praktiken bei der Telekomtochter in den USA protestieren. Internationale Solidarität und berechtigtes Eigeninteresse sind Motivationen der deutschen Gewerkschaften, befürchten sie doch nicht zu Unrecht, daß Praktiken wie in den USA über den Atlantik schwappen könnten. Gerade die Geheimverhandlungen zwischen den USA und der EU zum TTIP geben vielen Anlaß zu Besorgnis.
„Die Menschen werden unter Druck gesetzt, werden in Angst und Schrecken versetzt um nicht für Gewerkschaft zu stimmen“, schilderte Ado Wilhelm von Fachbereich 9 schon vor zwei Jahren in einem Video die Situation bei der T-Mobile USA. Wobei diese keine Ausnahme ist. VW, BMW, Mercedes, Thyssen und Siemens seien hier als Beispiele genannt für deutsche Konzerne, in vor allem in den gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten der USA Werke haben und von der dortigen antigewerkschaftlichen Situation profitieren. In den USA müssen die Beschäftigten darüber abstimmen, ob die gesamte Belegschaft von einer Gewerkschaft vertreten werden soll oder nicht. Nur wenn mehr als 50% zustimmen, dürfen Gewerkschaftsvertreter überhaupt erst den Betrieb betreten. Das Recht, betriebsübergreifende Tarifverträge abzuschließen, hierzulande im Zuge der Novemberevolution 1918 durchgesetzt, wird den US-Gewerkschaften verwehrt. Im VW-Werk in Chattanooga, Tennessee, ging jüngst eine Abstimmung mit 712 zu 626 Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 89 Prozent verloren. Vorausgegangen waren massiver Druck auf die Beschäftigten, von Androhung der Verlagerung der Produktion bis hin zur direkten gewerkschaftsfeindlichen Einflussnahme des Gouverneurs des US-Bundesstaats gegen die US-Automobilgewerkschaft UAW und die sie unterstützenden VW-Betriebsräte samt der IG Metall. Wenn es um Gewerkschaftsrechte geht, dann taugen „Freedom and Democrazy“ in den USA nur noch als Schlagworte zu Begründung weltweiter Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten.
Es gibt in den USA zahlreiche Anwaltskanzleien, die sich auf Gewerkschaftsverhinderung spezialisiert haben. Ihnen winken bei Erfolg oft Millionensummen als Honorar. Setzt sich aber eine Gewerkschaft durch, gibt es keinen Cent für die Advokaten, was sie zu besonderer Aggressivität anstachelt. Nach einem Bericht der TAZ vom 28.3.2012 ist bei der T-Mobile USA die Kanzlei Adams, Nash, Haskell & Sheridan aktiv. Sie habe 2003 ein Handbuch für das Management verfaßt, welches das übliche antigewerkschaftliche Vokabular benutze. Die Gewerkschaften seien „aufgebläht“, „bürokratisch“, „geldhungrig“ und „sektenähnlich“ bis hin zu „teuer für die Beschäftigten“.
Die Beschäftigten der T-Mobile USA haben nach eigenen Aussagen in der Regel keine Arbeitsverträge. Eingestellt sozusagen per Handschlag, wissen sie nie, ob der aktuelle Arbeitstag nicht ihr letzter sein wird. Nur wenige trauen sich da, offen für eine Vertretung durch die Gewerkschaft aufzutreten. Ein Monteur berichtet z.B. dass es üblich sei, defektes Werkzeug selbst neu zu beschaffen, ohne zu wissen, ob der Konzern in nächster Zeit oder überhaupt die Kosten dafür ersetze. Werde ein Auftrag aber mangels intakten Geräts nicht erledigt, drohe eine Abmahnung oder gar Entlassung wegen Arbeitsverweigerung.
Ver.di-Gewerkschafter wie Ado Wilhelm und der Fachbereichsleiter Lothar Schröder haben ihre Kollegen von der CWA wochenlang u.a. bei Verhandlungen mit dem Management in den USA unterstützt. Was das unter „Sozialpartnerschaft“ versteht zeigt ein solch groteskes Beispiel wie das Anbringen eines Schaukastens für Gewerkschaftsinformationen in einem Firmengebäude. Schaukasten ja, aber den Schlüssel wollen die Manager behalten um dann entscheiden zu können, was konkret die CWA aushängen darf und was nicht.
Vor dem Hintergrund der Verhandlungen über das TTIP, von denen die Öffentlichkeit im Gegensatz zu rund 600 Wirtschaftslobbyisten ausgeschlossen ist, bekommen die Vorgänge bei der T-Mobile USA und den Töchtern anderer Konzerne eine weit über die USA hinausgehende Bedeutung. Von acht elementare Übereinkommen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation, Unterorganisation der UNO) haben die USA nur zwei ratifiziert. Die Übereinkommen 87 „Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes“ und 98 „Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen“ nicht. Das gibt Konzernen mit Sitz in Deutschland die Möglichkeit, in den USA europäische soziale Standards zu unterbieten. Das weckt Begehrlichkeiten des transatlantisch eng verflochtenen Kapitals, auf beiden Seiten des Ozeans solche Verwertungsbedingungen zu schaffen.
„Die Beschäftigten der T-Mobile in den USA erwarten nicht mehr und nicht weniger als Respekt! Anstand! Und Faire Behandlung!“ liest man auf der Internetseite von ver.di. Das Aktionsbündnis „Wir erwarten Besseres“ zeigt die zunehmende Bereitschaft in den Gewerkschaften, sich nicht nur bei Kongressen zusammen zu setzen, sondern sich mit konkreten Aktionen zu vernetzten.
Text: Volker Metzroth /Der Artikel erscheint auch in der UZ vom 23.0514)
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„We expect better“
Es war eine etwas andere Art einer Kundgebung. Sie wurde geprägt durch durch die Delegierten des Kongresses vom Internationalen Gewerkschaftsbund ITUC, der gerade in Berlin stattfindet. Und so waren rund 400 Demonstrierende vor der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom zusammengekommen, um gegen das gewerkschaftsfeindliche Verhalten der Telekom-Tochter T-Mobile US zu protestieren. Es wurde gesungen und getanzt, die kämpferischen Reden auf englisch wurden begeistert beklatscht, das Publikum ging begeistert mit.
Lothar Schröder, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands, dankte den Gewerkschaftern dieser Welt, auf dieser Demonstration der Solidarität mitzuwirken um gemeinsam deutlich zu machen: Wir erwarten besseres, wir erwarten Respekt, wir erwarten Anstand und wir erwarten Fairness von der deutschen Telekom. „Es tut gut, zu wissen, dass die Gewerkschaften dieser Welt hinter uns stehen, das hinter uns der IGB, die Internationalen Gewerkschaftsbünde stehen, und dass hier Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Asien, Australien, aus Europa, aus Afrika und aus Süd- und Nordamerika mit uns auf die Straße gehen, um für unsere Kollegen in Amerika zu kämpfen“.
Auf der Bühne steht auch Joshua Coleman, ehemaliger Mitarbeiter der T-Mobile US. Er verlor seinen Job, weil er sich offen zu seiner Gewerkschaft CWA bekannte. Ein T-Shirt mit der Aufschrift „We expect better“ war für die T-Mobile US Anlass genug, den Callcenter-Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.
Von der UNI Global Union, dem weltweiten Dachverband der Gewerkschaften des privaten Dienstleistungsgewerbes, spricht Philip Jennings . „We are global, we are local“, ruft er in die Menge und macht damit deutlich, dass es keine Schlupflöcher für international arbeitende Konzerne wie die Deutsche Telekom geben darf.
Larry Cohen, der Präsidenten der amerikanischen Gewerkschaft CWA, wendet sich mit seinem Protest direkt an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom. Er übergibt dessen Mitarbeiter Dietmar Frings die Forderungen der internationalen Gewerkschaftsvertreter.
Text/Fotos: mami
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